Hertha BSC errumpelt sich einen Punkt: Nur Neuzugang Krzysztof Piatek macht Hoffnung
Fast 80 Millionen Euro hat Hertha BSC in den letzten Tagen für vier neue Spieler ausgegeben. Einer deutete gegen Schalke 04 seine Klasse an.
Ein paar Minuten vor Spielbeginn flimmerten am Freitagabend ein paar Sequenzen früherer Tore von Hertha BSC auf den Leinwänden im Olympiastadion. Es war ein Zusammenschnitt aus vielen Jahren. Erich Beer war zu sehen gewesen, wie auch Michael Preetz. Ja, und Marko Pantelic natürlich, der beste Torjäger der Berliner der vergangenen zwanzig Jahre.
Seit 2009, als er ging, sucht Hertha nach einem wie ihm. Versucht haben sich viele, erreicht hat ihn keiner. Vielleicht ist der neureiche Verein aus Westend ja jetzt fündig geworden. In Krzysztof Piatek. Als dieser nach gut einer Stunde Fußballgemurkse beim 0:0 gegen den FC Schalke 04 am Freitagabend eingewechselt wurde, ging schon mal ein Raunen durch das Rund. Es war sein Debüt im Hertha-Dress.
Krzysztof Piatek erinnert an Marko Pantelic
Der Klub hatte den polnischen Stürmer gerade eben erst für 24 Millionen Euro vom AC Mailand gekauft. Seine Art sich zu bewegen, sein Zug zum Tor, seine Fähigkeit, Räume vor des Gegners Tor aufzutun, erinnert an den verwegenen Serben von damals. Zwei gute Szenen sollte der 24-jährige Piatek im Spiel gegen Schalke haben, beide Male verzog er knapp, deutete aber seine Klasse an.
Bis Piatek kam, war es ein ziemlich lausiges Fußballspiel gewesen. In der ersten Halbzeit dürfte der Neue die Hände über den Kopf zusammengeschlagen haben auf der Reservebank. Nicht ein einziger auch nur halbwegs verwertbarer Ball für einen Stürmer wie ihn hatten seine neuen Mannschaftskollegen in den Strafraum der Schalke bringen können. Nicht ein einziger Torabschluss war Hertha gelungen.
Mitunter sah es so aus, als wenn genau das auch nicht gewollt war. Erst als Piatek ins Spiel kam und Arne Maier den ausgelaugten Marko Grujic ersetzte, der nun schon seit Wochen weit von seiner Normalform entfernt ist, änderte sich das Bild etwas. „Klasse, wie er sich reingeworfen hat“, sagte Jürgen Klinsmann. Mit ihm sei eine andere Präsenz dagewesen, er „bringt uns eine Qualitätssteigerung“. Er wisse, „wo er hinzulaufen hat als Stürmer und wo der Ball hinfällt“. Kurz um: „Wir sind froh, dass wir so einen Kerl hier haben.“
Erneut hatte Herthas Trainer seiner Mannschaft eine ultradefensive Ausrichtung verpasst. Hinterher sprach er von einem „taktischen Krimi“, von einem „Abnutzungskampf“. Nein, ein Krimi war es nicht, oder eben ein ganz seichter. Und ja, ein Abnutzungskampf war es für die Zuschauer. Spiele wie diese sind auf Dauer schwer zu ertragen.
Erneut hat Klinsmann die Spielweise seiner Mannschaft verteidigt, die sein Schalker Gegenüber David Wagner als „eklig“ bezeichnete. Es geht also nicht um Schönheit, um Fantasie in der Offensive, um Leichtigkeit. Das wäre nicht der richtige Fußball. Gegen den Abstieg seien andere Attribute gefragt wie Kampf, Arbeit, Aufopferungsbereitschaft. Das wiederholt Klinsmann Woche für Woche. Fast möchte man meinen, Herthas Trainerstab ist ganz froh, dass die Mannschaft gerade da steht in der Tabelle, wo sie steht.
In der unteren, der prekären Hälfte. Damit kann fehlende Spielkultur beliebig leicht begründet werden. Was aber, wenn Hertha nicht Tabellen-13. wäre, sondern – sagen wir – zwischen Platz vier und sechs stünde? Dann bräuchte Hertha eine offensive Spielidee. Bis es so weit ist, „müssen sich die Gegner an uns die Zähne ausbeißen“, wie Klinsmann sagte. Das dürfte also noch ein Weilchen dauern.
„Wenn wir in der oberen Tabellenhälfte stehen, können wir von einem andere Fußball reden“, sagte Klinsmann. Dass der 55-Jährige das kickende Personal für zu schwach für solche Regionen hält, zeigt allein die Einkaufswut, mit der der Verein allein in den letzten Tagen zu Werke ging. Neben Piatek wurden noch drei weitere Spieler wie Santiago Ascacibar (VfB Stuttgart/12 Millionen), Lucas Tousart (Olympique Lyon/24) und Matheus Cunha (RB Leipzig/18) für knapp 80 Millionen Euro verpflichtet.
Jürgen Klinsmann verteidigt Transferaktivitäten
Demgegenüber hat Hertha zwar acht Spieler abgegeben wie Ondrej Duda, Davie Selke oder Eduard Löwen, die allesamt mal sehr viele Millionen gekostet haben. Doch nicht einen von denen hat Hertha verkaufen können. Diese schiefe Rechnung könnte bedeuten, dass vielleicht bald kein Geld mehr da ist, um die Kaufoption für Marius Wolf zu ziehen. Die Leihgabe aus Dortmund soll im Sommer 20 Millionen Euro kosten.
Auf den allerletzten Drücker hat Hertha auch noch den 20 Jahre alten Brasilianer Cunha geholt. „Wir sind enorm happy, dass auch das noch geklappt hat“, sagte Klinsmann. Cunha, sei eine „weitere Karte in unserem Offensivspiel“. Es seien allesamt Spieler mit Entwicklungspotenzial geholt worden; für die „überzogenen Preise“ am Markt könne man halt nichts, sagte Herthas Trainer.
„Diese Transfers sind ein klares Zeichen: Wir wollen mehr nach vorn tun, wir wollen mehr Torchancen“, sagte Klinsmann. Doch Matheus Cunha wird erst Mitte Februar zu seinem neuen Team stoßen, Tousart gar erst im Sommer. Dann wird vorerst alles an Hoffnung auf ein besseres Spiel mit mehr Offensive an Krzysztof Piatek hängen bleiben.