Mögliche Reform der 50+1-Regel: Rechte oder Reichtum?
Beim Treffen der 36 deutschen Profiklubs soll über die 50+1-Regel "ergebnisoffen" diskutiert werden. Die Fans lehnen Reformen strikt ab.
Die „Spreeathen-Bananas“ haben unterzeichnet, die „Lippensbrüder“, „Grenzlandfohlen“, „Himmelhunde“, „Ostharzlöwen“. Die Befürworter tragen viele Namen. Sie nennen sich auch „Havelpralinen“, „Jettinger Mosdeifl“, „Muschelschubser“ oder „Die eisernen Wildsäue“. Es sind die Fanklubs im Land, über 2800, die für eine Beibehaltung der bisherigen 50+1-Regel sind. Sie gehören der Initiative „#50plus1bleibt“ an und lehnen mögliche Reformen ab.
50+1 soll garantieren, dass an einem deutschen Fußballunternehmen (etwa der FC Bayern München AG) stets der beteiligte eingetragene Verein (e. V.) die Stimmenmehrheit hält. 50 Prozent also plus eine Stimme in der Versammlung der Anteilseigner. Die 50+1-Regel ist eine deutsche Besonderheit und ein Modell, das als investorenfeindlich gilt. Geldgeber können zwar die Kapitalmehrheit an einem Bundesligisten halten – nie aber die Stimmenmehrheit. Die muss beim e.V. liegen; Fußballinteressen, so die Hoffnung, sollen dadurch gewahrt bleiben.
Doch das Modell wird inzwischen angezweifelt, der deutsche Fußballmarkt sucht nach neuen monetären Quellen. An diesem Donnerstag treffen sich die Klubs zu Gesprächen, um herauszufinden, ob mehr Mitspracherechte für Investoren eine Lösung sein könnten. Soll 50+1 also reformiert werden, vielleicht sogar ganz abgeschafft? Und inwiefern und wie weit kann sich der deutsche Fußball für externe Geldgeber öffnen, ohne gänzlich die Kontrolle zu verlieren?
FC Bayern und RB Leipzig gleicher Meinung
Um solche Fragen wird es in einem Hotel am Frankfurter Flughafen gehen, wenn Christian Seifert, Geschäftsführer der Deutschen Fußball-Liga (DFL), die 36 Mitglieder begrüßt. Es sind Vertreter jener Klubs, die in der Ersten und Zweiten Liga spielen und die ein nicht ganz so einheitliches Bild abgeben wie die Fanbasis. Um die aktuelle DFL-Satzung zu ändern, wäre eine Zweidrittel-Mehrheit notwendig. Die zeichnete sich im Vorfeld nicht ab, allerdings dürfte in Frankfurt kaum mehr als ein erster Meinungsaustausch stattfinden. Ergebnisoffen wolle man diskutieren, kündigte die DFL an, genauso wie einige Vereine. Wolfgang Schwenke, Geschäftsführer des Zweitligisten Holstein Kiel teilte mit: „Wir warten als Holstein Kiel den Diskussionsprozess innerhalb der Vereine ab, erst dann werden wir uns zu diesem komplexen Thema äußern.“
Der Vorstandsvorsitzende der FC Bayern München AG, Karl-Heinz Rummenigge, plädierte im Vorfeld für eine Freigabe. Jeder Klub solle selbst entscheiden, ob er die Stimmenmehrheit an einen Investor abgeben wolle oder nicht. Von den Verantwortlichen von RB Leipzig, die sich vor dem Gastspiel der Bayern mit den Münchner Kollegen über 50+1 ausgetauscht haben, kamen ähnliche Signale.
Hans-Joachim Watzke, Dortmunds Geschäftsführer, hat sich gegen eine Aufweichung positioniert. Der „FAZ“ sagte er vor einigen Wochen: „Wir werden weiter für 50+1 kämpfen. So lange mir keiner der Gegner schlüssig erklären kann, warum man 50+1 abschaffen soll, obwohl Real Madrid und Barcelona als Vereine mit 50+1 die erfolgreichsten Klubs der Welt sind, kämpfe ich für den Bestand dieser Regel.“ Vereine wie der 1. FC Union, der FC St. Pauli, SC Freiburg oder Dynamo Dresden bekannten sich klar zur aktuellen Regelung.
Insbesondere Klubs mit einer breiten Mitgliederbasis dürften einen Wegfall von 50+1 fürchten. Der Freiburger Manuel Gaber, einer der Initiatoren der #50plus1bleibt-Initiative, erklärt: „Der Wegfall der 50+1-Regel würde den Wettbewerbsdruck für alle Klubs unweigerlich erhöhen.“ Und: „Die Fan-Basis hat sich auch deshalb klar zu 50+1 bekannt, weil wir nicht möchten, dass der Fußball durch Vereinsübernahmen von Investoren noch mehr zum Spielball einiger Weniger wird.“
Verbandsautonomie oder EU-Recht?
Henrik Drinkuth, Anwalt bei der Wirtschaftskanzlei CMS in Berlin, rät hingegen zu einer Liberalisierung des Fußballmarktes. „50+1 zieht eine absurde corporate-governance-Struktur nach sich. Der Investor soll Geld geben und das finanzielle Risiko tragen, aber nichts zu sagen haben. Das Sagen sollen stattdessen diejenigen haben, die keine finanzielle Verantwortung für ihr Handeln tragen. Das funktioniert nicht“, kritisierte Drinkuth die aktuelle Regel gegenüber dem Tagesspiegel. Drinkuth zweifelt auch daran, ob 50+1 rechtlich haltbar ist, da die Investorenschranke das Recht der Kapitalsfreiheit in der Europäischen Union behindere.
50+1-Befürworter wie St. Paulis Geschäftsführer Andreas Rettig weisen hingegen darauf hin, dass die Verbandsautonomie höher wiege. Die Debatte um mögliche Reformen findet Rettig ohnehin überflüssig, es habe sich seit der letzten Reform im Dezember 2014 ja kein neuer Sachstand ergeben. Damals sprachen sich alle 36 Profiklubs für den 20-Jahre-Passus aus. Demnach kann ein Investor einen Klub mehrheitlich übernehmen, wenn er ihn 20 Jahre lang „ununterbrochen“ und „erheblich“ gefördert hat. Hoffenheims Dietmar Hopp erfüllte diese Kriterien Anfang 2015, bei Hannover 96 wäre die Übernahme durch Martin Kind am 5. Februar laut „Bild“ gescheitert. Kind stellte seinen Antrag am Tag der Entscheidung deshalb auf „ruhend“. Seither wird lebhaft diskutiert, auch bei den „Spreeathen-Bananas“.
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