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Paul Biedermann hält die Weltrekorde über 200 und 400 Meter Freistil. Heute startet er um 18.30 Uhr in die Wettkämpfe.
© dpa

Olympische Spiele: Paul Biedermann: „Ich werde mir keinen Druck machen“

Ausnahmeschwimmer Paul Biedermann über seine letzten Olympischen Spiele, das nahende Karriereende, eine fehlende Medaille – und den Status seiner Sportart in Deutschland.

Herr Biedermann, wie groß ist Ihre Vorfreude auf Ihren Start in Rio – und wie groß die Wehmut, dass Ihre Schwimmkarriere danach vorbei ist?

Ich freue mich auf beides, es gibt keine Wehmut! Ich freue mich auf den Wettkampf, auf das ganze Event und die Stimmung. Und ich freue mich auch, dass es danach vorbei ist.

Im Vorfeld der Spiele haben Sie viele Dinge zum letzten Mal erlebt: das Trainingslager, die Qualifikation, die Olympia-Einkleidung ... haben Sie diese Punkte nacheinander mental abgehakt?

Eigentlich nicht. Nach den Deutschen Meisterschaften in Berlin, da habe ich ein Häkchen hinter gemacht. In dem Moment habe ich gesagt: Das waren die letzten Deutschen Meisterschaften, das reicht dann auch. Aber ansonsten zähle ich weder Tage noch sonst irgendwas.

Sie gehen zum dritten Mal bei Olympia an den Start, mit zwei fünften Plätzen über 200 Meter Freistil und einem vierten Platz mit der Staffel haben Sie das Podium drei Mal knapp verpasst. Wäre Ihre Karriere ohne Medaille unvollendet?

Nö. Das muss jeder für sich selbst wissen. Mein persönliches Glück hängt nicht von einer Medaille ab. Natürlich ist das ein Traum für jeden Sportler – aber die wenigsten schaffen das. Ich habe in meiner Karriere viel erreicht, da freue ich mich auch drüber. Ob am Ende auch in Rio eine Medaille dazukommt … das habe ich selbst in der Hand.

Sie gehen mit der viertschnellsten Zeit des Jahres in die Rennen über 200 Meter Freistil, die Zeiten unter den Top Ten liegen aber sehr nah beieinander. Ist das ein realistisches Bild der aktuellen Konkurrenz in der Weltspitze?

Auf jeden Fall. Da wird die ganze Welt am Start sein, in jeder Nation gibt es mindestens einen Schwimmer, der schnelle 200 Meter Kraul schwimmen kann. Das ist ein realistisches Bild.

Ist eine Medaille für Sie in Reichweite?

Die Karten werden jetzt neu gemischt, es kommen viele Faktoren ins Spiel. Nur weil man vorher auf Platz vier liegt, hat man noch lange nicht ein Anrecht auf Platz vier. Das wäre zu einfach.

Sie haben gesagt, Sie hätten sich vor vier Jahren in London 2012 selbst zu viel Druck gemacht, das habe sich gerächt. Wie steht es 2016 um den Druck bei Ihnen? Oder sind Sie völlig entspannt?

Völlig entspannt bin ich natürlich nicht. Aber ich bin als Persönlichkeit gereift. Aus Niederlagen lernt man nun mal am besten, leider. Ich werde mir selber keinen Druck machen.

Zwei der ganz Großen des Schwimmsports – die US-Amerikaner Michael Phelps und Ryan Lochte – gehen in Rio nicht über Meter Freistil an den Start. Finden Sie es schade, dass Sie sich nicht noch einmal mit den beiden messen können?

Über mangelnde Konkurrenz habe ich mich noch nie beklagen können. Ich finde es also überhaupt nicht schlimm. Es gibt heute so viele junge und neue Schwimmer, die Konkurrenz wird also genauso stark wie in Peking und London sein. Und vielleicht schwimmt Michael Phelps ja in der 4-mal-200-Meter-Kraulstaffel, dann kann ich gegen ihn antreten.

In den vergangenen Monaten haben Sie im Training häufig mit jüngeren deutschen Schwimmern zusammengearbeitet, zum Beispiel mit Florian Vogel aus München. Vogel schwärmt von ihren gemeinsamen Trainingseinheiten. Haben Sie genauso von der Zusammenarbeit profitiert wie Vogel, der sich für seine ersten Olympischen Spiele qualifiziert hat?

Natürlich! Florian ist sehr trainingseifrig und gibt sich da überhaupt keine Blöße. Das hat mir sehr viel Spaß gemacht und sehr geholfen.

Vogel hat oft betont, wie viel er von Ihnen gelernt hat. Können Sie Ihre Rolle als Mentor beschreiben?

Ich sehe mich eher in der Rolle als Trainingspartner. Ich habe versucht zu vermitteln, welches Niveau nötig ist, um in der Weltspitze mitzuhalten. Und natürlich haben wir ab und zu darüber gesprochen, wie man so einen Wettkampf wie die Olympischen Spiele angeht.

Was haben Sie ihm konkret geraten?

Das habe ich nur Florian gesagt und behalte es sonst für mich.

Sollte es mit einer Einzelmedaille nicht klappen, bliebe Ihnen noch die Kraulstaffel. Wie wichtig ist Ihnen die Staffel?

Sehr wichtig. Ich finde es toll, dass wir diesen Wettkampf gemeinsam haben. Die Staffel hat eine große Historie und ist mir über die Jahre sehr ans Herz gewachsen. Ich sehe mich als Teil davon.

Die 4 x 200 Freistil gilt als „Königsstaffel“ des Schwimmens. Woher kommt der besondere Status?

Da trifft vieles zusammen. Die 200 Freistil sind einerseits eine Sprintstrecke, andererseits auch wieder nicht. Die Leistungen in der Staffel spiegeln das Niveau einer Schwimmnation gut wieder.

In 18 Jahren Leistungssport haben Sie viel erlebt und gesehen. Aus Ihrer Sicht: Wo steht das deutsche Schwimmen 2016?

Wir sind auf einem sehr, sehr guten Weg. Wir haben tollen Nachwuchs und tolle Athleten wie Marco Koch und Franziska Hentke, die in Zukunft gute Leistungen bringen und das Gesicht des Schwimmsports sein werden.

Sie treten also nach den Olympischen Spielen ruhigen Gewissens ab?

Ja, auf jeden Fall.

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