Rhein-Neckar Löwen spielen zweimal am Tag: Peinliches Parallelprogramm im Handball
Das Spitzenspiel der Handball-Bundesliga zwischen den Rhein-Neckar Löwen und Kiel wird von einem irren Terminstreit überlagert.
Der ganze Skandal zeigte sich auf einen Blick. Während das Champions-League-Spiel der Rhein-Neckar Löwen noch lief, bewarb der übertragende Fernsehsender schon das kommende Bundesligaspiel: die Begegnung zwischen dem THW Kiel – und den Rhein-Neckar Löwen. Zweimal binnen vier Stunden spielten die Löwen also. Es war der vorläufige Höhepunkt eines absurden Streits. Auf einmal redete kaum einer mehr über das Spitzenspiel zwischen dem Rekordmeister aus Kiel und dem amtierenden Meister aus Mannheim, das die Norddeutschen schließlich 27:22 gewannen, sondern nur noch über das einzigartige Politikum im Handball.
Dass es – ganz im Gegensatz zum Fußball – europaweit keinen einheitlichen Spielplan mit fest vorgesehenen Europapokalterminen gibt, ist ein altes Problem im Handball. In dieser Spielzeit ist die Auseinandersetzung zwischen dem Liga-Dachverband HBL und dem europäischen Handball-Verband EHF allerdings komplett eskaliert. Alles ging vor ein paar Wochen los, als die EHF die Achtelfinal-Ansetzungen in der Champions League festlegte und – so sehen es die Vertreter der HBL – das seit Monaten auf den 24. März terminierte Bundesliga-Spitzenspiel geflissentlich ignorierte.
In Champions-League-Wochen sind die teilnehmenden Vereine angehalten, sich fünf Tage für den Europapokal freizuhalten, im konkreten Fall die vom 21. bis 25. März. Da sich Kiels und Mannheims Gegner, der polnische Spitzenklub Kielce und der ungarische Vertreter Pick Szeged, beharrlich weigerten, ihre Heimspiele am 21. und 22. März auszutragen, kollidierten die Hinspiele mit dem deutschen Topspiel. „Das ist unglaublich unprofessionell“, schimpfte der Geschäftsführer der HBL, Frank Bohmann. Die Prioritäten des deutschen Marktes seien nicht wichtiger als die anderer Länder, entgegnete die EHF.
Die Deutschen hatten sich vom Samstag etwas anderes erhofft als Diskussionen über die Spielansetzungen. Weil die Fußball-Bundesliga an diesem Wochenende pausiert, vergab die ARD einen der prominentesten Sendeplätze für die Handball-Bundesliga. Vor der Saison hatte sich die HBL mit den neuen TV-Partnern darauf geeinigt, ausgewählte Spiele kostenfrei für jeden im deutschen Fernsehen zu übertragen. Die Macher der Profiklubs erhofften sich davon, dass Bundesliga-Handball endlich ein breiteres Publikum anspricht, so wie es bei der Nationalmannschaft seit vielen Jahren der Fall ist. So aber kam es zu einer Kuriosität. Weil das Champions-League-Spiel der Rhein-Neckar Löwen exakt zwei Stunden vor dem Bundesliga-Spitzenspiel angepfiffen wurde, schickten die Deutschen ihre zweite Mannschaft nach Kielce – und verloren deutlich 17:41.
Kiel und Mannheim im Fokus
Die Kieler konnten dieses Szenario nur umgehen, weil sie zähneknirschend einem Tausch des Heimrechts zustimmten und ihr Hinspiel gegen Szeged bereits am Mittwoch absolvierten (29:22). Dazu waren sie beim Deutschen Meister in Mannheim nicht bereit. „Unsere Mannschaft hat sich die sportliche Ausgangssituation vor dem Achtelfinale in 14 Gruppenspielen hart erkämpft“, sagte Geschäftsführerin Jennifer Kettemann, „wir werden nicht auf unser Heimrecht im Rückspiel verzichten.“ Allein dieser Satz zeigt das ganze Dilemma: Warum braucht es 14 Vorrundenbegegnungen, ehe die Achtelfinalisten feststehen?
Die Vorgehensweise der Löwen hängt mit sportlichen Prioritäten zusammen: Bei einem Sieg gegen Kiel wäre ihnen die Meisterschaft kaum mehr zu nehmen gewesen. Der dritte nationale Titel in Serie ist in Mannheim offenbar wichtiger als der Einzug ins Champions-League-Viertelfinale. Für die Kieler ist es umgekehrt: Sie liegen in der Bundesliga abgeschlagen auf Platz sechs und können ihre Saison nur noch in der Champions League retten.
Die Debatte um die Übertragungszeiten zeigt noch ein ganz anderes Problem: Überbelastung. Seit Jahren werden die physischen Anforderungen im Handball immer größer, das weiß auch Volker Zerbe. Der Sportkoordinator der Füchse Berlin, der in seiner Karriere 586 Bundesliga- und 284 Länderspiele bestritten hat, sagt: „Früher, zu meiner Zeit, war die Belastung auch nicht ohne, mir hat es jedenfalls gereicht. Aber mit den Spielern heute will ich wirklich nicht tauschen.“
Beispiele für absurde Beschlüsse und Ansetzungen gibt es in der Tat genug. Vor ein paar Monaten haben die Rhein- Neckar Löwen schon einmal schlechte Erfahrungen mit dem Spielplan gemacht: Damals spielten sie am Freitag in der Bundesliga in Leipzig und keine 24 Stunden später in der Champions League in Barcelona. Dass es noch absurder als in diesem Fall geht, hätten sie bei den Mannheimern wahrscheinlich kaum für möglich gehalten – bis sie von der Ansetzung am 24. März hörten. Oder besser gesagt: von den Ansetzungen.
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