Brasilien qualifiziert sich für die WM: Neue, alte Schönheit
Alle acht WM-Qualifikationsspiele unter dem neuen Trainer Tite hat Brasilien gewonnen. Über allen steht dabei Neymar. Ein Kommentar.
Wie und wann das genau war mit dem Tiefpunkt, ist im Rückblick umstritten, denn es gab reichlich Tiefpunkte in den vergangenen Jahren. Ganz weit vorn steht der Sommer 2014, das 1:7 im WM-Halbfinale von Belo Horizonte gegen Deutschland, als für Brasilien mehr als nur die Fußball-Welt unterging. Im Jahr darauf flog Neymar bei der Copa America nach einer Tätlichkeit gegen den Schiedsrichter vom Platz und seine Mannschaft schon im Viertelfinale raus. Noch ein weiteres Jahr später, beim Jubiläumsturnier zum 100. Geburtstag des südamerikanischen Verbandes, war schon nach der Vorrunde Schluss für die Heimat des jogo bonito und seinen glücklosen Impresario Carlos Dunga.
Brasilien fühlte sich gedemütigt und von der Kritik auf den Status eines Fußball-Schwellenlandes reduziert. Geschlagen mit einer Generation von Nichtskönnern und Durchschnittsspielern und einem verwöhnten Superstar Neymar.
Unter Tite hat Brasilien alle Qualifikationsspiele gewonnen
Nichts da! Mit einem 3:0 über Paraguay in Sao Paulo hat sich die Selecao als erste Mannschaft nach dem Gastgeber Russland für die WM im kommenden Jahr qualifiziert. „Alô, Rússia!“, titelte die Tageszeitung „O Globo“, „Hallo Russland!“ Das schöne Spiel wieder da, es war eigentlich nie weg, nur korrumpiert von unzeitgemäßer Anleitung. Bei der WM 2014 versuchte es der Altmeister Luiz Felipe Scolari mit Handauflegen und taktischen Methoden aus der Spätphase des zweiten Jahrtausends. Sein Nachfolger Carlos Dunga zerstritt sich mit Neymar und zerstörte damit die Basis für einen erfolgreichen Neuaufbau. Erst seitdem Adenor Leonardo Bacchi, genannt Tite, die Kommandos gibt, kommt der Reichtum des gelobten Fußballlandes zur Geltung.
Alle acht Qualifikationsspiele unter Tite hat Brasilien gewonnen und dabei 24 Tore erzielt. Die vermeintlich verlorene Generation wird geprägt von großartigen Individualisten wie Roberto Firmino und Philippe Coutinho aus Liverpool oder Manchester Citys Gabriel Jesus, und der hat wegen einen Fußbruch die jüngsten Siege gegen Uruguay und Paraguay verpasst.
Über allen steht Neymar. Gegen Paraguay hat er einen Elfmeter verschossen, aber als Antwort darauf ein 70-Meter-Solo mit abschließendem Torerfolg hingelegt. Unter Tite trägt er wieder die vor einem Jahr beleidigt abgelegte Kapitänsbinde. Neymar spielt in der Form seines Lebens und hat Brasilien zu dem gemacht, was die Nation in ihrer ungeschriebenen Verfassung festgeschrieben hat, zu einer weltweit führenden und respketierten Fußball-Macht. Alô, Rússia!
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