Die Olympiasiegerin im Interview: Mariama Jamanka: "Die Zeit fehlt mir im Eiskanal"
Die Berliner Olympiasiegerin Mariama Jamanka über den Rummel um ihre Person, ihre Zukunft im Hörsaal und die Aussagen von Stefan Kretzschmar.
Frau Jamanka, in diese Saison sind Sie ohne Weltcup-Sieg gestartet. Nun haben Sie schon drei Rennen gewonnen und sind Europameisterin geworden. Fällt seit dem Olympiasieg 2018 vieles leichter?
Ich fahre jetzt nicht besser, bloß weil ich Olympiasiegerin bin, sondern weil ich einfach ein Jahr länger Bob fahre. Der Olympiasieg war der Abschluss einer bis dahin wirklich erfolgreichen Saison, mehr nicht. Es ist eher so, dass man von Jahr zu Jahr einfach besser wird, mehr Erfahrung sammelt.
So einfach ist das?
Die Athletik und die Startzeiten passen in diesem Jahr ganz gut, die Schlitten laufen super. Dazu kommt mit Martin Putze ein neuer Trainer, mit dem die Zusammenarbeit hervorragend klappt.
Was hat sich seit Olympia noch verändert?
Der Rummel ist deutlich größer geworden. Es sind viele Termine hinzugekommen, das habe ich vielleicht etwas unterschätzt. Die Zeit fehlt dann wiederum im Eiskanal und ich hatte das Gefühl, dass ich mit einem Trainingsdefizit in die Saison gestartet bin. Andererseits freut man sich über jede Aufmerksamkeit, die man erfährt. Es ist ja wirklich nicht normal, dass sich die Leute so fürs Bobfahren interessieren.
Wie schaffen Sie es, den Druck, der nach großen Erfolgen aufkommt, von sich fernzuhalten?
Die Erwartungshaltung von außen ist sicher höher als meine eigene. Ich sage mir, dass der Olympiasieg nicht bedeutet, dass ich nun jedes Rennen gewinnen muss und werde. Das wird nun mal nicht passieren im Sport. Da gewinnt man mal und verliert, das ist immer so. Ich sehe mich nicht in dem Zwang, jetzt alles gewinnen zu müssen.
Das klingt nachvollziehbar – aber fällt es Ihnen tatsächlich so leicht?
Ich bin froh, dass mein Trainerteam damit auch ganz entspannt umgeht, das hilft.
Olympiasiegerinnen sind auch Vorbilder. Inwiefern sind Sie sich dieser Rolle bewusst?
Als Sportlerin hat man immer eine gewisse Vorbildfunktion. Man kann sich eben in manchen Situationen nicht so benehmen, wie eine unbekannte Privatperson das vielleicht könnte. Das ist auch völlig in Ordnung so. Ich habe immer versucht, mich angemessen zu verhalten, einen guten Umgang mit anderen Menschen zu pflegen und das soll auch so bleiben.
Verfolgen Sie die Handball-WM?
Grundsätzlich schon, aber ich muss gestehen, dass die letzten Tage ein bisschen an mir vorbeigegangen sind. Ein Spiel anzuschauen, schaffe ich derzeit aus zeitlichen Gründen leider nicht.
Sind Sie auch auf dem Kurznachrichtendienst Twitter aktiv?
Ja, ich bin dort aktiv – es ist aber nicht mein bevorzugter Social-Media-Kanal.
Über welchen Kanal haben Sie denn die Empörung über Handball-WM-Botschafter Stefan Kretzschmar mitbekommen?
Zunächst habe ich gar nichts mitbekommen, das Thema ging an mir vorbei.
Kretzschmar argumentierte, dass man abseits der „politischen Mainstream-Meinung“, worunter er unter anderem Toleranz für geflüchtete Menschen und das Einsetzen für eine bunte Gesellschaft versteht, nichts mehr sagen dürfe. Und Profisportler würden sich heutzutage deshalb kaum noch politisch äußern, weil sie dann „eins auf die Fresse“ kriegen würden.
Ich verstehe schon, was er damit sagen möchte. Mit solchen Themen als Sportler umzugehen und sich zu positionieren, ist schwierig. Man ist eine Person des öffentlichen Lebens, man ist aber auch gleichzeitig Privatperson. Als Privatperson hat man natürlich seine Meinung.
Ist es dann nicht erst recht die Aufgabe von Sportlern, ihre Popularität zu nutzen?
Das sollte jedem selbst überlassen sein, ob er seinen Namen für etwas nutzt oder nicht. Sich für etwas zu engagieren heißt immer, Kontroversen auszulösen. Ich kann auch für eine Kampagne sein, die Tierheime unterstützt, und trotzdem würde mich dafür garantiert jemand blöd anmachen. Da muss man sich entscheiden: Möchte ich diese Aufmerksamkeit? Oder möchte ich mich – wenn ich schon eine Person des öffentlichen Lebens bin – einfach nur auf den Sport reduzieren lassen und auch nur über diesen einen Aspekt von mir in den Medien lesen?
Welchen Weg halten Sie für den richtigen?
Ich glaube, dass es viele unangenehm finden, wenn sie im Mittelpunkt einer Diskussion stehen. Wenn Sportler sich engagieren und ihre Stimme erheben – wie Robert Harting in der Vergangenheit –, ringt mir das höchsten Respekt ab. Aber es gehört für mich nicht zu den Pflichten.
Sie haben angekündigt, 2022 Ihre Karriere beenden zu wollen. Dass es doch noch weitergeht, schließen Sie aus?
Dass ich mir diesen Schlusspunkt gesetzt habe, ist mir wichtig, auch wenn man nie weiß, was noch alles passieren kann. Diese Entscheidung fiel übrigens schon lange vor Olympia 2018.
Warum so weit im Voraus?
Ich habe gesehen, dass viele Sportler das perfekte Ende verpasst haben, um aufzuhören. Dass ich irgendwann als Sportler aufs Abstellgleis komme, will ich gerne vermeiden. Und es gibt ja ein Leben nach dem Sport.
Wie wird das bei Ihnen dann aussehen?
Ich werde zu meiner Familie nach Berlin zurückkehren – und mit dann 31 Jahren wahrscheinlich Studentin sein. Da weiß ich jetzt schon, dass das komisch wird.
Und was wollen Sie studieren?
Momentan sieht es sehr nach Psychologie aus, das interessiert mich sehr. Wenn ich da dann mit 31 sitze und die ganzen 18-Jährigen im Hörsaal um mich herum habe, komme ich mir vielleicht ein bisschen blöd vor. Aber gut, da muss ich dann halt auch durch.
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