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Das Spinat-Hormon Ecdysteron spendet laut einer Studie Kraft. Die Probanden legten beim Bankdrücken in zehn Wochen 9,3 Kilogramm zu.
© imago images / Westend61

Wundermittel Spinat: Pflanzenstoffe könnten auf der Dopingliste landen

Ein im Spinat enthaltenes Hormon soll stark leistungssteigernd sein. Überhaupt dürften immer mehr Pflanzen im Fokus potenzieller Dopingsünder stehen.

Das Handlungsmuster der hundert Jahre alten Comics ist redundant, aber Popeye macht bis heute Spaß. Regelmäßig wird der Matrose von seinem Widersacher Pluto verdroschen, der wiederum ein Auge auf seine Geliebte Olivia geworfen hat. Popeye klebt zusammengeklatscht an einer Wand oder windet sich um einen Baum. Seine Situation ist hoffnungslos – bis er mal wieder eine Spinatdose erspäht und sich diese in einem Haps einverleibt. Seine Muskeln beginnen zu zucken und zu wachsen und wenig später klebt eben Pluto an der Wand.

Comicfans werden sich daher nicht wundern über eine neue Studie, nach der die im Spinat befindliche Substanz Ecdysteron stark leistungsfördernd sein soll. Der von dem amerikanischen Zeichner Elzie Crisler Segar erfundene Comic machte den für Kinder unbeliebten Spinat ein bisschen erträglicher. Man wurde doch so schön stark davon. Einen empirischen Nachweis dafür gab es bislang aber nicht – bis vor wenigen Tagen ein internationales Forscherteam eine Studie dazu veröffentlichte.

Über zehn Wochen hinweg war 46 Sportlern entweder ein Placebo oder Ecdysteron verabreicht worden. Das Ergebnis: Jene Gruppe, die das im Spinat enthaltene Hormon Ecdysteron erhielt, hatte signifikant bessere Werte insbesondere im Kraftbereich. Beim Bankdrücken schaffte die Ecdysteron-Gruppe in den zehn Tagen im Schnitt eine Steigerung von 9,5 Kilogramm pro Person. Die Placebo-Gruppe hingegen verbesserte sich nur um 3,3 Kilogramm. „Dieser Zuwachs an Kraft hat uns sehr überrascht“, sagt Studienleiterin Maria Kristina Parr von der Freien Universität Berlin. „Deswegen haben wir die Welt-Anti-Doping-Agentur darum gebeten zu prüfen, Ecdysteron auf die Dopingliste zu setzen.“

Sollte es so kommen, wäre dies ein Novum im Kampf gegen Doping. Bislang steht kein einziges Phytopharmakon auf der Dopingliste. Zur Gruppe der Phytopharmaka zählen Arzneimittel pflanzlichen Ursprungs, die nicht so eine extreme Wirkung haben wie etwa Morphin. „Sollte es eine empfindliche Methode zum Nachweis von Ecdysteron im Urin geben und sollte eine zweite Studie – die auch Frauen mit einschließt – die Ergebnisse bestätigen“, sagt der Pharmakologe und Doping-Experte Fritz Sörgel, „dann muss es auf die Dopingliste.“

Stimulierende Stoffe aus Pflanzen werden daher zunehmend interessant

Doch es wird schwer werden, dass das Hormon schon im nächsten Jahr darauf landet. In wenigen Wochen fällt die Entscheidung über die für 2020 zu verabschiedende Dopingliste durch die Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada). Die von Sörgel vorgeschlagene zweite Studie darüber wird es vermutlich bis dahin nicht geben. „Auch wird es sicher viele Fragen seitens der Wada zu der Studie geben“, glaubt Sörgel. Zumal das Thema außerordentlich sensibel ist. Die Sportlerinnen und Sportler werden hellhörig, wenn inzwischen sogar ein Phytopharmakon auf der Liste landen könnte. Sie fühlen sich ohnehin häufig gegängelt, weil sie im Alltag sehr aufpassen müssen, dass sie nicht versehentlich ein auf der Dopingliste stehendes Mittel einnehmen. „Das ist ein echtes Dilemma“, sagt Sörgel. Der renommierte Forscher kann die Sorgen der Sportler sehr gut verstehen. Er sagt aber auch: „Der Grund, warum es soweit gekommen ist, sind die Dopingvergehen einzelner Spitzensportler und die Erkenntnis, dass wirklich alles probiert wird – sei es, dass es aus der Retorte des Chemikers oder der Natur kommt.“

Klassische Dopingmittel kamen in der Vergangenheit aus der chemischen Arzneimittelforschung. „Diese ist aber immer verschlossener worden“, erklärt Sörgel. „Wissenschaftliche Studien, die alle Facetten eines neuen Arzneimittels untersuchen, sind weniger geworden oder bleiben in der Schublade.“ Potenziellen Betrügern fehlen Informationen darüber. Stimulierende Stoffe aus Pflanzen werden daher zunehmend interessant für sie – Stoffe wie das im Spinat enthaltene Ecdysteron. Auch das dürfte bereits großflächig zum Einsatz gekommen sein in den vergangenen Jahren. „Es gibt jedenfalls einen großen Markt für diese Präparate“, sagt Maria Kristina Parr.

Dabei ist nicht gesagt, dass Ecdysteron gesund ist, nur weil es im Spinat enthalten ist. „Keine Wirkung ist ohne Nebenwirkung“, zitiert Sörgel den Pharmakologen Gustav Kuschinsky. Soll heißen: Wenn Dosis und Effekt groß sind, werden entsprechende Nebenwirkung wahrscheinlich. Für gelegentliche und auch regelmäßige Spinatesser jedenfalls haben die neuen Erkenntnisse keine Folgen. Um eine ähnliche Wirkung wie bei den Studienteilnehmern zu erzielen, müsste man – je nach Spinat – wohl mindestens acht bis zehn Kilogramm Spinat am Tag verzehren. Und so viel von dem grünen Zeugs hat sogar Popeye über.

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