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Auf dem Weg nach oben. In Andorra-Arcalis radelte sich Jan Ullrich 1997 in die Herzen der Deutschen.
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Jan Ullrich - 20 Jahre nach Andorra: Manchmal tut Liebe weh

Jan Ullrich stieg vor 20 Jahren bei der Tour de France zum deutschen Sporthelden auf. Später folgte der tiefe Fall. Wie gehen wir mit seiner Biografie heute um? Ein Kommentar.

Vor 20 Jahren stürmte Jan Ullrich in Andorra-Arcalis ins Gelbe Trikot bei der Tour de France – und damit in die Herzen von so vielen von uns daheim in Deutschland. Fortan litten wir mit ihm wahlweise an Frühjahrslustlosigkeit oder hartnäckigem Übergewicht und mochten wie er partout kein Regenwetter. „Ulle“ war einer von uns. Ein Profisportler, der wie der junge Mann von nebenan daherkam. In den folgenden Sommern zitterten wir mit ihm und seinem Telekom-Express und hatten den ganzen Juli über nichts Besseres zu tun, als vor dem Fernseher Radfahrern bei den Versuchen zuzusehen, hohe Berge in einem Höllentempo zu erklimmen oder Stürzen bei noch höllischerem Tempo zu entgehen.

Nach seinem Tour-Sieg 1997 war Ullrich prädestiniert für weitere Erfolge. Doch stattdessen wurde er in den folgenden Jahren immer wieder geschlagen von der unbarmherzigen Mensch-Maschine Lance Armstrong. Und doch blieb „Ulle“ einer von uns, weil keiner so schön leiden konnte und das kleine Bäuchlein, dass er noch zuverlässig zu jedem Tour- Start mitbrachte, spätestens in Paris verschwunden war.

So hätte Jan Ullrich in die Geschichte eingehen können, als sympathischer Champion, der Großes geleistet hat, sich selbst aber oft im Wege stand, noch Größeres zu erreichen. Doch seine Karriere nahm eine unappetitliche Wendung – eine wie sie damals typisch war für Profiradsportler. Zunächst wollten wir es nicht glauben, dass unser „Ulle“ mit Doping nachgeholfen haben könnte. Und es gibt auch heute noch genügend Menschen, die es so sehen wie Ullrich selbst, der immer sagte: „Ich habe niemanden betrogen“. So ist sein Vermächtnis nun nicht das eines großes deutschen Sporthelden, sondern eines vermeintlichen Betrügers, der nicht reinen Tisch machen mag und damit der Sache schadet, die er so liebt.

Doch was hat Ullrich mit uns gemacht? Denken wir heute an 1997 zurück, so kommt Wehmut auf. Es ist wie der Gedanke an eine Jugendliebe. Das Herz sticht ein wenig, wenn wir an „Ulle“ denken. Aber selbst wenn die Beziehung zwischen ihm und uns nicht glücklich endete, ist es jetzt vielleicht an der Zeit, vergeben zu können. Schließlich hat jeder Mensch eine zweite Chance verdient. Und wer weiß: Vielleicht geht Jan Ullrich ja einen Schritt auf uns zu?

Jörg Leopold

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