WM 2014: Liebeserklärung an Miroslav Klose: Ein Satz wie 1000 Saltos
"20 Spiele, 15 Kisten ist schon nicht schlecht." Dieser Satz von Miroslav Klose war der viel bessere Salto und sagt mehr über den Sturm-Giganten aus, als er es selbst wohl beabsichtigt hat. Der Nationalspieler ist ein König der Bescheidenheit, aber auch der Allerschärfste.
Der Satz kam leise und bescheiden, wie es dem Charakter des Formulierers entspricht, aber auch so direkt wie ein überragend schnelles Tor. Und da Miroslav Klose diesen Satz gesprochen hat, kann man ihn gar nicht hoch genug einschätzen in seiner Bedeutung bei dieser Weltmeisterschaft in Brasilien. Denn wer wissen will, wer dieser Nationalspieler Miroslav Klose wirklich ist, der brauchte nur diesen einen Satz richtig verstehen - ein Satz so voll wie ein ganzer Roman.
Ein Mann mit Feingefühl für die Mannschaft
"20 Spiele, 15 Kisten ist schon nicht schlecht", sagte dieser Miroslav Klose also nach dem Spiel in ein Mikrofon der ARD und guckte dabei wie immer, völlig in sich, bei sich, ohne jede Emotion nach außen zu verraten. Und dabei verriet er doch alles, dieser Satz. Sachlich gesehen ist der Satz natürlich zunächst einmal nur richtig. Es geht darum, dass Klose nun den Brasilianer Ronaldo eingeholt hat und wie er 15 Tore bei Weltmeisterschaften erzielt hat. Darüber hinaus aber sagte der Satz das, was Klose niemals laut oder aggressiv, beleidigt oder wütend sagen würde: Nämlich dass er, Miroslav Klose, geboren 1978 im polnischen Opole, das Fußballspielen erlernt bei der SG Blaubach-Didelkopf, 36 Jahre, absolut der Allerschärfste ist. Ein wirklicher Gigant, ein Spieler, den es nicht mehr so schnell geben wird. Eine Ikone der Sachlichkeit, ein König der Bescheidenheit, ein Mann mit Feingefühl für das Große und Ganze, für die Mannschaft nämlich.
Und doch auch einer, der darauf hinweist: Ich bin da, ich kann das! Und wenn ihr wollt, dann lasst mich nur machen. Ihr habt's ja jetzt auch Schwarz auf Weiß, muss ich also nicht mehr viel dazu sagen: "20 Spiele, 15 Kisten ist schon nicht schlecht!"
Der Satz war sozusagen der bessere Salto, den Satz hat er leicht und locker gestanden, seine Bedeutung hat sich langsam, aber sicher in den Köpfen der Deutschen festgesetzt. Und natürlich wird nun völlig zu Recht darüber diskutiert, ob nicht dieser alternde Fußballspieler, den niemand einen Star nennen würde, weil es nicht zu ihm passt, beim nächsten Spiel möglichst wieder von Beginn an dabei sein sollte. So wie auch Bastian Schweinsteiger, auch einer, der Bescheidenheit und Demut zumindest im Laufe seiner Karriere gelernt hat, und nun auch das verkörpert, was Kevin-Prince Boateng an den Deutschen vermisst: Typen!
Angst vor zu kurzen Haaren
Im Sommermärchen, dem Film von Sönke Wortmann von der WM 2006, gibt es eine Szene, wo Klose die Haare geschnitten werden. Die Friseurin versucht, ein Gespräch mit dem Fußballer anzufangen, aber Klose ist schweigsam. Man muss die Szene ein paar Mal gucken, um festzustellen, dass Klose nicht wirklich schüchtern ist, nur höflich. Denn er hat Angst, dass die Frau zu viel abschneidet. Der Mann weiß schon sehr exakt, was er will.
Kloses Salto und sein danach lässig nach Deutschland hineingechippter Satz hat seinen Anspruch auf den Platz im Sturm ausgedrückt. Auf seine Art. Im asiatischen Kampfsport wäre Klose der alte, weise Meister, dem man Respekt entgegenbringt. Aber diese alten Meister sind niemals zu unterschätzen, denn sie beherrschen ihren Sport wie einen lange einstudierten Laufweg, quasi spirituell, mit offenen und geschlossenen Augen.
"20 Spiele, 15 Kisten ist schon nicht schlecht."