André Schürrle vor Wechsel zum VfL Wolfsburg: Mit aller Macht nach oben
Der VfL Wolfsburg verpflichtet offenbar André Schürrle vom FC Chelsea. Der Tabellenzweite will mit dem 30-Millionen-Euro-Transfer Bayern angreifen.
Im Grunde war es schon herauszuhören. Die Sätze von Trainer Dieter Hecking hatten kurz vor dem Rückrundenstart immer mutiger geklungen. Und wenn Geschäftsführer Klaus Allofs seine Dementi mit einem verdächtig breiten Grinsen garniert, befindet er sich oft im Bereich der Notlügen. Bis zuletzt hatten die starken Männer des VfL Wolfsburg beteuert, dass dieser Transfer für sie nicht in Frage komme. Pünktlich zum Ende der Winterpause in der Fußball-Bundesliga steht aber so gut wie fest: Mit André Schürrle wechselt ein Nationalspieler und Weltmeister zu den Niedersachsen.
Die Verantwortlichen des VfL können die Jagd auf den FC Bayern München, der heute (20.30 Uhr, live in der ARD) in Wolfsburg vorspielt, nicht mehr leugnen. „Real Madrid und Bayern München – mit diesen Mannschaften wollen wir uns messen“, hatte Hecking zuletzt voller Angriffslust gesagt. Mit Schürrle ist klar, was der VfL vorhat: Er drängt mit Macht und auf direktem Weg in die Champions League.
Ermittlungen der Uefa
Die millionenschweren Gerüchte waren bis zuletzt dementiert worden. Ivica Olic zurück zum Hamburger SV ziehen zu lassen, das wollten die Wolfsburger angeblich nicht. Und tun es jetzt doch. Schürrle aus seinem Vertrag beim FC Chelsea herauszukaufen – es war wohl nur eine Schutzbehauptung, dass ein solch großer Transfer noch nicht zur Debatte stehe. Allofs hatte betont, dass er angesichts der Ermittlungen der Europäischen Fußball-Union (Uefa) vorsichtig agieren wolle. Die Uefa prüft im Rahmen der Financial-Fairplay-Regel, ob die Wolfsburger Transfereinnahmen und Transferausgaben in einem gesunden Verhältnis zueinander stehen. Wer zwei Jahre lang zurückrechnet, muss dabei ins Grübeln geraten. Nach Luiz Gustavo (FC Bayern/16 Millionen Euro) und Kevin de Bruyne (FC Chelsea/22 Millionen) ist Schürrle beim VfL der nächste Neuzugang der Güteklasse A. Die Unterschrift des 24-Jährigen steht wohl noch aus, sobald sich sein bisheriger und sein künftiger Arbeitgeber über die letzten Formalitäten und Klauseln geeinigt haben, wird das rund 30 Millionen Euro teure Geschäft offiziell bestätigt.
Bei Chelsea nicht erste Wahl
Wer den Fußball im Allgemeinen und die Bundesliga im Besonderen mag, wird jetzt zwangläufig ins Grübeln geraten. Ist die finanzielle Wucht des VfL Wolfsburg schlecht für den deutschen Fußball? Oder ist es sogar ein Segen, dass während des akuten Schwächeanfalls von Borussia Dortmund ein anderer Klub bereitsteht, der den übermächtigen Serienmeister Bayern München zu attackieren vermag?
Schürrle war beim FC Chelsea zuletzt nicht mehr erste Wahl und entsprechend unzufrieden. In Wolfsburg anzuheuern macht dann Sinn, wenn man dem Verein den direkten Sprung in die Champions League zutraut. Elf Punkte liegt die Hecking-Elf in der Tabelle hinter den Münchnern. Was das Team zeigt, ist nicht immer schön und taktisch ausgereift. Aber es ist so stabil, dass es für den zweiten Tabellenplatz reicht. Die Kreativität und Schnelligkeit von Außenstürmer Schürrle soll nun dazu beitragen, den Abstand zum Rekordmeister zumindest zu verringern.
Antwort auf Dominanz der Bayern
Die Personalie Schürrle dürfte auch ein wesentlicher Beitrag dazu sein, eine Tragödie schneller in den Hintergrund treten zu lassen. Kurz vor dem Duell mit den Bayern wird im Wolfsburger Stadion noch einmal an den vor drei Wochen bei einem Autounfall tödlich verunglückten VfL-Profi Junior Malanda erinnert. „Es war nicht einfach. Aber jetzt haben wir das gut überstanden. Ein paar besser, ein paar weniger gut“, verrät der Schweizer Ricardo Rodriguez, ein weiterer Millionenmann im Kader des Meisters von 2009. Was der VfL Wolfsburg unter der Regie von Allofs zusammenhält und zusammenkauft, erzeugt Neid und verdient Respekt. Wolfsburg verfolgt also München. Und das Beste vom Rest wird vor allem versuchen, den VfL Wolfsburg zu jagen. Dessen Hauptsponsor Volkswagen gibt immer wieder Buchungsposten frei, die aufhorchen lassen. Weil die Liga nach einer Antwort auf die Dominanz des FC Bayern schmachtet, ist der Zeitpunkt für protzige Spielereinkäufe jedenfalls klug gewählt.
Christian Otto