Schwimm-WM in Kasan: Paul Biedermann holt Bronze über 200 Meter Freistil
Erste Medaille für die deutschen Beckenschwimmer bei der WM in Kasan. Weltrekordler Paul Biedermann gewinnt nach großer Aufholjagd Bronze auf seiner Spezialstrecke.
Der Starauflauf am dritten Finalabend erreichte gerade seinen Höhepunkt, da verschwand Paul Biedermann bereits durch einen Seitenausgang aus der Kazan Arena. Die aparte Federica Pellegrini, Olympiasiegerin von Peking, war gerade in ihrem Italia-blauen Rennanzug an ihm vorbei flaniert. Gleich neben ihm redete die Amerikanerin Missy Franklin, vier Titel bei den Spielen in London, neun WM-Siege, über ihr letztes Rennen. Und im Hintergrund untermalte die US-Hymne die Szenerie – eingespielt für Franklins 18 Jahre alte Teamkollegin Katie Ledecky, die kurz zuvor über 1500 Meter Freistil ihren zweiten Weltrekord bei der WM in Kasan erreicht hatte.
Doch auch Paul Biedermann hatte ja einiges zu bieten. Im ersten Rennen des Abends ließ der Freistilspezialist aus Halle an der Saale über 200 Meter keine Geringeren als US-Star Ryan Lochte und den Südafrikaner Chad Le Clos hinter sich. Am Ende triumphierte der 19 Jahre alte James Guy, sechs Hundertstelsekunden vor dem unheimlichen Sun Yang aus China – und Bronze ging an Biedermann.
Vom achten auf den sechsten auf den fünften Rang zu Bronze
Für die Beckenschwimmer des Deutschen Schwimm-Verbands (DSV), für den Hendrik Feldwehr (50 Meter Brust) und Alexander Kunert (200 Meter Schmetterling) die Mittwoch-Finals verpassten, war es die erhoffte erste WM-Medaille. Für den glücklichen Überbringer aber war es noch viel mehr. „Ich denke, ich habe mich wieder in der Weltspitze etablieren können“, erklärte Biedermann stolz. Und dieser Stolz soll ihn nun über die mutmaßlich letzten zwölf Monate seiner Karriere tragen.
Zur Zeit der Hightech-Anzüge war er 2009 zu zwei WM-Titeln, inklusive zweier immer noch gültiger Weltrekorde gekrault, holte bei der WM 2011 in Schanghai noch zwei Mal Einzel-Bronze – doch bei Olympia ging sein Griff nach Edelmetall zwei Mal daneben. In Peking und London wurde Biedermann jeweils Fünfter über 200 Meter Freistil – und an dieser Bilanz will er unbedingt noch etwas ändern, bevor die Badehose eingemottet wird.
Der Dienstagabend wurde dabei zu einem wichtigen Zwischenschritt auf dem Weg zum großen Ziel, im kommenden Jahr in Rio noch einmal auf dem olympischen Siegerpodest zu stehen. Also erklärte Biedermann das frisch beendete Rennen zu einem „würdigen Finale über 200 Meter“ und betonte dann: „Das wird mir Auftrieb geben und Mut für das nächste Jahr.“
Seinen Start über 100 Meter Freistil sagte Biedermann ab
Um 22 Hundertstelsekunden war er schneller gewesen als bei den deutschen Meisterschaften im April in Berlin. Dabei kämpfte sich Biedermann mit jeder Bahn weiter nach vorne – vom achten auf den sechsten auf den fünften und schließlich, mit klarem Vorsprung vor Lochte, auf den dritten Platz. Zu Gold fehlten am Ende 24, zu Silber 18 Hundertstelsekunden. Klingt wenig, war aber sehr viel für Deutschlands Vorzeigeschwimmer, der die 100 Meter Freistil für den heutigen Mittwoch absagte, um sich ganz auf die Staffel über 4 x 200 Meter zu konzentrieren.
Mit gebeugtem Oberkörper, die Hände auf die Oberschenkel gestützt, stand der Mann, der am Freitag seinen 29. Geburtstag feiert, nach seinem Bronze-Lauf neben dem Becken – und servierte kurz darauf die Worte zum Bild: „Das war ein sehr hart erkämpfter Erfolg. Jetzt bin ich froh, dass es vorbei ist. Es war das Maximum, was ich erreichen konnte.“
Im nächsten Jahr in Rio werden sich zur geballten Konkurrenz von Kasan noch der wegen Trainingsrückstand pausierende Olympiasieger Yannick Agnel, der vom Rücktritt zurückgetretene Superstar Michael Phelps und womöglich auch der bis März 2016 gesperrte Dopingsünder Park Tae-Hwan gesellen. Doch daran wollte Biedermann nach der geglückten Rückkehr unter die Besten seiner Branche nicht denken. „Die ganze Welt war hier“, sagte er, taxierte den Wert der neuen Bronzeplakette im Vergleich zur güldenen von Rom und der bronzenen von Schanghai – und stellte dann schmunzelnd fest: „Diese wiegt noch etwas mehr. Weil ich auch älter geworden bin.“
Denn zu einen fehlte in Kasan Olympiasieger Yannick Agnel wegen Trainingsrückstands. Südkoreas Park Tae-Hwan ist wegen Dopings bis März 2016 gesperrt. Und der vom Rücktritt zurückgetretene Superstar Michael Phelps startet nicht bei der WM in Russland, sondern zu Hause bei den US-Meisterschaften. Und so konnte der 28-jährige Paul Biedermann, der nach Olympia in Rio mutmaßlich aufhört, genießen. Viele Highlights wird es in seiner Sportlerkarriere nicht mehr geben – entsprechend lautet sein aktuelles Motto: „Ich genieße diese Zeit. Denn ich weiß, dass sie sehr beschränkt ist.“
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