Hockey-Nationalmannschaft der Frauen: Neue Weltklasse gesucht
Vorspielen in Berlin: Die Hockey-Nationalmannschaft sucht eine neue Torhüterin. Am Donnerstag bekam Julia Ciupka beim Four Nations Cup ihre Chance - Deutschland unterlag Irland 1:2.
Julia Ciupka hat sich vor ein paar Wochen noch einmal aus nächster Nähe von den Qualitäten ihrer Vorgängerin überzeugen können. Es war eine Erfahrung, auf die die neue Torhüterin der deutschen Hockey-Nationalmannschaft liebend gern verzichtet hätte. Ciupka traf mit ihrem Klub Rot-Weiss Köln im Halbfinale der deutschen Meisterschaft auf den Uhlenhorster HC, und während sie selbst im Penaltyschießen immerhin zwei Versuche des Gegners parieren konnte, schafften es ihre Mitspielerinnen kein einziges Mal, Yvonne Frank auf der anderen Seite zu bezwingen. Eine sportliche Notwendigkeit war es also sicher nicht, die Frank dazu bewogen hat, in diesem Sommer mit dem Hockey aufzuhören. Zum Abschluss ihrer Karriere ist sie noch einmal Meister und Zweiter im Europapokal geworden. Aber Frank ist eben auch 37 – was im Hockey ein mehr als biblisches Alter ist.
Mehr als ein Jahrzehnt hat die Hamburgerin – im Wechsel mit der vier Jahre jüngeren Kristina Reynolds – im Tor der Nationalmannschaft gestanden; und wenn beide aus beruflichen Gründen mal pausieren mussten, gab es ja auch noch Barbara Vogel und Kim Platten, deren Qualität kaum minder groß war. Das aber ist jetzt vorbei. Bundestrainer Jamilon Mülders weiß seit den Olympischen Spielen vor einem Jahr, dass er zwei neue Torhüterinnen benötigt. Es ist eine durchaus knifflige Herausforderung, aber Mülders sagt: „Ich mache mir überhaupt keine Sorgen. Wir hatten Weltklasse im Tor – und die werden wir auch wieder finden.“
Aus fünf Kandidaten hat der Bundestrainer drei identifiziert, denen er den Schritt an die Spitze zutraut. Julia Ciupka, 25, und Lisa Schneider, 24, vom Mannheimer HC dürfen an diesem Wochenende beim Four Nations Cup in Berlin vorspielen und werden auch bei der World League in Johannesburg (8. bis 23. Juli) dabei sein; die Großflottbekerin Noelle Rother, 20, bekommt dafür bei der EM in Amsterdam (18. bis 27. August) ihre Chance. „Es wird eine klare Jobverteilung geben“, sagt Mülders. Während Schneider beim Turnier in Berlin am Sonntag im dritten Spiel gegen China (14 Uhr) ihre Chance bekommt, stand Ciupka am Donnerstagabend beim Auftakt des Four Nations Cup gegen Irland im Tor. Die Deutschen verloren durch einen Treffer dreieinhalb Minuten vor Schluss 1:2 (0:1). An der Torhüterin lag das nicht, eher an der mangelnden Chancenverwertung. Nur Jana Teschke traf zum zwischenzeitlichen 1:1.
Obwohl Ciupka und Schneider die Juniorenteams des Deutschen Hockey-Bundes bis zur U 21 durchlaufen haben, befand sich die Nationalmannschaft lange außerhalb ihrer Vorstellungswelt. Daran zu denken, das habe sie sich „nie angemaßt“, sagt Schneider. Frank und Reynolds seien schließlich „beide einfach eine Instanz“ gewesen. Ciupka findet es „eigentlich ganz cool“, dass sie nun die Chance in der Nationalmannschaft bekommt; gerechnet hat sie damit nicht. Seit dem Ende ihrer U-21-Karriere und der zusätzlichen Förderung durch den Verband sei es schwer gewesen, „leistungstechnisch dranzubleiben“, sagt sie. Hockey national und Hockey international sind, was Athletik und Dynamik angeht, zwei verschiedene Sportarten – was das konkret bedeutet, werden Ciupka und Schneider in den nächsten Wochen, Monaten, vielleicht Jahren erleben. „Uns fehlen einfach die Erfahrungswerte auf internationaler Ebene“, sagt Ciupka. Sie hätten eben noch nicht zehnmal gegen Argentinien gespielt und wüssten daher nicht, wie deren gefährlichste Stürmerin die Bälle schlägt.
Der Bundestrainer sagt: "Die früheren Torhüterinnen sind alle nicht Weltklasse geboren, die haben sich Weltklasse erarbeitet"
„Das Entscheidende ist, dass wir ihnen Zeit geben. Sie müssen erst mal lernen, mit der Verantwortung und der mentalen Belastung umzugehen“, sagt der Bundestrainer. Sein Ziel ist es, für die Position neue Persönlichkeiten zu entwickeln. „Es hilft nicht, in der Ahnengalerie zu leben“, sagt Mülders. „Die früheren Torhüterinnen sind alle nicht Weltklasse geboren, die haben sich Weltklasse erarbeitet.“ Er erwartet gerade nicht, dass Ciupka und Schneider ihre Vorgängerinnen kopieren, sie sollten ihren eigenen Stil pflegen und durchsetzen. „Beide sind total unterschiedliche Typen“, sagt er, „aber absolute Teamplayer.“ Ciupka hat gerade in ihrer Heimatstadt Mönchengladbach begonnen, als Zahnärztin zu arbeiten; Schneider befindet sich noch am Anfang ihres Psychologiestudiums. Am spielfreien Samstag muss sie eine dreistündige Statistikklausur schreiben.
Als beide in dieser Woche nach dem Training nebeneinander im Schatten sitzen, fängt Ciupka gleich an zu reden, während Schneider erst mal abwartet. Die eine ist offen, die andere eher introvertiert; die eine stark im Stellungsspiel, die andere beweglich und überragend bei Penaltys und der Eckenabwehr. „Bei dem, was die eine sehr gut kann, hat die andere noch Bedarf“, sagt Mülders. Julia Ciupka hätte von ihrer Konkurrentin gern die Athletik, Lisa Schneider von Ciupka am liebsten die Besonnenheit – weil sie mit sich selbst manchmal zu hitzköpfig umgehe und sich dann in Emotionen verstricke.
Dass beide nun Konkurrentinnen um einen einzigen Platz sind, hat bisher noch keine Auswirkungen auf ihren Umgang miteinander gehabt. „Wir beißen niemandem ein Ohr ab“, sagt Ciupka. Aber sie habe auch noch keine Zeit gehabt, über ihr Verhältnis nachzudenken, dazu sei sie momentan zu sehr mit sich selbst beschäftigt. Lisa Schneider trägt erst einmal das Trikot mit der Nummer 1, weil Ciupka bei einem Lehrgang vor anderthalb Jahren schon die 20 bekommen und diese Nummer behalten hat. Schneider hätte lieber die 21 gehabt, die sie auch in ihrem Klub trägt, aber die ist schon vergeben. Sie sagt: „Ich mag die 1 nicht so richtig.“