Füchse Berlin: Paul Drux: Das Vorzeigekind
Paul Drux geht in seine fünfte Saison bei den Füchsen – und will nach einer verletzungsfreien Vorbereitung endlich den großen Durchbruch schaffen.
Im Handball gibt es eine schöne Erfindung, die dem Zuschauer daheim Einblicke in gewisse interne Angelegenheiten ermöglicht. Wenn sich die Mannschaften während einer Auszeit an der Seitenlinie versammeln, ist ein Angestellter der Fernsehanstalten mit seiner monströsen Mikrofonstange meist nicht weit weg. Die Kommandos der Trainer werden akustisch so einwandfrei ins heimische Wohnzimmer gelangen.
Zum Bundesliga-Auftakt am vergangenen Donnerstag hatte in der ersten Auszeit der neuen Saison primär ein Mann großen Redeanteil im Stab der Füchse Berlin; es war natürlich Coach Velimir Petkovic. Als der 62-Jährige seine Botschaften schließlich unters Profivolk gebracht hatte, übernahm gewissermaßen die junge Garde. „Es sind nur zwei Tore Rückstand und noch 40 Minuten auf der Uhr, also genug Zeit“, sagte Paul Drux zu seinen Mitspielern und jagte einen nicht zu überhörenden Motivationsruf hinterher: „Auf geht's, Männer!“
Die Sache mit dem überschaubaren Rückstand sollte sich später zwar als Wunschdenken herausstellen; Berlins Handball-Bundesligist unterlag überraschend mit 18:21 bei Frisch Auf Göppingen. Die Botschaft hinter der Szene war allerdings unmissverständlich: Paul Drux, 23 Jahre jung und vor dem Heimspiel der Füchse gegen GWD Minden an diesem Donnerstag (19 Uhr, Max-Schmeling-Halle und live bei Sky) bereits in seiner fünften Profi-Saison, ist zum Führungsspieler aufgestiegen und weiß das auch nach außen zu zeigen. Nach den Abgängen der arrivierten Profis Petr Stochl, Steffen Fäth und Drago Vukovic im Sommer soll Drux derjenige sein, der das Team durch die Unwägbarkeiten einer langen Saison navigiert. „Mir ist vollkommen klar, dass ich jetzt mehr Verantwortung übernehmen muss“, sagt Drux, „dieser Aufgabe stelle ich mich.“
Oft warfen ihn Verletzungen zurück
Tatsächlich könnten die kommenden Monate richtungsweisend für die noch immer junge Karriere des Gummersbachers sein, der mit 15 Jahren das Elternhaus verließ, um von Berlin aus seine Laufbahn als Handball-Profi voranzutreiben. Im US-Sport gibt es einen passenden Begriff dafür, wenn vielversprechenden Spielern der Sprung auf das nächste Level gelingt und sie damit auch für eine breitere Öffentlichkeit interessant werden: breakout season. Auf genau so eine Saison des Durchbruchs hoffen sie nicht nur in Berlin, sondern auch im Kreis der Nationalmannschaft: vom 10. bis 27. Januar findet bekanntlich die Weltmeisterschaft in Deutschland und Dänemark statt – und als wäre der Turnierplan explizit für Drux gebacken worden, spielt die deutsche Auswahl in Berlin (Vorrunde) und Köln (Hauptrunde). „Klingt überragend, oder?“, sagt Drux, „ein Spielort ist meine Wahlheimat Berlin – und der andere ist in der Nähe meines Elternhauses".
So ganz traut der 23-Jährige dem Frieden allerdings noch nicht, dafür hat er in den vergangenen Jahren bereits zu viel erlebt – und zu viele Verletzungen erlitten, die ihn immer wieder aus der Bahn warfen: angefangen bei diversen kleineren Wehwehchen über Knie-Operationen bis hin zu einem Eingriff an der Schulter des Wurfarms, bei Handballern erfahrungsgemäß ein höchst sensibles Körperteil. „Mein oberstes Saisonziel ist es, endlich mal gesund zu bleiben und im Füchse-Trikot gute Leistungen zu zeigen“, sagt Drux, „wenn das klappt, bin ich optimistisch, dass mich der Bundestrainer auch für die WM nominiert.“ Stand heute dürfte Drux diesbezüglich gute Karten haben; zum ersten Mal seit langer Zeit kam der Rückraumspieler verletzungsfrei durch die Vorbereitung, er strotzt vor Energie, Kraft und Tatendrang.
Hanning verglich Drux schon mit Nikola Karabatic
Unabhängig von allen Rückschlägen ist Drux das Vorzeigekind der Füchse-Nachwuchsakademie und in seinen nunmehr acht Berliner Jahren zu einem außergewöhnlich guten Handballer gereift. In Eins-gegen-Eins-Situationen ist der 1,92 Meter-Mann unnachahmlich stark, darüber hinaus besitzt er ein breites Wurfrepertoire und ist auch in der Verteidigung vielseitig einsetzbar. Für einen wie Drux, der in der Jugend meist eine Altersklasse höher spielte, als das Geburtsjahr vermuten ließ, reicht es allerdings nicht, ein außergewöhnlich guter Handballer zu sein. In ganz frühen Jahren zog sein Juniorentrainer und Füchse-Geschäftsführer Bob Hanning, bereits Vergleiche zum besten Handballer seiner Generation, zum Franzosen Nikola Karabatic. Diesen Nachweis hat Drux, bei allem Respekt, bisher nicht erbringen können.