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Auf gewohntem Terrain. Nachdem Niklas Stark zuletzt vornehmlich auf der Sechs gespielt hat, wird er jetzt wieder als Innenverteidiger gebraucht.
© imago images/Jan Huebner

Vor dem Spiel bei Arminia Bielefeld: Niklas Stark ist bei Hertha BSC zurück auf dem Weg zu alter Stärke

Niklas Stark hat bei Hertha BSC diese Saison vornehmlich als Sechser gespielt. Durch den Ausfall von Dedryck Boyata wird er jetzt in der Abwehr gebraucht.

Bruno Labbadia kennt die örtlichen Begebenheiten nicht nur, er schätzt sie auch über alle Maßen. Wenn der Trainer von Hertha BSC über Bielefeld spricht und seine Zeit als Fußballer bei der Arminia, dann schwingt eine Menge Nostalgie in seinen Erinnerungen mit. „Das war eine schöne Station“, sagt Labbadia über die drei Jahre am Ende seiner Karriere, in denen er Torschützenkönig der Zweiten Liga wurde und mit dem Klub in die Bundesliga aufstieg.

Die Alm, die Heimstätte der Arminia, atmet immer noch den Geist vergangener Zeiten. „Ein gemütliches, schönes Stadion“, sagt Labbadia vor Herthas Auswärtsspiel in Bielefeld. „Klein, kompakt. Es könnte auch in England stehen.“ Im Zustand, den Labbadia Ende der Neunziger kennengelernt hat, befindet sich die Alm schon lange nicht mehr. Die Gegentribüne ist neu. Dazu werden Herthas Spieler bei ihrem Gastspiel eine ungewohnte Erfahrung machen. Wegen der Coronabestimmungen dürfen die Gäste nicht die Kabine im Stadion nutzen, sondern müssen sich in der Turnhalle der benachbarten Gertrud-Bäumer-Realschule umziehen.

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Sich auf neue Begebenheiten einstellen, nicht jammern, das Unvermeidliche akzeptieren, das gehört im Profifußball dazu. Flexibilität ist nicht nur wichtig, sondern ein Qualitätsausweis. Wer wüsste das bei Hertha besser als Niklas Stark?

Wenn der Berliner Bundesligist am Sonntagabend beim Abstiegskandidaten Bielefeld antritt, wird Stark auf einer Position spielen, die ihm gleichermaßen fremd wie vertraut ist. Denn weil Kapitän Dedryck Boyata mit seiner Fußverletzung weiterhin ausfällt, wird Stark wie schon vor einer Woche gegen Schalke 04 in der Innenverteidigung aushelfen.

In dieser Saison ist Stark wieder Stammspieler

Wobei: Aushelfen ist natürlich Quatsch. Stark ist gelernter Innenverteidiger, auf dieser Position hat er es bis in die Nationalmannschaft geschafft. Allerdings ist er bis zu Boyatas Verletzung bei Hertha nur noch sporadisch auf seiner Stammposition zum Einsatz gekommen. Vor seiner Rückkehr in die Innenverteidigung hatte der 25-Jährige drei Monate nicht mehr in der Abwehr, sondern stattdessen als Sechser im defensiven Mittelfeld gespielt.

Zur ganzen Wahrheit gehört aber auch, dass Starks vorherigen Auftritte in der Viererkette einiges zu wünschen übriggelassen hatten. Ihm fehlte die Selbstverständlichkeit, die ihn in jungen Jahren ausgezeichnet hatte. Immer wieder unterliefen ihm Fehler, die in unmittelbarer Nähe zum Tor natürlich dramatischere Konsequenzen haben als irgendwo in den Weiten und Tiefen des Mittelfelds. Gegen Schalke aber, bei seinem Comeback in der letzten Reihe, machte Stark laut Trainer Labbadia „ein sehr gutes Spiel“.

Abwehr oder Mittelfeld? Im Sommer hat sich Stark bewusst beide Optionen offengehalten. Weil es immer noch besser ist, auf einer ungewohnten Position zu spielen als gar nicht. Auch seiner Flexibilität hat es Stark zu verdanken, dass er in dieser Saison wieder Stammspieler bei Hertha ist. Als einziger Feldspieler stand er in allen 15 Pflichtspielen in der Startelf. Lediglich am ersten Spieltag in Bremen wurde er kurz vor Schluss ausgewechselt, so dass allein Torhüter Alexander Schwolow auf mehr Spielminuten kommt.

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Noch in der vorigen Saison reichte es bei Stark, auch bedingt durch einige Verletzungen, nur zu 20 Startelfeinsätzen; sechs komplette Begegnungen verbrachte er als Zuschauer auf der Ersatzbank. Auch unter dem neuen Trainer Labbadia war er erst einmal außen vor. „Niklas hat extrem angenommen, was wir an Input geben, inhaltlich und auch körperlich“, sagt Labbadia. „Er ist körperlich in einem guten Bereich, weil er Vollgas gegeben hat. Das ist zu spüren“

Auch wenn Stark das nie offen gesagt hat: Könnte er es sich aussuchen, würde er vermutlich lieber in der Innenverteidigung spielen als im Mittelfeld, nicht zuletzt mit Blick auf seine Chancen in der Nationalmannschaft, für die er 2019 und 2020 je einmal zum Einsatz gekommen ist. Aber paradoxerweise waren es vielleicht gerade seine Einsätze als Sechser, von denen er jetzt in der neuen alten Rolle profitiert. „Ihm haben diese Spiele auf der Sechs sehr gutgetan“, sagt Labbadia.

Stark übernimmt jetzt mehr Verantwortung

Herthas Trainer ist laut eigener Aussage ein ganz großer Verfechter davon, Innenverteidiger in der Jugend sporadisch auch mal auf der Sechs spielen zu lassen. „Ich glaube, dass sie dadurch noch mehr lernen, sich umzuschauen und sich richtig zu positionieren“, sagt er. „Als Mittelfeldspieler ist es noch mal schwieriger, weil ich da immer Druck habe.“

Der Bildungsurlaub auf der Sechs hat Stark nicht nur fußballerisch geholfen, sondern ihn nach Labbadias Einschätzung auch in seiner Persönlichkeitsentwicklung noch einmal vorangebracht, weil die Position im Zentrum des Spiels ihm mehr Verantwortung für das große Ganze abverlangt. „Man merkt, dass er sich immer mehr traut, Anweisungen zu geben“, sagt sein Trainer. „Er ist auf einem guten Weg.“

Stark hat nicht nur die Position von Boyata übernommen, sondern auch die Kapitänsbinde. Wie lange das so bleiben wird, ist noch nicht abzusehen. Eine verlässliche Prognose zu Boyatas Ausfallzeit gibt es nicht. Und dass er automatisch seinen Platz wiederbekommt, ist auch nicht unbedingt gesagt. Dazu waren die Leistungen des Belgiers in dieser Saison einerseits zu schwankend. Andererseits gibt es für die Position womöglich bald schon wieder einen ernstzunehmenden Konkurrenten: Niklas Stark.

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