Mitfavorit bei der Ruder-WM in Linz: Oliver Zeidler – durch Zufall in die Weltspitze
Bei der Ruder-WM in Linz ist Europameister Oliver Zeidler Mitfavorit im Einer. Dabei war der 23-Jährige vor drei Jahren noch Leistungsschwimmer.
Es gibt Profisportler, deren Karriere aus familiärer Sicht schon vorbestimmt scheint. Wie die von Ruderer Oliver Zeidler. Großvater Hans-Johann Färber wurde Olympiasieger im Vierer, Vater Heino Zeidler WM-Vierter im Zweier, Onkel und Tante Weltmeister und Olympiasieger im Achter. Die Karriere Oliver Zeidlers lief allerdings alles andere als linear ab. Dass er sich seit drei Monaten Europameister im Einer nennen darf, ist einem Zufall zu verdanken.
Wenn sich 2016 seine Trainingsgruppe in München nicht aufgelöst hätte, wäre er, das sagt er selbst, wohl heute noch Leistungsschwimmer, als der er schon Deutscher Meister in verschiedenen Jugendklassen wurde. So aber geht er als einer der Favoriten auf den Titel ins Finale im Ruder-Einer bei der Weltmeisterschaften in Linz am Sonntag, nachdem er sein Halbfinale am Freitag souverän gewonnen hat.
„Ich hatte mit meiner Profikarriere eigentlich schon abgeschlossen“, sagt Zeidler. Er habe sich schlecht gefühlt, nachdem seine Schwimmerkarriere so abrupt endete. Doch, das sagt er auch, wäre er eben nicht da, wo er jetzt ist, wenn es nicht genau so gekommen wäre, als die Zweifel immer größer wurden. Die Zweifel, das große Fernziel zu erreichen: die Teilnahme an Olympischen Spielen.
„Ich habe durch meine Familie immer schon eine Verbindung zum Rudern gehabt“, erklärt Zeidler. Das und sein Gardemaß für Ruderer mit einer Größe von 2,03 Meter ermöglichten ihm dann die Chance, sich den Traum von einer Medaille in Tokio doch noch zu erfüllen und damit in die Fußstapfen seiner Vorfahren zu treten. Die Chance, die er erst mit 20 Jahren ergriff – eigentlich viel zu spät.
Erst im vergangenen Jahr bestritt er sein erstes Weltcuprennen überhaupt und gewann gleich den Gesamtweltcup im Einer auf seiner Lieblingsstrecke in Luzern, wo er sich Anfang Juni auch zum Europameister kürte. Von Bescheidenheit oder Überraschung, weil das alles für Außenstehende sehr schnell ging, ist bei Zeidler aber nichts zu spüren. „Es war schon abzusehen, dass es so weit kommen kann“, sagt der gebürtige Dachauer. Das sehen seine Konkurrenten ein wenig anders. Zumindest wäre es ihnen lieber, wenn Zeidler sich – wenn er schon so plötzlich auf der Bildfläche erscheint – ein bisschen mehr Zeit lassen würde.
„Die Etablierten hoffen, dass sie mich noch bis zum kommenden Jahr hinter sich lassen können, die sind ja alle schon ein bisschen älter“, sagt Zeidler. „Den Gefallen werde ich Ihnen aber nicht tun.“ Wen er vor allem meint, ist der 36-jährige Tscheche Ondrej Synek, Weltmeister von 2017, der unbedingt mit der olympischen Goldmedaille abtreten will im kommenden Jahr. Auf der Rechnung hat Zeidler außerdem den norwegische Titelverteidiger Kjetil Borch und den Dänen Sverri Nielsen.
„Ich weiß, dass ich am Freitag im Halbfinale schon ein Finale fahren muss, um ins Finale zu kommen“, machte Zeidler schon vor dem Rennen am Freitag klar – und das schaffte er und kommt seinem erklärten Ziel, einer Medaille, immer näher. Auch aus seinem Umfeld ist zu hören, dass das schon ein großer Erfolg wäre. Doch letztlich will der Europameister die europäischen Konkurrenten in der Weltelite schon ganz gerne wieder allesamt hinter sich lassen.
WM-Finaleinzug reicht schon zur Olympia-Qualifikation
Ein Vorteil könnte sein, dass er bis zum Viertelfinale am Mittwoch, das er ganz souverän für sich entschied, seine Kräfte schonen konnte. „Ich musste hinten raus noch nicht alles geben“, gibt Zeidler zu. Das ist vor allem deshalb wichtig, weil die Temperaturen in Linz mit knapp unter 30 Grad für Hochleistungssport unangenehm sind. „Die Bedingungen sind für alle gleich“, bemüht Zeidler zwar bewusst ausweichende Worte, um dann aber auf den Punkt zu bringen: „Es ist natürlich ungewohnt, es weht kaum Wind. Optimal wären fünf Grad weniger.“
Der freie Tag am Donnerstag habe ihm deshalb gut getan. Er verfolge natürlich nebenbei, was die anderen deutschen Ruderer – allen voran der wie so oft favorisierte Deutschland-Achter – machen. Allerdings nur über das Internet. Ansonsten konzentriert er sich auf sich. Im gedanklichen Tunnel, dem Fokus vor den Wettkämpfen, ist er aber noch lange nicht. „Die anderen meinen zwar, ich laufe jetzt schon rum, als ob man mich nicht ansprechen sollte“, sagt Zeidler. „Aber im Tunnel bin ich eigentlich erst kurz vor den Rennen.“
Bis dahin lenkt er sich mit Training ab. Ob er zwischendurch zur Entspannung auch mal Schwimmen geht? „Mittlerweile rudere ich lieber“, sagt Zeidler. Ohne schlechtes Gefühl, mit einem klaren Ziel: Olympia. Die Teilnahme hat er durch den Finaleinzug schon sicher.
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