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Alter Hüpfer. Mit 36 Jahren war Klose der älteste deutsche Torschütze – und sprang trotzdem den Salto. Foto: Reuters
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WM 2014 - Ronaldo-Rekord eingestellt: Miroslav Klose - eine historische Figur des Fußballs

Von der SG Blaubach-Diedelkopf in die Geschichtsbücher: Nach seinem Tor gegen Ghana ist Miroslav Klose WM-Rekordtorschütze, eine historische Figur des Fußballs - und mehr als eine hochkarätige Einwechseloption.

Philipp Lahm leistete sich eine unentschuldbare Unzulänglichkeit, wie man sie eigentlich nicht von ihm kennt. Gleich nach dem Torabschluss schaltete er in den Stand-by-Modus, obwohl die Situation längst nicht vorüber vor. Der Kapitän der deutschen Fußball-Nationalmannschaft konnte daher später auch nichts Erhellendes zu der Performance beitragen, die Miroslav Klose auf seine alten Tage hingelegt hatte. Dass der Stürmer nach seinem Tor zum 2:2-Endstand gegen Ghana einen Salto geschlagen hatte, war Lahm schlicht entgangen. „Ich hatte schon abgeschaltet“, sagte er.

Mit einem solchen Kunststück konnte ja auch niemand rechnen. Miroslav Klose hat derartigen Turnübungen schon vor Jahren feierlich abgeschworen – aus Rücksicht auf sein Alter und den empfindlichen Rücken. Aber besondere Momente erfordern eben besondere Maßnahmen. Und an diesem Nachmittag in Fortaleza erlebte die Welt einen besonderen Moment. Mit seinem 15. WM-Tor stellte Klose den Rekord des Brasilianers Ronaldo ein. „Irgendwie hat es mich doch mitgerissen. Dann hab ich das Ding mal versucht“, sagte er. „Aber man sieht: aus der Übung.“ Der Salto endete nach einer Dreiviertelumdrehung, Klose plumpste fast aus der Waagerechten zu Boden und landete mit dem Hintern auf dem Rasen.

Was das Toreschießen angeht, ist Klose noch längst nicht aus der Übung. In der 70. Minute wurde er zusammen mit Bastian Schweinsteiger eingewechselt. In der 71. grätschte er einen von Benedikt Höwedes per Kopf verlängerten Eckball mit der Sohle über die Linie. „Schön für mich, dass ich reinkomme und gleich die richtige Nase hab als Stürmer“, sagte Klose. Diesen ausgeprägten Geruchssinn für gefährliche Situationen hat er den falschen Neunern immer noch voraus. Mario Götze zum Beispiel dreht gerne noch einen Kringel, bevor er sich Richtung Tor begibt. Selbst bei seinem 1:0 aus klassischer Mittelstürmerposition köpfte er sich den Ball erst noch ans eigene Knie – als ginge es einfach nicht ohne Schlenker.

Miroslav Klose sind solche Umwege fremd, er versteht es, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. „Er ist ein Spieler, der in großen Spielen auf den Punkt hin fit ist“, sagte Bundestrainer Joachim Löw. Mit 36 Jahren und 12 Tagen ist Klose jetzt Deutschlands ältester WM-Torschütze. Doch der Stürmer kämpft bisher einen erfolgreichen Kampf gegen das Alter. „Ich bin fit, ich bin schnell“, sagte er. „So wie ich am Anfang mit meinem Körper umgegangen bin, das kommt mir jetzt zugute.“

Und trotzdem ist Miroslav Klose nun eine historische Figur des Weltfußballs. Kurz vor der Fußball-WM in Brasilien hat er mit seinem 69. Länderspieltor für die deutsche Nationalmannschaft den bisherigen Rekordtorschützen Gerd Müller übertroffen, jetzt hält er auch die Bestmarke bei Weltmeisterschaften. „Natürlich ist es schön“, sagte Klose. „Ich habe es ja des Öfteren betont, dass mich das reizt, dass mich das juckt, dass ich natürlich auch da
Nur Pelé und Uwe Seeler haben wie er bei vier WM-Endrunden getroffen. Ronaldo, Pelé, Gerd Müller, Uwe Seeler: Es ist eine illustre Gesellschaft, in der sich der frühere Bezirksligakicker von der SG Blaubach- Diedelkopf inzwischen bewegt.

Dabei wurde die historische Dimension seines Tores von der Macht des Moments fast vollständig absorbiert. Das Tor war aus sich heraus wichtig. Nicht weil es der Rekordtreffer war, sondern weil es die Deutschen vor einer Niederlage gegen Ghana bewahrt hatte. „Ehrlich gesagt, ist es mir ziemlich wurscht, dass es historisch war“, sagte Innenverteidiger Mats Hummels zu den Journalisten. „Es war wichtig für uns. Alles andere ist mehr so euer Ding."

Kloses Tor war einer der raren Lichtblicke an einem ernüchternden Nachmittag. Und es war zumindest ein kleiner Sieg für Joachim Löw, der stets die besondere Bedeutung seiner Einwechselspieler hervorgehoben hatte. Gegen Ghana zwang ihn der Spielverlauf, die Spezialkräfte Klose und Schweinsteiger einzusetzen. „Vermutlich haben Basti und Miro auch beim Gegner noch mal ein bisschen Eindruck geschunden“, sagte Hummels. „Wenn Schweinsteiger und Klose reinkommen, hätte ich als Ghana auch das Gefühl: Okay, da kann noch was passieren.“

Durch ihren Auftritt haben beide zumindest subtil den Anspruch hinterlegt, mehr zu sein als hochkarätige Einwechseloptionen – auch wenn Schweinsteiger schon nach 20 Minuten am Rande der körperlichen Erschöpfung zu stehen schien und Klose sich, wie er später sagte, nach zwei Sprints die Frage stellte: „Wo ist das Sauerstoffzelt?“ Trotzdem wurde der neue WM-Rekordtorschütze nach dem Spiel gefragt, ob er der Startelf nicht entscheidend nähergekommen sei. „Absolut nicht“, antwortete Miroslav Klose. „Ich seh’ das total entspannt.“ Auch das ist wahrscheinlich eine Frage des Alters.

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