Tennis ohne Tore: Rehhagel setzt auf gute Laune
Otto Rehhagel muss die Offensiv-Probleme von Hertha BSC lösen – wie bleibt offen. Der Trainer setzt erst einmal auf gute Stimmung.
Es wurde gelacht und gespielt im Sonnenschein. An Otto Rehhagels zweitem Trainingstag bei Hertha BSC, wieder vor mehr als hundert Zuschauern, war das Wetter besser als beim Schneetreiben am Vortag. Auch die Stimmung war heiter, bei Ballhochhalten und Fußballtennis. Das gab es seit mehr als zwei Jahren nicht mehr im Hertha-Training. Es durfte auch gestaunt werden, als Co-Trainer Ante Covic bei einer Passübung die Spieler mit seiner Technik begeisterte.
Zuschauer Rehhagel wollte da nicht nachstehen. Er rief die Mannschaft zusammen und ließ sich Bälle zuwerfen, die er präzise zum Assistenten René Tretschok köpfte. Anerkennendes Gelächter.
„Das bringt Lockerheit rein“, sagte Pierre-Michel Lasogga nach Rehhagels Referat über die Wichtigkeit des Kopfballspiels inklusive Vorführung. Der Trainer habe gezeigt, was jeder Fußballer schon als Junge lernen sollte. „Früher habe ich auch nur draufgebolzt“, sagte Lasogga und gestand sich damit scheinbar Nachholbedarf im Kopfballspiel ein.
Dabei hat der 19-Jährige zwei seiner sieben Saisontore mit dem Kopf erzielt. Auch Herthas bislang letzten Treffer, vor fast einem Monat gegen Hamburg. Es war der einzige Berliner Torerfolg im Jahr 2012, der einzige Treffer in sechs Pflichtspielen. Für einen ersten Rückrundensieg am Samstag in Augsburg müsste sich die Ausbeute um mindestens ein Tor erhöhen.
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Gegen den Mit-Aufsteiger brauche Hertha einfach „den Stoß durch ein Tor, dann läuft alles anders“, sagt Lasogga. Den Stoß würde der Stürmer am liebsten selbst setzen, aber er ist verstimmt. Gegen Dortmund wurde er zuletzt nur eingewechselt. Interimstrainer Tretschok gab danach gesundheitliche Gründe an und sagte: „Er läuft auf der letzten Felge.“
Gute Laune statt Fußprobleme
Bei Fragen nach Fitness und Felgen schnaubt Lasogga wie ein Stier. „Mir geht es gut, mir ging es auch letzte Woche gut, jeder, der schon einmal einen Pferdekuss hatte, weiß, dass man damit spielen kann“, sagt Lasogga. Er habe in den vergangenen sechs Monaten nie länger als einen Tag beim Training gefehlt, betont er. Und fügt pflichtbewusst an, die Entscheidung, dass er nicht von Beginn an spiele, habe ihn überrascht, aber er habe sie akzeptiert.
Spätestens, wenn Sturmkonkurrent Adrian Ramos nach einer Zehenentzündung heute wieder ins Training einsteigen sollte, dürfte die Kennenlernphase mit Athletikübungen und Trainingsspielereien bei Hertha beendet sein. Dann geht es um Lösungsansätze für Defensiv- und Offensivprobleme und um Startelfplätze.
Doch derzeit wissen nicht einmal die Spieler, was Rehhagel genau vorhat. Der 73-Jährige überlässt viel den Assistenten, schaut zu, winkt hin und wieder Spieler zu sich. Dann verschwindet er nach dem Training samt Eskorte in der Kabine, „erstmal ’nen Kaffee trinken“, lässt er nur wissen.
Die Zurufe der Assistenten bei Passübungen und Trainingsspielchen vier gegen vier – „nur ein Kontakt, schneller Abschluss“ – lassen zumindest erahnen, dass da versucht wird, wieder an das schnelle Umschaltspiel des erfolgreichen Saisonbeginns anzuknüpfen.
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„Alles was Rehhagel sagt, wird schon Hand und Fuß haben“, sagte Lasogga, „wir müssen ihm da blind vertrauen, weil er die Erfahrung hat.“ Lewan Kobiaschwili schwärmte jedenfalls von den kurzen Unterredungen, in denen Rehhagel nicht nur mit Geschichten von früheren Klubs aufwartet: „Ich finde es toll, dass er immer positiv denkt, er motiviert jeden Einzelnen, das brauchen wir jetzt.“ Das Trainerteam versuche „gute Stimmung reinzubringen, Negatives haben wir genug gehabt“.
Peter Niemeyer hatte nach dem 0:1 gegen Dortmund eher von einem Fuß- als einem Kopfproblem gesprochen, also von spielerischen Schwierigkeiten, aber auch gewarnt: „Wir müssen aufpassen, dass es nicht zu einem Kopfproblem wird.“ Dem soll mit guter Laune vorgebeugt werden.
Wie die Probleme mit den Füßen – der ausrechenbare Spielaufbau, das harmlose Flügelspiel, die Abschluss-Schwäche – in zwei Tagen bis Augsburg gelöst werden sollen, bleibt offen. „Fußballtennis ist eine Spaßeinheit, man kann sich austoben“, fand Lasogga, „aber keine Tore schießen.“