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Tragende Säule. Mattéo Guendouzi (unten) hat erst sechs Spiele für Hertha BSC bestritten, ist aber schon ein wichtiger Faktor im Spiel der Berliner.
© dpa

Erst 21 und doch schon so wichtig für Hertha BSC: Mattéo Guendouzi ist Herthas Anführer

Manche glauben, dass der Aufschwung von Hertha BSC mit dem Mantel von Bruno Labbadia zu tun hat. Es liegt wohl eher an Mattéo Guendouzi und seiner Klasse.

Manchmal lassen sich komplizierte Dinge recht leicht erklären. Dass Hertha BSC im Moment zum Beispiel vergleichsweise erfolgreich spielt und – trotz starker Gegner – dreimal hintereinander nicht verloren hat. Zumindest glauben manche, dass sich das recht leicht erklären lässt. Mit dem sandfarbenen Kamelhaarmantel nämlich, den Herthas Trainer Bruno Labbadia in genau diesen drei Spielen getragen hat. Der Mantel ist weiterhin ungeschlagen.

Natürlich ist das eine recht naive Sicht auf die Dinge. „In erster Linie macht’s die Mannschaft“, hat Labbadia nach dem 1:1 beim Champions-League-Achtelfinalisten Borussia Mönchengladbach gesagt. „Das hat mit dem Mantel nichts zu tun.“ Genauso gut könnte man Herthas aktuelle Erfolgssträhne auf das Mitwirken von Mattéo Guendouzi zurückführen. Auch das wäre eine sehr verkürzte Darstellung. Der Realität aber käme sie deutlich näher.

Anfang Oktober hat Hertha den 21 Jahre alten Mittelfeldspieler vom FC Arsenal ausgeliehen; Anfang November stand er erstmals auf dem Platz – und seitdem hat Hertha in der Fußball-Bundesliga von sechs Spielen nur noch eins verloren. Ohne Guendouzi holte die Mannschaft 0,6 Punkte im Schnitt, mit ihm 1,5.

Auch wenn solche statistischen Werte nicht zuletzt wegen der geringen Datenbasis nicht überhöht werden dürfen: Guendouzi, der Kapitän der französischen U-21-Nationalmannschaft, tut Hertha gut. „Für uns ist er schon sehr, sehr wertvoll“, sagt Labbadia. „Wir sind froh, dass wir ihn verpflichten konnten.“

Es ist ein bisschen paradox: Die Rolle, die jetzt Guendouzi bei Hertha BSC einnimmt, war eigentlich für seinen Landsmann Lucas Tousart vorgesehen, für den die Berliner mehr Geld (25 Millionen Euro) ausgegeben haben als für jeden anderen Spieler zuvor. Doch während Tousart mit der neuen Umgebung noch fremdelt, ist Guendouzi ohne Anlaufzeit zu einem wichtigen Faktor bei Hertha geworden.

Hertha hofft, Guendouzi über due Saison hinaus verpflichten zu können

Dass er am Samstag in Mönchengladbach auch noch sein erstes Bundesligator erzielt hat, als er mit einem Schlenzer von der Strafraumgrenze zum 1:0 traf, das ist vor allem ein angenehmer Nebeneffekt. „Es ist nicht unbedingt seine Spezialität“, sagt Labbadia. „Aber wie er das gemacht hat, das war klasse. Das zeigt einfach seine Technik.“ Guendouzi ist bisher in der Tat nicht als Torjäger aufgefallen. In knapp 120 Spielen als Profi hatte er zuvor nur ein einziges Mal getroffen, im Oktober 2018 in einem Europa-League-Spiel für Arsenal gegen Qarabag Agdam.

Der junge Franzose hat andere Qualitäten, die für Herthas Mannschaft wichtig sind. Er ist extrem ballsicher, dadurch für seine Mitspieler jederzeit anspielbar, spielintelligent und griffig in den Zweikämpfen. Gegen die Gladbacher brachte Guendouzi 92 Prozent seiner Zuspiele an den eigenen Mann und gewann 56 Prozent seiner Zweikämpfe. Von allen Defensivspielern seines Teams kam nur Innenverteidiger Dedryck Boyata auf eine bessere Quote (57 Prozent). „Er ist ein sehr, sehr guter Fußballer, der ein gutes Raumgefühl hat und technisch sehr stark ist“, sagt Labbadia.

Darüber hinaus hat Guendouzi eine andere Haltung in Herthas Mannschaft gebracht. Sein Ehrgeiz ist offenkundig. Trainer Labbadia hat bei ihm das Gewinner-Gen entdeckt, das dazu führt, dass Guendouzi jedes Spiel gewinnen will, selbst im Training, und sei es noch so unwichtig. „Das überträgt er“, sagt Labbadia. „Das ist schon mal sehr gut.“

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Und so ist Mattéo Guendouzi trotz seines fast noch jugendlichen Alters zu einem Anführer auf dem Platz geworden, der Hertha in einer ergebnistechnisch schwierigen Phase entscheidend hat helfen können. „Mattéo ist jemand, der null Berührungsängste hat“, sagt Labbadia. „Obwohl er noch jung ist, gibt er Anweisungen. Ob er die Sprache spricht, interessiert ihn gar nicht.“

Die Frage ist, wie sinnvoll es für Guendouzi wäre, seine Energie in die Verbesserung seiner Deutschkenntnisse zu stecken. Herthas Leihvertrag mit dem FC Arsenal endet bereits nach dieser Saison. Dass die Berliner an einer Ausweitung der Zusammenarbeit interessiert sind, dürfte schon nach wenigen Wochen klar sein.

Anders als noch bei Marko Grujic sind vermutlich auch die finanziellen Mittel vorhanden, zudem scheint es für Guendouzi unter dem aktuellen Trainer Mikel Arteta keine Zukunft bei Arsenal mehr zu geben. Und trotzdem bleibt eine entscheidende Unwägbarkeit: die nämlich, wie gut Mattéo Guendouzi in den kommenden Monaten noch werden kann. Und werden wird.

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