1. FC Union kämpft für die Rückkehr der Fans: Präventivtests statt Mindestabstand und Maske
Union arbeitet weiter am eigenen Hygienekonzept – es könnte der gesamten Veranstaltungsbranche helfen.
Man müsse ein bisschen über die Grenzen der aktuellen Realität hinausdenken, meinte Dirk Zingler. Ein Coronatest, so der Präsident des 1. FC Union am Mittwoch, würde zum Beispiel nicht unbedingt 50 oder 60 Euro kosten müssen. Wenn der 1. FC Union gleich 5000 identisch verpackte und beschriftete Proben bereitstellen könne, wäre der Aufwand für das Labor viel geringer und die Kosten würden sinken. „Wir müssen uns von der Realität entfernen und versuchen, neue Realitäten zu schaffen“, sagte Zingler.
In einem Testspiel am 5. September – sollten die Behörden zustimmen – will Union mit 3000 Zuschauern sein neues Hygienekonzept zum ersten Mal austesten. Ein Konzept, das auf Präventivtests statt Mindestabstand und Maske setzt.
Die grundsätzliche Leitidee dazu hat Union schon am Dienstag veröffentlicht, genauere Details zur logistischen Umsetzung werden erst nach der Genehmigung bekanntgegeben. Am Mittwoch in der Alten Försterei zeigte sich Zingler jedoch von dem Konzept überzeugt. Wenn es funktioniere, solle es nicht nur eine neue Realität für die Veranstaltungsbranche erschaffen, sondern auch irgendwann ein volles Stadion ermöglichen, dabei Nicht-Beteiligte schützen und sogar das Gesamtbild des Infektionsgeschehen in der Pandemie weiter durchleuchten.
[Jetzt noch mehr wissen: Mit Tagesspiegel Plus können Sie viele weitere spannende Geschichten, Service- und Hintergrundberichte lesen. 30 Tage kostenlos ausprobieren: Hier erfahren Sie mehr und hier kommen Sie direkt zu allen Artikeln.]
Für einen so weitreichenden Plan ist die Grundidee eigentlich ganz simpel. Wer innerhalb von 48 Stunden negativ getestet wird, kann ohne Sorge an einer Großveranstaltung teilnehmen. Auch wenn man sich zwischenzeitlich anstecken würde, wäre man in diesem Zeitraum nicht gleich infektiös. Denn dafür brauche der Virus „eben einen gewissen Zeitraum, um genug Viruslast zu entwickeln“, meinte Zingler mit Berufung auf die Wissenschaft.
Beweist sich diese Theorie auch in der Praxis, dann „erübrigen sich viele Fragen und Themen“ um die Austragung von Großveranstaltungen, sagte Zingler. Ein gesondertes Verkehrskonzept würde man zum Beispiel nicht brauchen, „weil in unserem Hygienekonzept nur nicht-infektiöse Menschen in die S-Bahn steigen“, was für den Nicht-Beteiligten noch sicherer wäre, als eine Veranstaltung mit den aktuell gängigen Hygiene-Regeln. Bei Union sei man also „überzeugt, dass der Wirkungsgrad unserer Hygienemaßnahmen höher ist als der Wirkungsgrad von Abstand und Maske“.
Auch in anderen Bereichen will der Union-Präsident den Kollateralschaden für den Rest der Bevölkerung minimieren. Man wolle zum Beispiel nur „überschüssige Testkapazitäten“ nutzen. Sollten alle verfügbaren Tests in vorrangigen Bereichen wie Bildung oder Pflege benötigt werden, dann „kommt keiner ins Stadion“. Union will auch „100 Prozent der Kosten übernehmen“. Das lohne sich nicht nur wegen der billigeren Tests, sondern auch, weil der kleine Klub aus Köpenick seine Fans braucht im Kampf gegen den Abstieg. Dieser würde nämlich „30 bis 40 Millionen Euro kosten“, sagte Zingler.
[Mehr guten Sport aus lokaler Sicht finden Sie – wie auch Politik und Kultur – in unseren Leute-Newslettern aus den zwölf Berliner Bezirken. Hier kostenlos zu bestellen:leute.tagesspiegel.de]
So schön das sich das alles anhören mag, gibt es aber auch noch offene Fragen. Das Ganze hängt zum Beispiel zu einem nicht unwesentlichen Teil von einem komplizierten und nahtlos funktionierenden Ticketing- und Datenübermittlungssystem ab. Auch hier will Union einen „sehr professionellen Partner“ gefunden haben. Details gibt es aber, wie auch zur Frage der Sicherheitsvorkehrungen am Spieltag, bisher eher wenig.
Antworten muss Union in erster Linie der Politik liefern. Schon wenige Stunden nach der Veröffentlichung der Leitidee am Dienstag äußerte sich Berlins Bürgermeister Michael Müller skeptisch. Damit habe man aber auch ein bisschen gerechnet, sagte Zingler am Mittwoch, und schließlich ist es eine Entscheidung des Bezirks, und nicht des Senats, ob Unions Konzept zugelassen werden soll.
„Wir müssen immer damit rechnen, dass wir zu früh dran sind“, sagte Zingler. Wenn das so sei, wird Union am 5. September einfach vor ein paar tausend Fans spielen, die Abstand halten und Maske tragen. In der jetzigen Realität.