DFB-Pokalfinale: Pep Guardiola kontert mit dem Bayern-Sieg sämtliche Kritik
Bayerns Trainer Guardiola wurde nach dem Ausscheiden aus der Champions League Guardiola nicht für einzelne Entscheidungen kritisiert. Sein Gesamtkonzept wurde in Frage gestellt. Mit dem Sieg gegen Dortmund zeigt er, dass er sich anpassen kann und aus Fehlern lernt.
Pep Guardiola wirkte glaubhaft zerknirscht. Es schien ihn ehrlich zu ärgern, dass er die kulturellen Unterschiede zwischen seiner Heimat Katalonien und Deutschland wieder einmal nicht ausreichend berücksichtigt hatte. Sein Anzug war komplett durchnässt, er stank nach bayrischem Bier. Bei genauerer Kenntnis der deutschen Gepflogenheiten hätte Guardiola, der Trainer des FC Bayern München, natürlich wissen können, dass ihm genau das blühte. Das deutsche Wort Bierdusche aber zählt offenbar noch nicht zu seinem aktiven Wortschatz. Ob er einen zweiten Anzug eingepackt habe, wurde Guardiola gefragt. „Nein“, antwortete er.
Nach einem Jahr in Deutschland sind dem Katalanen einige Bräuche anscheinend immer noch fremd. „Es war nicht einfach für mich“, sagte Guardiola nach dem 2:0-Sieg der Bayern im DFB-Pokalfinale gegen Borussia Dortmund. Die Aussage mutet ein wenig seltsam an, wenn man bedenkt, dass Guardiola sein erstes Jahr bei den Bayern mit dem Double abgeschlossen hat, dass er die Meisterschaft in Rekordzeit geholt hat, dazu den europäischen Supercup und die Klubweltmeisterschaft gewonnen hat. Aber so linear, wie es im Nachhinein wirken mag, ist die Geschichte eben nicht verlaufen. Guardiolas erstes Jahr in Deutschland hat einige seltsame Volten geschlagen. Das Berliner Olympiastadion hat sich dabei zweimal als entscheidende Wendemarke herausgestellt.
Gesamtkonzept wurde in Frage gestellt
Vor zwei Monaten, Ende März, haben die Münchner durch einen 3:1-Erfolg bei Hertha BSC, die Meisterschaft perfekt gemacht. Guardiola wurde eine gottgleiche Verehrung entgegengebracht. „Wir sind über den Schellenkönig gelobt worden“, sagte der bekennende Schafkopfspieler Philipp Lahm. Doch nur ein paar Wochen später war von dieser Verehrung nichts mehr übrig. „Bayern-Beben“, schrieb die „Bild“-Zeitung am Tag des Finales auf ihrer Titelseite, neben dem Bild eines zeternden Guardiolas. Bayerns Kapitän Lahm fand das alles reichlich übertrieben. „Jetzt soll alles schlecht sein: Der Trainer soll schlecht sein, die Taktik soll schlecht sein“, sagte er nach dem Pokalsieg.
Was als leises Grummeln nach der Hinspielniederlage gegen Real Madrid begonnen hatte, entwickelte sich nach dem Ausscheiden aus der Champions League zu einem gewaltigen medialen Donnern. Guardiola wurde nicht für einzelne Entscheidungen kritisiert – sein Gesamtkonzept wurde komplett in Zweifel gezogen: seine Idee vom Fußball, das Primat des ewigen Ballbesitzes, seine Aufstellungen, sein Umgang mit wichtigen und vor allem beliebten Spielern wie Thomas Müller oder Franck Ribéry. Wer den FC Bayern kennt, weiß, dass öffentliche Kritik dieser Art nicht aus dem Nichts kommt. Die Medien geben immer auch der Stimmung innerhalb des Klubs einen Resonanzboden.
Pokalfinale war die zweite Wendemarke
Louis van Gaal, einer von Guardiolas Vorgängern, hat in einer ähnlichen Situation mit Trotz reagiert. Selbst als die Kritik an seiner Person, an seiner Art und seinen Entscheidungen immer stärker anschwoll, wich er nicht einen Millimeter von seiner Linie ab. Am Ende aber erwies sich der Klub als stärker. Guardiola scheint sich auf diesen Kampf gar nicht erst einlassen zu wollen. Gemessen an seinem Ruf, der beste Trainer der Welt zu sein, gemessen an seinen immensen Erfolgen gab er sich nach dem Pokalsieg geradezu demütig, ja fast schon devot. Im Rückblick auf das Aus gegen Real gestand Guardiola: „Ich habe Dinge getan, die ich nicht hätte tun sollen.“ Die Saison bei den Bayern nannte er „das wichtigste Jahr meiner kurzen Karriere“.
Das Pokalfinale im Olympiastadion war die zweite Wendemarke. Der Erfolg gegen Dortmund hat Guardiolas Ruf als Fußballversteher wiederhergestellt. „Er ist ein genialer Trainer, der wunderbar zum FC Bayern passt“, sagte Vorstandschef Karl- Heinz Rummenigge. Die Münchner gewannen mit genau jenem Plan B, über den ihr Trainer angeblich gar nicht verfügt. Guardiola bot eine Dreierkette auf, in der Javi Martinez einen Ausputzer in der Tradition von Willi Schulz gab. Martinez war neben Toni Kroos der überragende Spieler auf dem Platz: Mit seiner körperlichen Präsenz, seiner Härte im Zweikampf wirkte er wie ein entschiedenes Dementi zu Guardiolas eigentlicher Idee vom filigranen und körperlosen Fußball.
Bayerns Trainer bezeichnete den BVB als beste Kontermannschaft der Welt – neben Real Madrid. Reals Gegenangriffen waren die Bayern vor ein paar Wochen noch hilflos ausgeliefert gewesen; gegen Dortmund beherrschten sie den Raum und damit den Gegner. „Wir haben ihre Konter gut kontrolliert“, sagte Guardiola. Und so lautete die Botschaft des Abends auch: Ich bin bereit, mich anzupassen. Anzupassen an diesen stolzen Verein Bayern München, an all die seltsamen Gepflogenheiten des deutschen Fußballs. Und ich lerne aus meinen Fehlern. Das Wichtigste hat Pep Guardiola ohnehin schon lange begriffen: „Bei den Bayern musst du alles gewinnen. Und wenn du alles gewinnst, ist es nicht genug.“