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Das Strahlen des Siegers. Michael Jung und sein Erfolgspferd Sam
© dpa

Gold in der Vielseitigkeit: Michael Jung bringt deutsches Olympiateam zum Glänzen

Mit demselben Pferd wie vor vier Jahren kann Michael Jung seinen Olympiasieg von 2012 wiederholen.

Wenige Minuten nach seinem ersten Streich stand Michael Jung schon wieder da wie aus dem Ei gepellt. Kein Härchen lag schief auf dem Kopf des Vielseitigkeitsreiters aus Horb am Neckar, die ganze Körperhaltung strahlte konzentrierte Gelassenheit aus und die weiße gerippte Krawatte auf dem weißen Hemd wurde von einer weißen Nadel in Position gehalten. Dezent vorgetragene Selbstsicherheit, die sich auch in den Sätzen des 34-Jährigen wiederspiegelte. „Wir wussten vorher, dass wir drei gute Springer haben und haben die anderen unter Druck gesetzt. Mit einer Medaille haben wir schon geliebäugelt – und dass es nun ein Happy End mit Silber geworden ist, umso großartiger“, sagte Jung.
Das ultimative Highlight an diesem heißen Wintertag im Nordwesten von Rio de Janeiro sollte für ihn aber noch kommen: Das Einzel, das er vor vier Jahren in London gewonnen hatte. Um kurz vor drei Uhr war der Triumph von Greenwich dann wiederholt. Mit geballter linker Faust feierte Michael Jung die erfolgreiche Wiederholung mit seinem Wallach Sam. Und nach dem ersten deutschen Edelmetall bei diesen Spielen durch die Equipe der Buschreiter lag neben der silbernen nun auch noch eine goldene Medaille im Körbchen.
Mit einem fehlerfreien Ritt im abschließenden Springen distanzierte er den Franzosen Nicolas Astier und den Amerikaner Philipp Dutton. Jungs Können und seine Nervenstärke verzückten nicht nur Dennis Peiler. „Man darf ruhig das Wort ,historisch’ benutzen. Für ihn gehen die Superlative aus“, sprudelte es aus dem Sportchef beim Reitsportverband FN hervor. Michael Vesper dagegen wählte bei seinem Lob eher die kühle Funktionärssprache. „Großartig. Die Reiter haben wieder mal geliefert. Wie vor vier Jahren schon“, kommentierte der DOSB-Vorsitzende, als die Sportnation den Weg aus der Medaillenwüste gefunden hatte.

Jetzt darf Sam erstmal im Schwarzwald auf die Weide

Knapp zweieinhalb Stunden waren in diesem Moment seit dem Silberlauf der deutschen Reiter vergangen. Und nun stand der männliche Part des Quartetts am Rand des olympischen Reitstadions an einem Gitterzaun – und fand salbungsvolle Worte für sein zuverlässiges Pferd. „Sam ist fantastisch gesprungen, hat mir ein klasse Gefühl gegeben. Jetzt ist die ganze Anspannung weg, dieses Gefühl kann man nicht beschreiben“, sagte Jung. Und fügte mit seliger Miene hinzu: „Ich bin überglücklich über mein Pferd. Jetzt darf Sam erst mal auf seine Koppel im Schwarzwald. Denn das Gras hier schmeckt ihm nicht so gut.“ In Schwung gekommen waren der freundliche Pferdeflüsterer und sein tierischer Kompagnon schon am Vormittag. Nach dem furiosen Ritt mit Doppel-Weltmeisterin Sandra Auffarth, Ingrid Klimke und Julia Krajewski gewann der Doppel-Olympiasieger von London unverhofft noch Silber im Team-Wettbewerb. Ein klarer Motivationsschub für das Einzel – nach einem zähen Start in den Wettbewerb. Bei der ersten Prüfung, der Dressur, hatte er sich mit Sam einen schweren, vermeidbaren Fehler geleistet. „Ein Missverständnis“, kommentierte Jung. Der Ritt durch die grünen Hügel von Deodoro war dann grandios. Und sein 16 Jahre altes Pferd, das nur als zweite Wahl mit nach Brasilien gekommen war, leistete auch am Finaltag treue Dienste. „Er kam sehr gut aus der Box raus, ist voller Kraft und Energie. Deshalb bin ich auch sehr zuversichtlich für die zweite Runde“, betonte Jung – ehe er seinen ersten Platz nach dem Teamwettbewerb souverän verteidigte. Dabei waren die drei Tage im olympischen Vorposten Deodoro alles andere als einfach gewesen für die deutschen Reiter. Sportchef Peiler sprach von einer „Berg- und Talfahrt“ – an deren Ende die Sieger von Peking und London wieder oben ausgestiegen waren. Nicht ganz oben, Gold ging an die französische Equipe. Doch Bronzemedaillengewinner Australien und die Neuseeländer, nach der Geländeprüfung noch an der Spitze, hatten sie mit ihren furiosen Auftritten am Dienstag noch abgefangen. „Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, ich sei traurig über die Fehler der anderen gewesen“, räumte Jung ein. Die schwierigen Phasen der zurückliegenden Tage hatte er vorrangig mit Sam überbrückt. „Natürlich sprechen wir auch untereinander. Aber in erster Linie sind alle auf den Job und die Pferde konzentriert. Da musste jeder ein bisschen seine Ruhe haben“, erklärte er – nun als dreimaliger Olympiasieger.

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