Ruder-EM in Luzern: Warum der unbesiegte Deutschland-Achter verändert wurde
Das deutsche Flaggschiff ruderte zwei Jahre lang von Sieg zu Sieg. Und trotzdem wurden nun zwei Positionen ausgetauscht. Das hat mehrere gute Gründe.
Den schlimmsten Tag des Jahres, sagt Uwe Bender, den habe er schon hinter sich. Wie jedes Jahr im Mai musste der Bundestrainer des Deutschland-Achters sich für die acht Ruderer plus Steuermann entscheiden, mit denen er in die mit der Europameisterschaft in Luzern an diesem Wochenende gestartete Saison geht. Dort steht das erfolgsverwöhnte deutsche Ruder-Flaggschiff bereits wie erwartet im Finale und will den EM-Titel am Sonntag (15 Uhr) verteidigen. Steuermann Martin Sauer hat seinen Platz bis zu seinem Karriereende nach den Olympischen Sommerspielen 2020 sicher. Und hinter Sauer gab es seit 2017 auch keine Veränderung.
Warum auch? Das Flaggschiff des Deutschen Ruderverbandes (DRV) ist in gleicher Besetzung zwei Jahre lang ungeschlagen geblieben, gewann jeweils den Welt- und Europameistertitel und stellte im Juni 2017 in Posen mit 5:18,68 Minuten sogar einen Weltrekord auf. Und trotzdem entschied sich Bender nun schon Mitte Mai dazu, den Achter auf zwei Positionen zu verändern. Christopher Reinhardt, 21, und Laurits Follert, 23, sind neu im Boot. Felix Wimberger, 29, und Maximilian Planer, 28, wurden verdrängt – und sitzen nun „nur“ noch im Vierer. Und das hat, auch wenn der reine Blick auf die überragenden Erfolge der vergangenen beiden Jahre etwas anderes verrät, mehrere gute Gründe.
Bei der Präsentation des Teams Deutschland-Achter im DRV-Leistungszentrum am Dortmunder Hafen in der vergangenen Woche begründete Uwe Bender die personellen Entscheidungen mit „physischer Leistungsfähigkeit“, die den Ausschlag gegeben hat. Er wolle „mehr PS ins Boot holen“. Die Leistungswerte waren bei Reinhardt und Follert auch tatsächlich besser, wie die Kollegen bestätigen. Das gepaart mit dem Bauchgefühl, das ein Trainer vor einer solchen Entscheidung hat, sprach letztlich gegen Kontinuität und Eingespieltheit sowie für die Ergometer-Werte. Allerdings steckt noch viel mehr als das hinter Benders Entscheidung.
Denn, das ist mittlerweile kein Geheimnis mehr, der deutsche Ruderverband will nicht mehr nur mit dem Achter, sondern auch mit dem Vierer und dem Zweier hoch hinaus. Sprich: Bei der EM in Luzern und bei der Weltmeisterschaft Ende August in Budapest Medaillen holen. Deshalb werden in Wimberger und Planer zwei starke Ruderer aus dem Achter in den Vierer gesteckt. Die ersten Trainings waren schon mal verheißungsvoll. Vierer-Bundestrainer Tim Schönberg jedenfalls zeigte sich begeistert von der Leistungsfähigkeit Planers und Wimbergers, die den Vierer bei der EM in Luzern locker ins Finale am Sonntag (14.30 Uhr) führten.
Wimberger und Planer haben Vierer-Erfahrung
Nichtsdestotrotz war die Enttäuschung bei Wimberger und Planer natürlich groß. Zwar sinken die Medaillenchancen nicht, doch gerade die Tatsache, nicht mehr im Prestigeobjekt des deutschen Ruderns fahren zu dürfen, wurmt die beiden. „Natürlich musste ich das erstmal verarbeiten, kann es aber nachvollziehen, wenn es nach fairen Kriterien zugeht“, sagt Planer. Er ist reichlich erfahren im Vierer, nahm unter anderem im Boot mit Felix Wimberger an den Olympischen Spielen 2016 in Rio teil – und wurde nur Zwölfter.
Doch gerade diese Erfahrung könnte ein weiterer Faktor gewesen sein, weshalb die Umstellung vollzogen wurde. Wimberger und Planer kennen das deutlich leichtere (50 statt 96 Kilogramm) und kürzere (zwölf statt 17 Meter) Viererboot, bei dem sie ohne Steuermann agieren und bei dem die Leistung jedes Einzelnen mehr zählt, bereits. Und trotzdem: „Die Entscheidung ist jetzt erst einmal für ein Jahr“, schränkt Planer ein. Sein Ziel ist es, bei Olympia 2020 in Tokio wieder im Achter zu sitzen.
Es gibt auch Gründe, die eine Hintertür für einen möglichen Wechsel vor Olympia offenhalten. Denn Felix Wimberger war in den vergangenen beiden Jahren der etatmäßige Ersatz-Schlagmann hinter Hannes Ocik. In diese Rolle muss nun erst einmal jemand anderes hineinwachsen. Möglicherweise Christopher Reinhardt, der 2018 verletzungsbedingt so gut wie nicht rudern konnte und über seine Nominierung überrascht war. Der 21-Jährige musste sich an beiden Knien operieren lassen, weil sich dort die Wachstumsfugen verschoben hatten. Dass er nun trotzdem im deutschen Ruder-Flaggschiff sitzt, lässt nur erahnen, was er zu leisten im Stande ist, sobald er ein Jahr im Rhythmus ist.
Die Tatsache, dass es neben Ersatz-Schlagmann Wimberger auch Maximilian Planer und damit gleich zwei Ruderer aus dem Achter traf, überrascht hingegen nicht. Denn jeder Ruderer hat einen eingespielten Zweier-Partner. Und ein solches Duo sind Wimberger/Planer. Das war bei den deutschen Kleinboot-Meisterschaften wieder gut zu beobachten. Ende April wurden bei diesen die Plätze für den Ruderachter in Zweier-Wettkämpfen ausgefahren. Wimberger/Planer wurden nur Fünfter. Reinhardt und Laurits Follert landeten mit ihren Duos knapp vor ihnen.
Und neben den leistungstechnischen Fakten ist jetzt, knapp 14 Monate vor den Olympischen Spielen, der letztmögliche Zeitpunkt für eine Umstellung, wenn sich eine Mannschaft, von der die Bundestrainer überzeugt sind, noch einspielen soll. Im Mai 2020, zu Beginn des nächsten Turnus, wäre es zu spät.
Deutschland-Achter nur vorläufig nominiert
Offiziell wurde das Team Deutschland-Achter - neben Reinhardt, Follert und Ocik sitzen Johannes Weißenfels, Jakob Schneider, Torben Johannesen, Malte Jakschik und Richard Schmidt im Boot - zunächst nur vorläufig für die EM in Luzern nominiert. Doch, das stellt Bundestrainer Bender klar, „wir haben eine Mannschaft nominiert, die sich ganz klar abgesetzt hat“. Dass Bender seine Achter-Aufstellung nochmal ändert, ist somit unwahrscheinlich und wird aller Voraussicht nach nur passieren, wenn aufgrund von Verletzungen, Krankheiten oder fehlender Leistung reagiert werden muss.
So klar, wie es Bender darstellt, soll die Entscheidung für die acht Ruderer, das ist aus Kreisen der Ruderer zu hören, allerdings längst nicht gewesen sein. Doch mit der Wortwahl und Endgültigkeit der Entscheidung will der Bundestrainer vor allem keine Diskussionen aufkommen lassen – schließlich war ja nicht der ausbleibende Erfolg Grund für die Umstellung.
Klar ist aber auch: Der neue Achter wird Zeit brauchen. „Uns fehlt noch das Feintuning“, umschreibt es Bender. „Der letzte Achter lebte davon, dass er eingespielt ist.“ Und eben diese Automatismen müssen sich erst noch bilden. Deshalb wird die EM in Luzern ein wichtiger Gradmesser im Vergleich zu den Briten, mit denen sich die Deutschen seit Jahrzehnten duellieren und die am Samstag souverän ins Finale einzogen. Das Ziel ist die Titelverteidigung, daraus macht niemand im Umfeld des Verbandes einen Hehl. Auch wenn die Voraussetzungen nicht optimal sind.
Viele der Athleten waren krank in den vergangenen Wochen, sodass der gesamte Achter einen Trainingsrückstand mühsam aufholen muss. Der Achter, auf dem in den vergangenen erfolgsverwöhnten Jahren stets der Fokus lag. Wohl dem, der nun auch einen starken Vierer mit Erfolgsperspektiven hat.
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