Hertha BSC spielt remis in Frankfurt: Mit Jürgen Klinsmann kehrt ein bisschen Glück zurück
Viel hat nicht zur nächsten Niederlage gefehlt in Frankfurt. Und so war Hertha BSC bemüht, die positiven Erkenntnisse in den Vordergrund zu rücken.
Adi Hütter hat kürzlich eine bemerkenswerte Geschichte erzählt, sie handelte von seiner allerersten Begegnung mit Jürgen Klinsmann. „Vorher kannte ich ihn nur aus dem Fernsehen“, sagte der Österreicher, der seit Sommer 2018 die Verantwortung bei Eintracht Frankfurt trägt. In Frankfurt sind sich die beiden Fußball-Trainer in diesem Jahr auch über den Weg gelaufen, es war ein zufälliges Treffen in einem Restaurant.
Salz- und Pfefferstreuer schoben Hütter und Klinsmann dabei zwar nicht auf dem Tisch hin und her, darauf kommen vermutlich nur Thomas Tuchel und Pep Guardiola. Angeregt unterhalten haben sie sich aber allemal. Klinsmann wird bekanntlich ein äußerst einnehmendes Wesen nachgesagt, er kann Menschen von seiner Sicht der Dinge überzeugen.
Adi Hütter widerspricht Jürgen Klinsmann
Am späten Freitagabend, nach dem 2:2-Unentschieden zwischen Eintracht Frankfurt und Hertha BSC zum Auftakt des 14. Bundesliga-Spieltags, gelang ihm das nicht – zumindest nicht im Fall Adi Hütter. „Ich habe das Spiel ein bisschen anders gesehen als Jürgen“, sagte Frankfurts Trainer und konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Nämlich so, dass sein Team trotz eines 0:2-Rückstands und trotz des späten Ausgleichstreffers durch Sebastian Rode drei Minuten vor dem Ende das Feld eigentlich als Sieger hätte verlassen können, vielleicht sogar müssen.
Ein Blick in die Statistik legte diesen Gedanken ebenfalls nahe: sie wies 27:8 Torschüsse, 60 Prozent Ballbesitz und ein fast schon absurdes Ecken-Verhältnis von 16:1 für die Hessen aus. „Aber solche Sachen müssen im Fußball nicht viel bedeuten“, sagte Herthas Verteidiger Niklas Stark später und verwies auf den jüngsten Auswärtssieg Bayer Leverkusen in München. „Die hatten 25 Prozent Ballbesitz und haben damit die Bayern geschlagen.“ Tage gibt es. Klinsmann sagte: „Für mich geht das Ergebnis so in Ordnung.“
Dabei musste man die Zahlen am Freitag fast so deuten, dass mit dem Motivationskünstler und Berufsoptimisten Klinsmann auch wieder ein bisschen Glück ins Lager von Hertha BSC zurückgekehrt ist. Dafür gab es abgesehen vom ersten Punktgewinn seit Mitte Oktober und erwähnter Statistik weitere Indizien: Zuletzt hatten sich die Berliner bekanntlich hin- und wieder vom Schiedsrichter respektive dem Videobeweis benachteiligt gefühlt.
Im Heimspiel gegen Leipzig hätten sie für ein Foul an Niklas Stark gern einen Elfmeter bekommen, vor einer Woche gegen Dortmund echauffierten sie sich über eine knappe, aber korrekte Abseitsentscheidung gegen Stürmer Davie Selke. Der mittlerweile entlassene Ante Covic sprach oft von „fehlendem Spielglück“.
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In Frankfurt profitierte Hertha nun von dem unter Fans wie Aktiven weiterhin umstrittenen Einsatz des Videobeweises. So erkannte Schiedsrichter Christian Dingert den Frankfurtern nachträglich zwei Tore ab, denen Fouls vorausgegangen waren. „Fußballmafia DFB“, schallte es anschließend aus dem Frankfurter Block, in dem der Anhang naturgemäß Vereinsbrillen aufgesetzt hatte. Tatsächlich lag Dingert mit beiden Entscheidungen richtig. Trotzdem sagte Adi Hütter später: „Ich habe heute keine gute Schiedsrichter-Leistung gesehen, diesen Vorwurf muss er sich gefallen lassen.“
Den Berlinern konnte diese Bemerkung – anders als das Ausgleichstor kurz vor Schluss – herzlich egal sein. Sie waren bemüht, die positiven Erkenntnisse des Abends in den Vordergrund zu rücken. „Der Trainer hat uns vor dem Spiel super motiviert und eingestellt“, sagte Davie Selke. „Der Punkt ist ein guter für die nächsten Wochen.“ Da hat es das Programm nämlich in sich: bis Weihnachten muss Hertha unter anderem noch gegen die Spitzenteams aus Leverkusen und Mönchengladbach antreten, zum Rückrunden-Auftakt schauen die Bayern vorbei.
Klinsmann schaut mit Optimismus nach vorn
„Man hat gesehen, dass wir eklig sind. Jeder soll denken: Mein Gott, jetzt kommt Hertha“, sagte Abwehrspieler Niklas Stark nach dem Abpfiff. „Wenn das klappt, können wir spielerisch weitermachen“, ergänzte er. Wie etwa vor dem Führungstor durch Dodi Lukebakio, einem wirklich fein herausgespielten Treffer und zugleich einzige Berliner Torchance in Halbzeit eins.
Am Ende durften sich die Berliner allerdings vor allem bei einem Mann dafür bedanken, dass die Dienstreise nach Frankfurt mit einem Punkt endete: bei Torhüter Thomas Kraft, der den rotgesperrten Rune Jarstein glänzend vertrat. Kraft war nach dem Spiel zwar so angefressen, dass er sich nicht äußern wollte, aber das übernahmen dankenswerterweise die Kollegen. „Für Torhüter ist es keine einfache Situation, wenn sie wie Thomas ewig nicht spielen und dann reinkommen“, sagte Stark. „Das spricht total für ihn“, ergänzte er, „aber wir hatten auch keinen Zweifel daran, dass er das kann.“ Nach Lage der Dinge wird Kraft seinen Platz am kommenden Wochenende allerdings wieder räumen müssen; dann läuft Jarsteins Sperre ab und Klinsmann dürfte zurückrotieren lassen.
„Wir hätten hier heute gern drei Punkte mitgenommen“, sagte der schwäbische Weltmann aus Kalifornien zum Abschluss seiner Ausführungen – und blickte, typisch Klinsmann, mit ausgeprägtem Optimismus nach vorn. „Jetzt holen wir halt am nächsten Wochenende drei Punkte.“ Dann ist der SC Freiburg zu Gast im Olympiastadion.