Kolumne: Meine Champions League: Reiche unter sich - mit kleiner Ausnahme
Wenn es ernst wird in der Champions League, dann bleiben die Großen unter sich. Nur eine Mannschaft hat sich in den jüngsten Jahren nicht nur mit Geld ins Establishment gespielt.
Das mit der Europakrise ist ja nicht so ganz neu, und warum sollte es sie nicht auch auf dem Fußballplatz geben? Es ist eine Krise jenseits vom italienischen Referendum, einer skurrilen Präsidentenwahl in Österreich oder einer schwächelnden Gemeinschaftswährung. Es geht den großen Fußballmächten in dieser Krise vergleichsweise gut, vielleicht sogar zu gut, das ist ja das Fatale.
Was dem europäischen Fußball zusetzt, ist die Genügsamkeit seiner Eliten. Die Gewissheit, dass sich nichts ändern wird, dass es im kommenden Frühjahr wieder schöne Play-off-Spiele gibt mit den üblichen Verdächtigen aus London und Paris, aus Madrid und Barcelona und gerne auch aus München. Die Elite definiert diesen Zustand als Planungssicherheit, als ihr natürliches Recht, im entscheidenden Moment immer unter sich zu sein. Und sie merkt dabei nicht, dass sie dabei ein ganz wesentliches Element vernachlässigen, nämlich den großen Vorteil, den der Unterhaltungsbetrieb Fußball in seinen Verteilungskämpfen mit dem Kino oder Theater ausspielen kann. Beim Fußball weiß vorher keiner, wie es am Ende ausgeht. Aber das ist in der Champions League immer seltener der Fall.
Vor dem Finale der Vorrunde ist in fünf von acht Gruppen schon entschieden, wer ins Achtelfinale einzieht. Es hat dabei eine einzige kleine Überraschung gegeben, das Scheitern von Tottenham Hotspur gegen Bayer Leverkusen. Allein ein Spiel an diesem letzten Spieltag trägt den Charakter eines K.o.-Duells, aber ob nun in Gruppe H Olympique Lyon oder der FC Sevilla weiterkommt, wird den Wettbewerb in seinem weiteren Verlauf wahrscheinlich genauso wenig beeinflussen wie der Dreikampf in Gruppe B zwischen dem SSC Neapel, Besiktas Istanbul und Benfica Lissabon. Bisher ist diese Spielzeit das langweilige Äquivalent zu einer langweiligen Europameisterschaft, aber die erfreute sich immerhin noch an einem Hoch über dem Nordatlantik und an einem fröhlichen Phantom aus Nordirland. Wo ist das Island der Champions League, wo ist ihr Will Grigg?
Die Belanglosigkeit dieser Vorrunde zeigt sich besonders deutlich am Duell der Großmächte aus Deutschland und Spanien. Dreimal in den kommenden beiden Tagen haben es Bundesliga und Primera Division miteinander zu tun, aber kein einziges Mal steht Fußball-Existenzielles auf dem Spiel. In Gruppe F geht es am Mittwoch zwischen Real Madrid und Borussia Dortmund zwar noch um Platz eins. Aber Dortmunds Trainer Thomas Tuchel hat schon verlauten lassen, die genaue Vorrundenplatzierung sei ihm ziemlich egal, was nicht gerade die Vorfreude auf einen spannenden Abend im Estadio Bernabéu schürt.
Spannung gibt es kaum: vieles steht schon vor dem letzten Spieltag der Gruppenphase fest
Der FC Barcelona steht schon vor dem letzten Spiel am Dienstag gegen Borussia Mönchengladbach als Sieger der Gruppe C fest. Die Borussia macht unabhängig von Sieg oder Niederlage im kommenden Jahr in der Europa League weiter. Ihr Stürmer André Hahn definiert den Anspruch vor dem Abend im Camp Nou so: „Wir fahren da nicht hin, um eine Klatsche zu bekommen.“
FC Bayern gegen Atlético Madrid – das hätte eine spannende Revanche sein können für den Münchner Halbfinal-K.o. im vergangenen Jahr. Aber die Rangfolge in Gruppe D ist mit dem Ersten Atlético und dem Zweiten Bayern längst geklärt. Der Münchner Trainer Carlo Ancelotti lässt am Dienstag reichlich rotieren und den leicht angeschlagenen Jérôme Boateng nicht mal auf die Ersatzbank.
Im vergangenen Frühling haben die Bayern bei Halbfinal-Rückspiel gegen Atlético ihr wohl bestes Saisonspiel gezeigt, vielleicht sogar das beste in ihren drei Jahren unter Pep Guardiola gemacht. Dass es am Ende trotzdem nicht fürs Endspiel reichte, war eine der wenigen großen Überraschungen der jüngeren Vergangenheit der Champions League. Es sind Trainer wie der jetzt bei Manchester City wirkende Pep Guardiola, ausgestattet mit dreistelligen Millionen-Budgets, die den Fußball in die Richtung eines Robotersports driften, wo immer der Reichere und damit zwangsläufig Bessere gewinnt. Aber es sind Trainer wie Atléticos Diego Simeone, die dem Fußball seine Unberechenbarkeit erhalten, die kleine Hoffnung darauf, dass am Ende auch mal der Schlechtere siegt, so unverdient das auch sein mag. Aber dann eben auch umso emotionaler.
Auch Atlético ist längst kein Arme-Leute-Verein mehr, sondern eine Sociedad Anonima, im Besitz privater Investoren. Aber eben auch ein Klub, der nicht schon immer zum Establishment gehörte und nicht nur mit massiven Zuwendungen von außen von null auf hundert katapultiert wurde. Ein Hoffnungsschimmer in den Zeiten der Langeweile-Krise, immerhin.