Doping im Schwimmen: Vergiftete Szene
Im Schwimmen häufen sich die Dopingfälle, doch der Weltverband geht sehr lax dagegen vor.
Es ist zuletzt einiges zusammengekommen an Dopingfällen in der Schwimmerwelt. Und dabei ziehen die Fahnder neuerdings auffallend viele große Fische aus dem trüben Tümpel. Der aktuellste Fall, publik geworden im Juni, betraf mit Kylie Palmer zudem eine Athletin aus dem bislang als unverdächtig geltenden australischen Team. Der 25-jährigen Staffel-Olympiasiegerin 2008 in Peking wurde durch einen nachträglichen Test die Einnahme einer nicht genannten verbotenen Substanz bei der WM 2013 nachgewiesen. Ihr Verband strich sie aus dem Kader für die noch bis zum 9. August laufende WM in Kasan.
„Der Fall Palmer hat mich schon überrascht. Australien galt immer als eine der Vorzeigenationen für den sauberen Sport“, sagt Henning Lambertz. Und der Cheftrainer des Deutschen Schwimm-Verbandes weiß: Nicht nur in der Leichtathletik, aus deren dunklen Tiefen die ARD und die „Sunday Times“ gerade alarmierende Zahlen an das Tageslicht brachten, treiben sich offensichtlich jede Menge Betrüger herum. Auch die aufgedeckten Dopingfälle im Schwimmsport werden mehr.
„Wenn man zudem die Dunkelziffer erkennt, lässt sich erahnen, gegen wie viele man sauber anschwimmt“, sagt Lambertz über seine Branche. „Und ich glaube wirklich, dass wir in Deutschland mit unserem sehr engen Kontrollsystem sauber arbeiten.“ Die logische Folge: „Es wird immer schwieriger, sich gegen andere, die nicht sauber arbeiten, zu behaupten.“
Etwa gegen gestrauchelte Topathleten wie Sun Yang. Der chinesische Doppel-Olympiasieger 2012 in London wurde im Mai 2014 positiv auf das verbotene Stimulans Trimetadizin getestet, er musste drei Monate pausieren. Oder gegen Südkoreas gefallenen Nationalhelden Park Tae-Hwan. Beim Olympiasieger von Peking über 400 Meter Freistil wurde bei einem Test im Januar das anabole Steroid Nebido nachgewiesen. Park wurde im März rückwirkend für 18 Monate bis zum 2. März 2016 gesperrt. Er verpasst die WM ebenso wie die Australierin Palmer. In Kasan dabei ist dagegen die russische Brustschwimmerin Julia Jefimowa – nach einer 16-monatigen Sperre wegen der Einnahme des verbotenen Steroids Dehydroepiandrosteron.
Ähnlich wie der Leichtathletik-Verband hat der Weltverband Probleme mit dem Thema
Die Szene der Schnellschwimmer ist 35 Jahre nach der Hoch-Zeit des Dopings während des Kalten Kriegs vergiftet. Um das zu erahnen, bedurfte es auch nicht mehr der Bekenntnisse des früheren Schwimmers Amaury Leveaux, der in seiner Autobiografie unter anderem schrieb: „Einige von uns haben nur von Zeit zu Zeit ein paar Linien gezogen, andere waren auf einer ganzen Autobahn voller Kokain unterwegs.“
Hinzu kommt, dass es der Schwimmweltverband (Fina), ähnlich wie der Leichtathletik-Weltverband (IAAF), mit der Dopingbekämpfung in der Vergangenheit oft recht lax hielt. Der Fall Kylie Palmer zum Beispiel wurde erst auf Betreiben der Weltantidopingagentur (Wada) neu aufgerollt.
In dieser undurchsichtigen Suppe kommt es schon mal zu bizarren Momenten. Wie dem, als sich der Chinese Sun, im Vorjahr selbst gesperrt, über den aktuell aus dem Schwimmverkehr gezogenen Kollegen Park aus Südkorea äußerte. So geschehen im April, als Sun, in Kasan nun Weltmeister über 400 Meter Freistil, über Park sagte: „Viele Leute hinterfragen ihn, selbst seine früheren Ergebnisse werden von manchen angezweifelt. Aber ich vertraue ihm – er ist ein großer Schwimmer.“
Die Mainzerin Angela Maurer kennt neben all den Fällen aus dem Pool auch den ihrer ukrainischen Freiwasserkonkurrentin Olga Berensnyeva. Ihr wurde nachträglich Epodoping bei den Spielen in London nachgewiesen. „Das muss damals schon ziemlich professionell gelaufen sein“, sagt Maurer seufzend. „Und wenn man sieht, dass die Fina den Fall Palmer erst gar nicht richtig verfolgt hat, denkt man: Was hat das ganze System eigentlich für einen Sinn?“