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Fröhliches Favoritensterben. Die 32-jährige Laura Siegemund steht überraschend im Achtelfinale der French Open. Am Montag trifft sie auf die Spanierin Paula Badosa.
© Rob Prange/Imago

Laura Siegemund bei den French Open: Mit Studium, Fleiß und ohne Druck

Laura Siegemund feiert als 32-Jährige endlich die Erfolge, die ihr schon früh vorhergesagt wurden. In Paris spielt sie heute um den Viertelfinaleinzug.

Treffender hätte die Analyse nicht sein können. „Auch die großen Namen haben Schwierigkeiten reinzufinden“, sagte Laura Siegemund am Samstag nach ihrem Achtelfinaleinzug bei den French Open in Paris. Da wusste die 32-jährige Schwäbin noch nicht, dass einen Tag später von den großen Namen noch viel weniger in der Einzelkonkurrenz übrig geblieben sein würden.

Mit Simona Halep aus Rumänien verabschiedete sich die Nummer eins des Turniers und große Titelfavoriten sang- und klanglos 1:6 und 2:6 gegen die Polin Iga Swiatek aus Paris. Die niederländische Weltranglistenfünfte Kiki Bertens schied wenig später gegen Martina Trevisan aus Italien ebenfalls deutlich mit 4:6. 4:6 aus.

Als einzige Deutsche ist nicht Angelique Kerber oder Julia Görges, sondern Siegemund noch dabei. Am Montag trifft sie auf die Spanierin Paula Badosa und ist in diesem Match sogar Favoritin. „Ich glaube schon, dass das durch dieses wirre Jahr jetzt zustande kommt“, meinte Siegemund zum fröhlichen Favoritensterben im Stade Roland Garros.

Bei den US Open gewann sie vor drei Wochen die Doppelkonkurrenz

Dass sie selbst überhaupt weiter mitspielen kann, ist dabei alles andere als selbstverständlich. In ihrem Drittrundenmatch gegen die Kroatin Petra Martic musste sie Ende des ersten Satzes am Rücken behandelt werden. Aus diesem Grund hatte sie zuvor im Turnier bereits ihr Doppel an der Seite der Russin Vera Swonarewa aufgeben müssen.

Mit Swonarewa hatte sie vor drei Wochen sensationell die US Open gewinnen können. Am Tag nach dem Triumph sei sie bereits „um 7.30 Uhr wieder im Gym“ gewesen, erzählte sie danach im ZDF-Sportstudio.

Siegemund gehörte offiziell nie zur goldenen Generation im deutschen Frauen-Tennis, obwohl ihr am Anfang der Karriere eine große Zukunft prophezeit wurde. Als erste Deutsche seit Steffi Graf hatte sie im Jahr 2000 den Orange Bowl der Juniorinnen gewonnen. Doch mit dem Druck, der fortan auf ihr lastete, kam sie nie wirklich zurecht. Nachdem die Erfolge auf sich warten ließen, begann sie ein Psychologie-Studium. Der Titel ihrer Bachelor-Arbeit lautete: „Versagen unter Druck“.

2012 und 2013 spielte sie kaum noch auf der Profitour, startete schließlich aber einen zweiten Anlauf. 2015 qualifizierte sie sich erstmals für ein Grand- Slam-Hauptfeld, bis jetzt in Paris hatte sie es im Einzel aber nie bis in ein Achtelfinale geschafft. Dass sie im Herbst 2020 derart aufdreht, hängt mit ihrer Arbeitseinstellung zusammen. Siegemund war immer schon fleißig, aber sie musste erst lernen, dass sich der ganze Aufwand nicht zwangsläufig auch auf die Ergebnisse auswirkt.

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In der Corona-Krise zahlt sich nun aber aus, dass die Filderstädterin viel Matchpraxis sammeln konnte und anders als so manche Topspielerin praktisch jede Gelegenheit nutzte, um irgendwo aufzuschlagen. „Jede Spielerin hat da ihren eigenen Weg gewählt. Ich glaube, mir hat es gut getan, so viele Erfahrungen wie möglich zu machen“, sagte sie nun in Paris.

Im Turnier der Überraschungen ist sie nun ein kleiner Geheimtipp. Gerade mal vier gesetzte Spielerinnen haben es bei den French Open in die zweite Woche geschafft. Weltranglistenpositionen spielen nur auf dem Papier, nicht aber auf dem Platz eine Rolle bei den Frauen. Die Unterschiede sind marginal, jede Spielerin kann jede andere schlagen.

Dass Siegemund auf dem Weg zum Sieg auch durchaus unpopuläre Maßnahmen ergreifen kann, zeigte sie in Runde drei gegen Martic. Wegen ihrer Rückenprobleme nahm sie sich beim Stand von 5:6 und Aufschlag ihrer Gegnerin eine medizinische Auszeit. Damit brachte sie die Kroatin zunächst aus dem Rhythmus, ließ sich selbst anschließend trotz zweier Verwarnungen und verlorenem Tiebreak nicht beirren. Siegemund biss sich durch und kämpfte sich noch zum Sieg.

Am Montag wartet nun die weitgehend unbekannte Paula Badosa, das Match ist für 11 Uhr auf dem drittgrößten Court angesetzt. „Es wäre ein Fehler, sie zu unterschätzen“, sagte Siegemund im Vorfeld – und wird genau das nicht tun.

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