50+1-Regel: Andreas Rettig kritisiert Martin Kind
Der Geschäftsführer des FC St. Pauli sagt über den 96-Klubboss: "Jetzt zu kommen und zu sagen, ihm gehe es um das Wohl der Liga, ist fragwürdig."
Andreas Rettig, Geschäftsführer beim Fußball-Zweitligisten FC St. Pauli, ist bekannt für seine klaren Worte. Das gilt auch für den Fall Martin Kind und Hannover 96 in der sich abzeichnenden Debatte über die 50+1-Regel. „Bisher ist Herr Kind bei der Diskussion um 50+1 nicht durch Vorschläge aufgefallen, die außerhalb von Hannover 96 von Bedeutung wären“, sagte Rettig dem Tagesspiegel am Dienstag.
50+1, das ist jene Regel, die Fußballvereinen die Stimmenmehrheit an den ausgelagerten Profifußballbetrieben sichern soll. Kind hatte einen Ausnahmeantrag bei der Deutschen Fußball-Liga (DFL) gestellt. Am Montag war eine Entscheidung erwartet worden, nach bestätigten Informationen dieser Zeitung plante die DFL, Kind eine Ausnahme zu verweigern. Der 73-Jährige kam dem zuvor, in dem er die DFL am Montagmorgen darüber informierte, den Antrag ruhen zu lassen. Stattdessen, so die offizielle Version, wolle er – gemeinsam mit anderen Ligavertretern – einen neuen Prozess anstoßen, um die 50+1-Regel zu reformieren. „Wir müssen jetzt die Zeit nutzen, die Diskussion und die Strategie erarbeiten und den Vereinen zur Abstimmung geben“, sagte Kind.
Um die 50+1-Regel und damit auch die Satzung zu verändern, ist eine Zweidrittel-Mehrheit unter den 36 Profiklubs der Ersten und Zweiten Liga nötig. Einige Klubs, darunter der SC Freiburg, Borussia Dortmund und der FC St. Pauli, haben sich bereits gegen eine Reform ausgesprochen.
St. Paulis Andreas Rettig wundern die Aussagen von Kind am Dienstag. „Den Prozess, den er jetzt initiieren will, hätte er schon vor vielen Jahren anschieben können. Stattdessen hat er 2011 den Klageweg gewählt.“ Auch habe Kind immer mit Klage gedroht, wenn sein Antrag abgelehnt würde. „Dies missachtet die Solidarität zu den anderen 35 Mitgliedern des Ligaverbandes. Jetzt zu kommen und zu sagen, ihm gehe es um das Wohl der Liga, ist fragwürdig“, sagte Rettig – zumal es einen langwierigen Prozess gegeben habe. „Was uns als neuer Prozess verkauft wird, wurde bereits unter DFL-Geschäftsführer Christian Seifert vor einigen Jahren initiiert. Da waren unter anderem auch Vertreter des FC Bayern, Hertha BSC, Greuther Fürth, Borussia Mönchengladbach und natürlich der DFL und des DFB mitbeteiligt.“
Ein 50+1-Prozess ist noch gar nicht lange her
Rettig führt aus: „Das Ergebnis der Arbeitsgemeinschaft wurde im Dezember 2014 der Liga vorgestellt. 36 von 36 Klubs haben diesen Leitlinien zugestimmt, darunter natürlich auch Hannover 96.“ Martin Kind und 96 haben somit just jenen Leitlinien zugestimmt, die sie nun reformieren möchten. Vieles deutet darauf hin, dass Kind vor allem deshalb reformieren will, weil die Hürden im Fall 96 zu hoch waren, um von der investorenfeindlichen 50+1-Regel ausgenommen zu werden.
Einer Aufweichung von 50+1 steht neben Rettig auch Fritz Keller, der Präsident des SC Freiburg, skeptisch gegenüber. „Wir werden weiter für eine gute Lösung kämpfen. Ich befürchte, dass es Kompromisse geben wird, aber wir werden uns dafür einsetzen, dass so viel wie möglich von 50+1 erhalten bleibt“, sagte Keller. Viele würden auf viel Kapital hoffen, aber England solle in dieser Hinsicht ein warnendes Beispiel sein. Die Solidaritätsgesellschaft Bundesliga müsse weiterhin im Vordergrund stehen.
Der Mainzer Sportvorstand Rouven Schröder forderte: „Wichtig ist jetzt, dass man erst einmal alle Inhalte auf den Tisch legt.“ Und: Als Verein müsse man weiter alle Entscheidungen in der Hand halten.
Rettig irritiert der Zeitpunkt der Debatte. Er frage sich, „was seit Dezember 2014 alles passiert ist, dass dieses 36:0 Votum und Bekenntnis zu 50+1 auf den Prüfstand gestellt wird.“ Gleichwohl beteilige sich St. Pauli gern an einem weiteren Diskussionsprozess, etwaigen Modifikationen verschließe man sich nicht, „aber immer unter der Maßgabe von Mitbestimmung und Teilhabe der Vereinsmitglieder unter Berücksichtigung von 50+1“, sagte Rettig.
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