Olympia 2016 in Rio: Rendschmidt und Groß - mit Atemübung zu Kanu-Gold
Max Rendschmidt und Marcus Groß gewinnen im Kajak-Zweier die Goldmedaille. Dafür mussten sie Schmerzen überstehen.
Das Boot wackelte, es trudelte. Max Rendschmidt und Marcus Groß hieben wie von Sinnen aufs Wasser ein. „Die Arme waren knüppelfest, wir haben versucht, uns irgendwie ins Ziel zu retten“, sagte Groß. Von hinten rauschte das serbische Boot heran. Noch zehn Meter, noch fünf. Die Schmerzen waren unerträglich, „es waren die größten, die ich je bei einem Kanurennen hatte“, sagte Groß. Dann war es vorbei. Die beiden deutschen Kanuten hatten sich nach 1000 Metern mit 0,188 Sekunden Vorsprung ins Ziel gerettet und Gold im Kajak-Zweier geholt.
Die anderen Medaillenhoffnungen erfüllten sich am Donnerstag nicht. Die Potsdamerin Franziska Weber kam im Kajak-Einer über 500 Meter genauso auf Rang fünf wie der Kajak-Zweier mit dem Berliner Ronald Rauhe und Tom Liebscher über 200 Meter. Rauhe, der die letzten Spiele seiner großen Karriere erlebt, war angesichts der nur um eine Zehntelsekunde verpassten Medaille zum Abschied untröstlich. „Das war spektakulär für die Zuschauer, aber für uns total beschissen“, sagte er mit Tränen in den Augen.
Rendschmidt hat seine Anspannung besiegt
Der Kontrast zu Rendschmidt und Groß, die direkt neben ihm mit ihren Goldmedaillen posierten, hätte nicht größer sein können. Besonders für den Berliner Marcus Groß war der Sieg eine Erleichterung. Er war 2012 im Kajak-Vierer in London dabei, damals reichte es nur zu Rang vier. Danach stieg er in den Zweier mit Rendschmidt um, um sich den Traum einer Olympiamedaille in Rio de Janeiro zu erfüllen. Es lief auch gut an, beide wurden schon zweimal Weltmeister. Ein sicheres Gold war die Angelegenheit trotzdem nicht.
Rendschmidt ist der talentiertere Kanute, aber er ist auch der nervösere. Er übergab sich regelmäßig vor den Rennen, bei der WM 2014 in Moskau brachen die Favoriten ein und wurden nur Vierte, wieder einmal. Daraufhin engagierten sie den Mentalcoach Robby Lange, er half vor allem Rendschmidt, die Anspannung zu besiegen. „Robby hat mir spezielle Atemübungen zur Ablenkung und Fokussierung gezeigt, um die Aufregung in Spannung umzuwandeln“, sagt der 23-Jährige.
Das Rennen hätte keinen Zentimeter länger sein dürfen
Nervös waren die beiden Kanuten dennoch, schließlich hatten sie ihre übliche Taktik am Vorabend komplett über Bord geworfen. Statt sich wie immer auf den Schlussspurt zu verlassen, entschieden sie sich dazu, sich sofort vom Start weg abzusetzen. „Wir wollten die anderen überraschen“, sage Groß.
Im Rennen auf der Lagoa Rodrigo de Freitas ging die Taktik anfangs auf. Nach 750 Metern hatten die beiden mehr als zwei Sekunden Vorsprung auf den Rest des Feldes. Dann aber drehten die Serben Marko Tomicevic und Milenko Zoric auf der Nebenbahn auf. „Einhundert Meter vor dem Ziel haben wir eine Bugspitze neben uns gesehen, und auch, dass die sehr schnell war“, sagte Groß. Es wurden die längsten einhundert Meter seines Lebens. Als das Boot durchs Ziel getrudelt war, sank Groß erschöpft zusammen, Rendschmidt riss mit letzter Kraft den Arm nach oben. „Das Rennen hätte keinen einzigen Zentimeter länger sein dürfen“, sagte er später. „Jetzt haben wir endlich dieses verdammte Gold.“ Und es könnte noch eines dazukommen. Beide werden ab Freitag auch im Kajak-Vierer sitzen, der über 1000 Meter Siegchancen hat.