Der Linksverteidiger aus dem eigenen Nachwuchs: Maximilian Mittelstädt drängt bei Hertha BSC nach vorne
Maximilian Mittelstädt gilt bei Hertha BSC schon lange als großes Talent. In dieser Saison hat er den Sprung zum Stammspieler geschafft.
Es ist nicht so, dass bei Maximilian Mittelstädt im Moment alles funktioniert. Neulich zum Beispiel spielte er den Ball hinaus auf die linke Seite, perfekt in den freien Raum und dem Außenverteidiger genau in den Lauf. Der Außenverteidiger passte scharf und flach in die Mitte – und traf Mitteltstädt so wuchtig am Standbein, dass dieser den Halt verlor und zu Boden stürzte. Der Außenverteidiger war Thomas Kraft, im normalen Leben Ersatztorhüter von Hertha BSC, und das Ganze spielte sich zu Beginn dieser Woche beim Training des Berliner Fußball-Bundesligisten ab.
Trainer Pal Dardai ließ die vermeintliche A-Elf gegen die Reservisten spielen. Die A-Elf gewann 3:0. Maximilian Mittelstädt, 21, erzielte die ersten beiden Tore, das dritte bereitete er so gekonnt vor, als hätte er nicht nur bis zu seinem 15. Lebensjahr als Zehner gespielt, sondern bis zum heutigen Tag.
Pal Dardai: "Wir sind sehr zufrieden mit ihm"
Im Moment läuft es ganz gut für Herthas U-21-Nationalspieler. Dass Mittelstädt im Training in der A-Elf steht und Marvin Plattenhardt, der WM-Teilnehmer des vergangenen Sommers, zu den Reservisten zählt, das ist schon längst keine Sensation mehr. Es wird wohl auch an diesem Samstag wieder so sein, wenn Hertha BSC im Olympiastadion (18.30 Uhr, live bei Sky) auf Werder Bremen trifft.
"Die Saison fühlt sich auf jeden Fall gut an", sagt Maximilian Mittelstädt. "Ich habe eine Fülle von Spielen gemacht, komm‘ immer besser rein und fühle mich mit jedem Einsatz sicherer." Wenn es eine Inkubationszeit gibt, in der man vom Nachwuchsspieler zum echten Profi wird, dann ist diese Inkubationszeit bei Mittelstädt irgendwann im vergangenen Sommer zu Ende gegangen. In dieser Saison hat er seine ersten Tore für Hertha erzielt – und schon jetzt kommt er auf mehr Bundesligaspiele (14) und Startelfeinsätze (10) als in den drei Spielzeiten zuvor jeweils am Saisonende. "Wir sind sehr zufrieden mit ihm", sagt Trainer Dardai. "Er muss jetzt einfach dran bleiben, fleißig sein und seine Form stabilisieren."
Bei Hertha haben sie schon immer eine Menge von dem Jungen aus dem eigenen Nachwuchs gehalten. Im letzten Spiel vor Pal Dardai, also vor ziemlich genau vier Jahren, stand Mittelstädt mit gerade 17 zum ersten Mal im Kader der Bundesliga-Mannschaft. Sein Werdegang kann als geradezu prototypisch für den Umgang Dardais mit Talenten aus der eigenen Akademie gelten. Der Ungar schmeißt die Spieler aus der Jugend nicht einfach ins Wasser, um mal zu schauen, ob sie überhaupt schwimmen können. Er lässt sie erst brav ihr Seepferdchen machen, bevor er sie den Härten des Männerfußballs ausliefert. "Die Vision, die wir mal von ihm hatten, hat Maxi maximal erreicht", sagt der Ungar. "Balleroberung, vertikales Spiel, das macht er sehr gut. Er ist kopfballstark, hat einen guten Schuss, flankt sehr gut und ist sehr diszipliniert."
Mittelstädt ist Stammspieler moderner Prägung
Mittelstädt hat sich auch von der vermeintlich aussichtslosen Position hinter Plattenhardt nicht entmutigen lassen. Herthas einziger deutscher Nationalspieler schien unantastbar, spielte eigentlich immer. Inzwischen ist das anders. Mittelstädt ist noch kein Stammspieler im klassischen Sinne; also einer, der immer von Beginn an spielt, bei egal welcher Taktik und gegen egal welchen Gegner. Wenn man allerdings davon ausgeht, dass im modernen Fußball der Stamm nicht nur aus elf Spielern besteht, sondern aus dreizehn oder vierzehn, dann darf sich Mittelstädt in dieser Saison sehr wohl als Stammspieler fühlen. Trotzdem sagt er: "Man kann sich nie sicher sein."
Doch dass Hertha den WM-Teilnehmer Plattenhardt im Sommer so penetrant als mögliches Verkaufsobjekt ins Schaufenster gestellt hat, konnte man durchaus als indirekte Wertschätzung für Mittelstädt verstehen: Wir trauen dir das zu. Und auffällig ist es schon, dass Dardai Mittelstädt nicht zuletzt gegen die großen Gegner von Anfang an hat spielen lassen: auf Schalke, zweimal gegen Bayern, beim Spitzenreiter Dortmund, gegen Leipzig und zuletzt beim Sieg über Gladbach. "Jedes Spiel ist gleich für mich", sagt Mittelstädt. "Weil mit jedem Spiel die Erfahrung wächst."
Seine Lieblingsposition? Linksverteidiger!
Defensiv hat sich Mittelstädt bereits deutlich verbessert. Trotzdem müsse er noch zulegen, sagt er selbst, auch körperlich. Und seinen rechten Fuß verbessern – obwohl er im Pokal gegen Bayern mit rechts zum 1:0 getroffen hat. Mittelstädt hat den Vorteil, dass er auf der linken Seite so gut wie jede Position besetzen kann: hinten in der Viererkette, im Mittelfeld bei einer Dreierkette und vorne in einer offensiven Dreierreihe. "Wenn ich mir eine Position aussuchen könnte, dann links hinten", sagt er. "Da fühle ich mich am wohlsten. Das ist meine Idealposition, weil ich es als meine Stärke betrachte, das Spiel von hinten nach vorne zu tragen. Ich kann aber auch nicht sagen, dass ich mich vorne links unwohl fühle."
Perspektivisch sind seine Chancen als Linksverteidiger wohl besser. "Wenn er hinten spielt, ist er ein bisschen mutiger", sagt Pal Dardai. "Er verteidigt nach vorne und geht mit Schwung in den Zweikampf – das ist sein Charakter."
Stefan Hermanns