Korea bei der Handball-WM: „Ohne Einheitsteam keine Versöhnung“
Südkoreas Botschafter über die Rolle des Sports in der politischen Annäherung mit Nordkorea und das Eröffnungsspiel der Handball-WM in Berlin.
Herr Jong Bum-goo, wie sehr interessieren Sie sich für Handball?
Persönlich nicht so sehr. Ich schaue gerne Fußball. Wir Südkoreaner haben ja im Fußball eine gute Tradition im Gewinnen (lacht herzlich)…
...wir erinnern uns. Lassen Sie uns lieber über etwas anderes sprechen: Warum tritt Südkorea nun bei der Handball-WM mit vier nordkoreanischen Spielern an?
Die Deutschen haben ja auch dreimal eine gesamtdeutsche Mannschaft für die Olympischen Spiele formiert. Für uns aber sind die Dinge viel ernster als damals in Deutschland. Früher waren die innerkoreanischen Beziehungen schärfer, akuter und feindseliger. Wir hatten bis vor kurzem wenig Kontakt. Deshalb legen wir großen Wert auf diese Einheitsmannschaft.
Im letzten Jahr gab es eine bemerkenswerte politische Annäherung zwischen Süd- und Nordkorea. Welche Rolle hat dabei die koreanische Einheitsmannschaft bei den Olympischen Winterspielen in Pyeongchang gespielt?
Eine sehr, sehr wichtige Rolle. Bis Ende 2017 gab es scharfe Wortgefechte zwischen beiden Seiten. Mit Pyeongchang im Februar 2018 kam auf einmal der Frühling. Ohne Pyeongchang, ohne die Einheitsmannschaft im Frauen-Eishockey wäre diese Versöhnungswelle nicht entstanden. Der Sport hat den Weg für die Politik bereitet.
Welche Rolle spielt nun die gesamtkoreanische Handball-Mannschaft?
Es gibt drei wichtige Aspekte: Erstens wird damit an die Einheitsmannschaft in Pyeongchang ein weiteres Mal angeknüpft. Und das, obwohl sportlich im Handball zwischen beiden Ländern ein größerer Unterschied besteht.
...Südkorea hat sich für die WM qualifiziert, Nordkorea nicht...
Dennoch haben wir diese gemeinsame Mannschaft aufgebaut. Zweitens findet das Spiel in Berlin statt. Für die meisten Koreaner ist Berlin ein Symbol von Einheit und Mauerfall. Drittens, wissen Sie wer zum Eröffnungsspiel kommt? Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, Innenminister Horst Seehofer und IOC-Präsident Thomas Bach. Und dazu kommt der ehemalige Bundeskanzler Gerhard Schröder, ein besonderer Freund Koreas, weil er mit einer Südkoreanerin verheiratet ist.
Heißt das im Umkehrschluss: Wenn Südkorea bei der Handball-WM nicht in Berlin das Eröffnungsspiel spielen würde, sondern in einer Vorrundengruppe in München – dann hätte es die Einheitsmannschaft im Handball nicht gegeben?
Ich bin nicht sicher. Auf jeden Fall wäre die Aufmerksamkeit für Südkorea viel niedriger.
Geht es eigentlich auch um Sport in dem Eröffnungsspiel am Donnerstag?
Auf jeden Fall. Obwohl die koreanische Mannschaft weit schlechter als die deutsche Mannschaft eingeschätzt wird. Aber wer weiß, wenn wir zum Beispiel die letzte Fußball-Weltmeisterschaft nehmen (lacht)…
…jetzt fangen Sie schon wieder damit an. Gibt es im Handballteam Schwierigkeiten mit der Integration der vier neuen Spieler?
Der Akzent der nordkoreanischen Spieler ist ein anderer. Wir haben viele englische Worte in unserer Sportsprache: Pass, Goalkeeper, Handball. In Nordkorea gibt es eigene Worte dafür. Handball heißt dort zum Beispiel Song gu, wörtlich übersetzt heißt das: den Ball werfen. Der Trainer der Einheitsmannschaft hat mir gesagt, dass es eigentlich kein großes Problem gibt. Nur eben mit diesen Wörtern. Deshalb sagt er anstatt Pass jetzt Yon Gyol.
Welche Hymne wird bei der Eröffnung für Gesamtkorea gespielt?
Es wird ein traditionelles Lied sein, das auf beiden Seiten gesungen wird: Arirang. (summt es vor sich hin). Das ist einfach, das können Sie in einer Stunde lernen. Ich werde das mit meinem nordkoreanischen Botschafter-Kollegen singen. Wir haben auch einen Fanklub von 100 Personen formiert. Nordkorea hat dafür einen Anteil von 25 Karten erhalten. Die nordkoreanischen Fans dürften aber aus Berlin kommen und Mitglieder der Botschaft sein.
Wie sind die Beziehungen zwischen Süd- und Nordkorea im Moment?
Sehr gut. Es gibt aber Grenzen der Annäherung. Was Nordkorea braucht, ist die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit Südkorea. Aber das setzt die Aufhebung der aktuellen wirtschaftlichen Sanktionen voraus. Und das können nur die USA in direkten Verhandlungen mit Nordkorea entscheiden. Es ist kompliziert.
Was wäre ein Erfolg bei der WM?
Wir möchten der Welt zeigen, dass die beiden Teile Koreas nach 70 Jahren Trennung bereit sind, für Harmonie und Frieden einzustehen. Und ich bin der Auffassung, dass die westliche Welt Nordkorea bisher zu stark verteufelt hat. Bisher ist die Welt nicht bereit, Nordkorea ohne Vorurteile zu betrachten. Zwar verstehe ich die Gesinnung des Westens: Diktatur, Menschenrechtsverletzungen und so weiter. Aber in Nordkorea wohnen über 25 Millionen Menschen. Sie leben durch Isolation und Sanktionen auf ihre eigene Art und Weise. Wenn wir diese Menschen nicht verteufeln, könnte eine Atmosphäre für den Frieden geschaffen werden. Nordkorea könnte ein normales Mitglied der Völkergemeinschaft werden. Wir möchten dabei helfen.
Sie klingen jetzt wie der Botschafter von Nordkorea…
…es ist das Interesse beider Länder, den Frieden zu etablieren. Südkorea genießt mehr Vertrauen in der westlichen Welt, nach unseren Erfahrungen meint es Nordkorea ernst mit dem Kurs in Richtung Frieden. Das können wir unterstützen.
Das Gespräch führte Benedikt Voigt.