zum Hauptinhalt
Schanzenlos. Michael Hayböck liegt in der Gesamtwertung auf Rang vier, allerdings hat er keine Aussichten mehr auf den Tourneesieg.
© Reuters/Dalder

Vierschanzentournee: Österreich und die Angst vor der zweiten Liga

Nach sieben Gesamtsiegen in Folge bei der Vierschanzentournee stecken Österreichs Skispringer in der Krise.

Von Johannes Nedo

Die österreichischen Fans blieben ihrer Gewohnheit treu. Als der letzte österreichische Skispringer am Sonntag in Innsbruck gelandet war, entzündeten einige bengalische Feuer. So hatten sie es zuletzt schließlich immer gemacht bei der Vierschanzentournee, als Zeichen für ihren Sieger, mit dem sie gemeinsam jubelten. Doch Michael Hayböck war nicht der letzte Springer des Wettbewerbs. Nach ihm kamen noch sechs weitere. Und er gewann am Ende auch nicht, sondern wurde Fünfter.

Es ist ein neues, ungewohntes Gefühl für die Österreicher. In den vergangenen sieben Jahren war das komplett anders. Die letzten sieben Sieger der Tournee kamen alle aus Österreich. Und was genauso beeindruckend war: Die sieben Erfolge gelangen sechs verschiedenen Athleten.

Als Tournee-Mannschaft wurden die Österreicher bejubelt, als nahezu unschlagbare Super-Adler. Davon sind sie nun weit entfernt. Hayböck war Bester seines Teams in Innsbruck, in der Gesamtwertung belegt er zwar Rang vier, sein Rückstand auf den Führenden Peter Prevc und den Zweiten Severin Freund ist aber bereits so groß, dass kein Zweifel mehr daran besteht: Die grandiose Siegesserie der Österreicher bei der Tournee wird bei der 64. Auflage enden. „Ich habe jetzt neue Ziele“, sagt Hayböck im Hinblick auf das vierte Springen am Mittwoch in Bischofshofen. „Ich möchte weiter konstant unter die Top Ten.“

Das sind wirklich ganz neue Töne von den Österreichern. Doch sie entsprechen der Realität. Auch der Vorjahressieger Stefan Kraft kommt für Platzierungen unter den besten drei derzeit kaum infrage. Am Bergisel wurde er Elfter, in der Gesamtwertung belegt er Platz acht. Und hinter Hayböck und Kraft klafft eine große Lücke.

In der Nationenwertung ist Österreich auf den vierten Rang abgerutscht

In Innsbruck musste die österreichische Mannschaft das schlechteste Ergebnis seit 15 Jahren hinnehmen, außerdem liegt der letzte Sieg eines Österreichers im Weltcup nun schon 15 Springen zurück. In der Nationenwertung ist Österreich auf den vierten Rang abgerutscht, hinter Deutschland, Norwegen und Slowenien. Und so fragt die „Kronenzeitung“ schon: „Ist Österreich im Skispringen nur noch zweite Liga?“

Gründe für die Schwäche gibt es viele. „Sie sind einfach nicht mehr so breit aufgestellt, wie sie es einmal waren“, sagt Bundestrainer Werner Schuster. Wolfgang Loitzl und Thomas Morgenstern haben ihre Karrieren beendet. Ehemalige Sieggaranten wie Thomas Diethart, Andreas Kofler und Gregor Schlierenzauer sind vollkommen außer Form. Die größten Rätsel gibt dabei Schlierenzauer auf. Der erst 25-Jährige gilt als einer der besten Skispringer aller Zeiten. Mit 53 Weltcup-Erfolgen ist er Rekordhalter. Am Sonntag verpasste der zweimalige Tournee-Sieger aber sogar den zweiten Durchgang und kam nur auf den 33. Platz. Am Montag wurde er aus dem Tournee-Kader gestrichen, von einem Burnout-Syndrom wird gemunkelt. Ernst Vettori, Nordischer Sportdirektor des Österreichischen Ski-Verbands, sagt über ihn: „Es ist nicht immer gut, wenn man bereits alles gewonnen hat.“

Solche Motivationsprobleme sieht Vettori bei Nationaltrainer Heinz Kuttin aber nicht. „Die Sichtweise, dass bei uns außer den Plätzen eins bis drei alles schlecht ist, akzeptiere ich nicht“, betont der 51-Jährige. Kuttin, der den Chefposten vor knapp zwei Jahren von dem überaus erfolgreichen Alexander Pointner übernommen hat, geht die Aufgabe, eine neue Mannschaft aufzubauen, ruhiger und weniger polarisierend an als sein Vorgänger. Doch auch er weiß, dass er Ergebnisse liefern muss. „Und derzeit schaut es nicht so gut aus für uns“, sagt Kuttin.

Zumal die ausbleibenden Topresultate offenbar nicht nur mit den Formschwächen einzelner Athleten zusammenhängen. Es wird spekuliert, die Österreicher hinkten vor allem beim Material hinterher, hätten also bei den für Weite und Sprungstabilität so wichtigen Anzügen noch Nachholbedarf. „Ich weiß nicht, woran es hapert“, sagt Hayböck dazu nur. „Rundherum läuft es nicht so gut.“ Doch auch der 24-Jährige stellt sich vor den Trainer: „Wir sind sehr glücklich mit Heinz.“ So harmonisch dürfte es nach weiteren Enttäuschungen bei den Österreichern aber kaum bleiben.

Zur Startseite