Berlins Olympiabewerbung: Michael Stiebitz: „Den Fischköppen zeigen wir’s“
Michael Stiebitz, der Präsident des Berliner Hockey-Clubs, klagt im Interview mit dem Tagesspiegel über Berlins träge Olympiabewerbung.
Herr Stiebitz, glauben Sie noch an Olympia in Berlin?
Selbstverständlich. Eine Olympiabewerbung, die der olympischen Idee und der Stadt Berlin entspricht, sollten wir hinbekommen. Wir müssen nur erst mal die Möglichkeit schaffen, uns zu bewerben.
Was ist dazu nötig?
Wir müssen die Leute emotional packen. Die Berliner müssen spüren, dass Olympische Spiele in ihrer Stadt toll wären. Sie müssen sagen: „Wenn Olympia in Deutschland, dann in Berlin. Wir wollen’s, und wir können’s.“ Das muss die Bevölkerung lernen. Oder man muss es ihr deutlicher sagen, als es bisher der Fall gewesen ist.
Wie sehen Sie den bisherigen Verlauf des Berliner Olympiagefühls?
Noch zu wenig. Ich glaube, den Berlinern, selbst den Sportlern, ist nicht richtig klar, worum es in den nächsten vier Wochen eigentlich geht: Wir müssen uns erst einmal gegen Hamburg durchsetzen, bevor wir uns über konkrete Konzepte unterhalten können. Wenn es uns nicht gelingt, den Leuten das klarzumachen, kann es locker sein, dass wir gegen Hamburg verlieren.
Was macht Hamburg besser als Berlin?
Die Hamburger haben eins von vornherein wesentlich besser begriffen: Es geht erst einmal um einen regionalen Wettbewerb, zunächst müssen wir Berlin schlagen. Dafür haben sie ihre Bevölkerung ganz anders sensibilisiert. Bei uns ist das eher in die Hose gegangen. Ich halte die Hamburger für arrogant, die Berliner sind großkotzig. Von wegen: Wir bewerben uns um die Olympischen Spiele. Das hat unser ehemaliger Regierender Bürgermeister ja auch so gesagt und damit vielleicht schon eine Menge kaputt gemacht.
Wenn der Hamburger dem Berliner eins auswischen kann, lässt er sich besonders leicht mobilisieren?
Ohne Frage. Und da müssen wir jetzt eine Trotzreaktion zeigen: „Denen zeigen wir jetzt mal, wo der Hammer hängt. Wir Berliner lassen uns doch von den Fischköppen, die ’nen Arsch voll Geld haben und eine perfekte Hochglanzbewerbung hinlegen, nicht unterkriegen.“
Reicht Ihnen das, was der Senat in der vorigen Woche vorgestellt hat?
Wir haben gerade eine zusätzliche Idee ins Leben gerufen, um die Bürger und die Sportler einzubeziehen – woran Sie sehen, dass mir das zu wenig ist. Das ist alles immer mehr oder weniger dasselbe.
Was setzen Sie dagegen?
Wir haben unsere Idee „Das lebende olympische Band“ genannt. Wir werden versuchen, in den nächsten Wochen unsere Banner an die Sportvereine, an den Handel auszugeben. Darauf können alle unterschreiben, die für Olympia in Berlin sind. Am 18. oder 19. Februar sollen die Banner vor dem Brandenburger Tor präsentiert werden. Das wäre dann eine Masse Mensch, die plakativ zeigt: Wir sind dabei. Das kann gerne ein bisschen berlinerisch sein: gut, aber nicht perfekt. Ein bisschen mit heißer Nadel gestrickt, dafür mit Herz.
Warum machen Sie das?
Mir liegt an der Geschichte. Ich fände es einen Traum, wenn Berlin solche Dinge fast selbst stemmt. Wenn ich mir den Etat für die Bewerbungskampagne anschaue: Im Vergleich zu Hamburg sind wir wirtschaftlich eine Null. Aber das ist doch charmant, das ist Berlin – und das ist vielleicht auch Olympia. Oder so sollte Olympia wieder sein. Weg von der Gigantomanie und der Korruptionskacke. Olympia ist Hochleistung, ist fairer Umgang miteinander, Multikultur.
Wie groß ist die Olympiabegeisterung in Ihrem eigenen Klub?
Unser Verein ist sehr stark durch Olympia und durch Erfolge bei Olympia geprägt. Trotzdem gibt es auch bei uns Kritiker. Ich finde das völlig richtig. Es ist ja ganz deutlich, dass es gewisse Entwicklungen gegeben hat, die man nicht unbedingt mittragen sollte. Allerdings wäre eine Bewerbung auch eine Riesenchance, etwas zu ändern. Sollten wir uns gegen Hamburg durchsetzen, wollen wir uns so bewerben, dass auch die dahinterstehen können, die jetzt noch sagen: Ist doch blöde.
Trifft Ihr Enthusiasmus im Berliner Sport auf die gewünschte Resonanz?
Wir haben gerade erst angefangen. Aber im Hockey haben die Wespen, Blau-Weiß und TuSLi sofort gesagt: „Ey super, können wir da mitmachen?“
Ist der aktive Sport in Berlin bisher nicht ausreichend eingebunden worden?
Ich will mich nicht als großer böser Kritiker aufspielen. Aber ich glaube, der Berliner Sport geht die Angelegenheit insgesamt viel zu sachlich an. Ein knappes Spiel gewinne ich auch durch mehr Leidenschaft. Aber emotional tut mir der Landessportbund ein bisschen zu wenig. Es ist ein Unterschied, ob ich 26 Flyer drucke oder mich auch mal auf den Wochenmarkt stelle, um zu sagen: „Olympia können wir besser.“ Bisher ist es nicht gelungen, die Sportler hinter die Idee der Spiele zu bekommen. Andererseits sollte der Sport auch eine gewisse Eigendynamik entwickeln. Viele große Spiele werden auch in den letzten fünf Minuten gewonnen.
Richtet sich Ihre Kritik auch gegen die handelnden Personen?
Wir müssen Bilder schaffen. Ich kann mich nicht erinnern, dass der oberste Vorturner mal mit Leidenschaft an die Öffentlichkeit getreten ist und Aussagen getroffen hat, die über das Organisatorische hinausgegangen sind. Die Politiker müssen sich auch mal trauen, die Situation in wenigen, emotionalen Sätzen aufzuzeigen. Die olympische Idee wieder leben, gemeinsam etwas entwickeln, das Rad vielleicht auch bewusst etwas zurückdrehen – dafür bietet sich doch gerade Berlin an. Nur fehlt mir da ein bisschen das Gesicht zu.
Wer könnte das sein?
Mit Gesicht meine ich kein Gesicht im Wortsinne. Bei unserer Idee geht es auch nicht darum, dass einer vorne steht und sagt: „Olympische Spiele in Berlin“. Und die anderen rufen: „Hurra, hurra, hurra!“ Das Gesicht muss die Stadt werden.
Aber was bringt Olympia dem Breitensportler, der in Lichtenberg in einer maroden Schulsporthalle Tischtennis spielt?
Olympia kann uns helfen, eine nachhaltige Sportinfrastruktur zu schaffen. Es würden schon vor den Spielen viele internationale Sportveranstaltungen in Berlin stattfinden, die Entwicklung der Trainer würde unterstützt werden müssen. Davon hätte auch der Tischtennisspieler aus Lichtenberg etwas. Seine Halle ist in Ordnung, die Infrastruktur funktioniert, es gibt tolle Spiele hier. Es geht darum, die Überlebensfähigkeit des Breitensports zu sichern. Dann wäre Olympia für die Stadt ganz sicher kein volkswirtschaftlicher Verlust. Genau das wollen wir nämlich nicht: dass Geld zum Fenster rausgeworfen wird. Wir wollen uns so bewerben, dass jedem vorher klar wird: Wir haben lange etwas davon – nicht nur vier Wochen Spaß.
Das Gespräch führten Stefan Hermanns und Friedhard Teuffel.
Weitere Infos zu Berlins Olympiabewerbung finden Sie auf unserer Themenseite. Und dass es gar nicht nur um Berlin geht, sehen Sie hier: "Berlins Olympia-Plan reicht von Rostock bis Wolfsburg."
Auch in der Arena am Ostbahnhof soll Olympia statfinden. Die Halle trägt nun einen neuen Namen. Mehr lesen Sie unter diesem Link.
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