Hertha BSC: Mit Schattenstürmer Julian Schieber gegen Wolfsburg
Weil Berlins Torjäger Vedad Ibisevic gesperrt ist, wird Julian Schieber gegen Wolfsburg nach 21 Monaten wieder in Herthas Startelf stehen.
Es ist nicht bekannt, wie Julian Schieber im Sommer reagiert hat, als Vedad Ibisevic zum neuen Kapitän von Hertha BSC ernannt wurde. Vielleicht hat er es unbeteiligt zur Kenntnis genommen und sich nichts weiter dabei gedacht. Dass die Entscheidung von Trainer Pal Dardai gravierende Auswirkungen auf sein eigenes Fortkommen haben würde, hat Schieber ganz sicher nicht geahnt. Die Kapitänsbinde hat bisher eine ausgesprochen beruhigende Wirkung auf Ibisevic gehabt; der einstige Heißsporn hält sich im In-Fight mit den Schiedsrichtern merklich zurück. Die Wahrscheinlichkeit, dass der Bosnier wegen Meckerns vom Platz fliegt, ist auf ein Minimum gesunken. Und damit auch die Wahrscheinlichkeit für Julian Schieber, einen Platz in Herthas Startelf zu bekommen.
Ibisevic ist Stürmer, Schieber ist Stürmer – aber in Herthas Spielsystem gibt es nur Platz für einen von beiden. Das ist Ibisevic. „Er macht das überragend, die Quote spricht für ihn“, sagt Schieber über seinen internen Konkurrenten. Acht Tore hat der 32-Jährige in dieser Saison schon wieder erzielt, die letzten beiden am vergangenen Sonntag zum 2:1-Sieg gegen Mainz. Dass Ibisevic kurz darauf mit Gelb-Rot vom Platz flog, eröffnet Julian Schieber nun eine ganz neue Perspektive. Aller Voraussicht nach wird er am Samstag (15.30 Uhr), im Auswärtsspiel beim VfL Wolfsburg, in Herthas Anfangself auftauchen – zum ersten Mal seit mehr als 21 Monaten. „Julian macht einen sehr guten Eindruck“, sagt Trainer Dardai. „So wie er sich in letzter Zeit präsentiert hat, hätte er es verdient.“ Im Kader des Berliner Fußball-Bundesligisten gibt es nur drei Spieler, die in dieser Saison auf mehr Einsätze kommen als der 27 Jahre alte Schieber: Rune Jarstein, Genki Haraguchi und eben Ibisevic. Schieber fehlte nur in Dortmund, da war er verletzt; sonst hat er immer gespielt, aber eben nie von Beginn an. Netto stand er nur etwas mehr als 180 Minuten auf dem Platz, trotzdem ist er mit zwei Toren Herthas bester Torschütze hinter Ibisevic und Salomon Kalou.
Ausgerechnet in Wolfsburg stand Schieber zuletzt in der Startelf
„Nach vorne stören, wühlen, probieren, noch eine Chance zu kreieren: In den Minuten, wo ich auf dem Platz stehe, haue ich alles rein“, sagt Schieber. Es bringt ja nichts, mit der Rolle als Joker zu hadern: „Wenn ich reinkomme, will ich das annehmen, den Trainer glücklich machen – und mich selbst natürlich auch.“ So wie am ersten Spieltag, als er in der Nachspielzeit den 2:1-Endstand gegen Freiburg erzielte. Oder gegen Köln, als er den Assist zum Siegtreffer beisteuerte.
Und jetzt also die Rückkehr in die Startelf. Ausgerechnet in Wolfsburg, wo er am 22. Februar 2015 zuletzt von Anfang an gespielt hat. Schieber erzielte das zwischenzeitliche 1:1, es war sein siebtes Saisontor – und sein letztes. Nach dem Spiel machte sich Schiebers Knie bemerkbar: ein Knorpelschaden, die Horrorverletzung schlechthin für einen Fußballer, immer verbunden mit der Sorge, ob es überhaupt weitergehen wird mit der Karriere. Ein knappes Jahr stand Schieber nicht auf dem Fußballplatz, ehe er in der vergangenen Saison immerhin noch zu sechs Kurzeinsätzen kam.
Aber so richtig zählen diese Einsätze eigentlich nicht. Dass Pal Dardai ihn regelmäßig für den Spieltagskader nominiert hat, war zwar gut für seinen Kopf, „aber eigentlich weißt du selbst, dass du noch nicht so weit bist“. Schieber hat ja im Training gesehen, dass seine Kollegen körperlich fitter, stärker, robuster waren. Vor allem hat er es am eigenen Leib gespürt: „Du kommst einfach nicht hinterher, die Pumpe geht schneller an, überall fehlt ein Stück.“ Erst seit dieser Saison fühlt er sich wieder als vollwertiges Kadermitglied.
Vom Europapokal will Schieber noch nichts wissen
„Er ist gut drauf und kommt jetzt wieder richtig“, sagt Dardais Assistent Rainer Widmayer, der Schieber einst beim VfB Stuttgart aus der U 23 zu den Profis hochgeholt hat; seit diesen Tagen schätzt Widmayer den Stürmer. Schieber habe ein gutes Kopfballspiel, einen überragenden linken Fuß, einen guten Körper, sei eckig, kantig und könne den Ball gut behaupten. „Er hat sehr viele Vorzüge“, sagt Widmayer, „und ist ein guter Mensch.“
Damals beim VfB haben sie ihn meistens auf der linken Außenbahn aufgeboten, damit er aus der Tiefe sein Tempo ausspielen konnte und immer das Tor im Blick hatte. Allerdings war Schieber da noch deutlich schmaler und beweglicher. Inzwischen hat er an Körpermasse zugelegt, ist erkennbar bulliger. Schieber selbst sieht sich eindeutig als Stoßstürmer, während Widmayer glaubt, dass er zumindest in einem 4-3-3-System als linke Spitze spielen könnte.
Vielleicht wäre das eine Variante für die Zukunft – zumal Ibisevic seinen Vertrag bei Hertha BSC in dieser Woche um zwei Jahre verlängert hat. Was das für Schieber bedeutet? „So weit ist es nicht, dass ich mir Gedanken machen muss“, sagt er. „Vedads Vertragsverlängerung ist wichtig für uns. Davon profitiere auch ich.“ Und wer weiß: Vielleicht ist Hertha nächste Saison ja froh, zwei beinahe gleichwertige Stürmer im Kader zu haben – wenn erst einmal die Doppelbelastung durch den Europapokal ansteht. Julian Schieber lacht. „So weit sind wir noch nicht.“
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