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Wer gegen Mainz spielen will, bitte melden. Vedad Ibisevic hat im Training gezeigt, dass er um seinen Platz im Team kämpfen will.
© picture alliance / Marius Becker

Hertha BSC gegen Mainz 05: Mit Vedad Ibisevic gegen die Wand?

Vedad Ibisevic hat seit mehr als zwei Monaten nicht mehr bei Hertha BSC in der Startelf gestanden – gegen Mainz könnte der Kapitän von Anfang an spielen.

Es ist wirklich keine gute Idee, Vedad Ibisevic zu provozieren. Thomas Kraft hat diese Erfahrung Anfang dieser Woche beim Training gemacht. Die beiden Alphatiere von Hertha BSC waren wie schon häufiger in der Vergangenheit aneinandergeraten, es wurden wechselseitige Beleidigungen ausgetauscht. „Halt die Klappe!“, rief der eine. „Selber“, entgegnete der andere. „Opfer“, sagte der eine. „Selber Opfer“, erwiderte der andere. Das Trainingsspiel lief derweil einfach weiter. Kurz darauf schlug Marvin Plattenhardt von der linken Seite eine schnittige Flanke vors Tor, Ibisevic drängelte sich in der Mitte zwischen zwei gegnerischen Verteidigern hindurch, brachte seine Stirn an den Ball und wuchtete ihn präzise und kurz über der Grasnarbe neben den Pfosten. Thomas Kraft streckte sich, es war förmlich zu spüren, dass er diesen Ball noch irgendwie erwischen wollte – aber er hatte keine Chance.

Über das Gesicht von Vedad Ibisevic huschte ein kurzes Lächeln.

Der Bosnier, formal immer noch Kapitän des Berliner Fußball-Bundesligisten, hatte ohnehin eine Menge Spaß bei der ersten und einzigen öffentlich zugänglichen Trainingseinheit dieser Woche. Einmal überwand er Thomas Kraft mit einem feinen Heber, indem er den Ball nur kurz mit der Fußspitze anstupste; ein anderes Mal lag Ibisevic waagerecht in der Luft und zeigte einen formvollendeten Fallrückzieher. Und obwohl der Ball am Tor vorbeiging, gab es Szenenapplaus von seinen Kollegen.

„Schön für die Zuschauer, schön für die Fans, schön für die Trainer“, sagte Pal Dardai nach dem Training über die Performance des 33 Jahre alten Stürmers. „Er ist gut drauf, zeigt in jedem Training top Einsatz. Man kann ihm nichts vorwerfen. Vorbildlich.“ Vielleicht liegt das daran, dass Ibisevic derzeit außer im Training keine Gelegenheit mehr bekommt, um top Einsatz zu zeigen.

Am 15. Spieltag hat der Kapitän zuletzt bei Hertha in der Startelf gestanden. Mehr als zwei Monate sind seitdem vergangen. Von den letzten 630 Spielminuten durfte er gerade mal 94 mitwirken, drei Mal blieb er ganz draußen – das ist Ibisevic in etwas mehr als zweieinhalb Jahren bei Hertha sonst nur passiert, wenn er gesperrt war. Selbst auf der Bank zu sitzen ist für ihn eine neue Erfahrung. Seit seinem Debüt für Hertha im September 2015, als er gegen seinen Ex-Klub VfB Stuttgart zur Pause eingewechselt wurde, hat Vedad Ibisevic, sofern verfügbar, immer in der Startelf gestanden.

Ibisevic passt besser gegen tief stehende Gegner

In dieser Saison aber muss er mit einer neuen Rolle vorlieb nehmen. Ibisevic ist nicht nur nicht mehr gesetzt, aktuell scheint er sogar nur noch der Herausforderer des mehr als zehn Jahre jüngeren Davie Selke zu sein. Der U-21-Europameister, von Hertha im Sommer für die Rekordablöse von neun Millionen Euro verpflichtet, hat sich als erster Stürmer etabliert. In den vergangenen elf Bundesligaspielen stand Selke immer in der Startelf.

Im Training aber, am Dienstag, tauchte Ibisevic in der vermeintlichen A-Elf auf. Das lag erst einmal daran, dass Selke wegen einer Erkältung einen Tag pausieren musste; es könnte allerdings auch schon ein Hinweis auf die Besetzung am Freitag im Heimspiel gegen den Abstiegskandidaten Mainz 05 gewesen sein. „So weit bin ich noch nicht“, sagte Trainer Dardai. „Am Freitagvormittag entscheide ich, wer spielt.“

In der Vergangenheit hat der Ungar immer auf die unterschiedlichen Qualitäten seiner beiden Stürmer verwiesen. Selke, der Jüngere, sei aufgrund seiner Dynamik prädestiniert fürs schnelle Umschaltspiel, zudem im Pressing eine echte Nervensäge für den Gegner; wenn aber „der Gegner tief steht und wir gegen eine Wand spielen, dann ist Vedad spielerisch besser“. Ein genau solcher Gegner könnten die Mainzer sein, die die jüngsten vier Pflichtspiele verloren haben und in der Liga auf den Relegationsplatz abgerutscht sind.

Das Problem ist: Eine Entscheidung für Ibisevic könnte vom gemeinen Publikum leicht als Abstrafung für Davie Selke verstanden werden, der am vergangenen Wochenende, beim Auswärtssieg in Leverkusen, nicht weiter aufgefallen ist. In Wirklichkeit hat Selke das getan, was der Matchplan für ihn vorgesehen hatte. Er ist die gegnerische Verteidigung immer wieder angelaufen und hat seine Position in der Spitze gehalten, was er noch zwei Wochen zuvor, beim 0:0 in Bremen, zum Unwillen von Pal Dardai nicht getan hatte.

Davie Selke muss definitiv nicht fürchten, seinen Platz dauerhaft einzubüßen. In den beiden Wochen danach spielt Hertha in München gegen die Bayern und bei den Schalkern – gegen Mannschaften also, die ganz sicher keine Wand vor dem eigenen Strafraum errichten werden.

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