Berlin-Marathon: Nicht nur Zeiten und Siege zählen
Wer beim Marathon startet, der tut das nicht nur, um möglichst schnell anzukommen. Vor allem geht es darum, überhaupt das Ziel zu erreichen. Und dafür verdient jeder Läufer Anerkennung. Ein Kommentar.
An alle Kulturpessimisten: Der Verfall des Anstands im Sport konnte am Sonntag für ein paar Stunden aufgehalten werden. Beteiligt waren daran mehrere Tausend Berliner, die Veranstalter des Berlin-Marathons und vor allem eine Frau. Es heißt ja eigentlich, dass im Sport nur der Sieg zählt, am besten noch mit Weltrekord. Aber wie passt dazu nur, dass Anna Hahner für ihren siebten Platz beim Marathon wie eine Gewinnerin von den Organisatoren behandelt und von den Zuschauern gefeiert wurde?
Es lässt sich jedenfalls nicht allein damit erklären, dass Hahner die beste Deutsche war und auf der Strecke kein von Anstrengung verzerrtes Gesicht macht, sondern meist fröhlich lächelt. Beim Marathon gibt es vielmehr noch eine besondere Wertschätzung für die einzelne Leistung. Das kommt etwa in den USA dadurch zum Ausdruck, dass Athleten hinterher nicht nach ihrer Zeit und ihrer Platzierung gefragt werden, sondern ob sie angekommen sind: „Did you finish?“
Beim Berlin-Marathon geht es darum, sich selbst zu übertreffen
Auch beim Berlin-Marathon mit seinem geübten Publikum geht es nicht zuerst um Zeiten und Siege. Sich selbst zu übertreffen, damit verdienen sich die Teilnehmer Anerkennung, ob es die Tatsache ist, mit Übergewicht ins Ziel zu kommen oder seine Bestzeit zu verbessern wie es am Sonntag Anna Hahner gelungen ist.
Die Berufssportler sind beim Marathon ohnehin nicht entfremdet von den Breitensportlern, sie starten schließlich im selben Wettbewerb, auf derselben Straße. Beim Fußball haben große Klubs eigene Stadien, und es darf zwar jeder behaupten, dass er den Ball im Gegensatz zum Millionenprofi ins Tor geschossen hätte. Nur kann er es nicht beweisen. Beim Marathon kann jeder schneller sein. Oder eben die Leistung der Schnelleren anerkennen.