Formel 1 am Hockenreimring: Magie bringt keine Moneten
Die Formel-1-Strecke muss um eine Zukunft in der Rennserie kämpfen. In diesem Jahr halfen glückliche Umstände, das Rennen nach Hockenheim zu holen.
Diesmal kommt das Ende wirklich, darüber sind sie sich auch im Büro des Geschäftsführers einig. An einem breiten Schreibtisch unter der Haupttribüne am Hockenheimring sitzt eben jener, Georg Seiler nämlich, Motorsportliebhaber, Ur-Hockenheimer, Macher. „Es sieht nicht gut aus“, sagt Seiler, 66, gleich zu Beginn des Gesprächs, in dem es um die Zukunft des Rennsports in der nordbadischen Renngemeinde gehen soll.
Schon vor dem Grand Prix 2018 hieß es, dass die Formel-1-Lichter in Hockenheim wohl ausgehen werden. Nun, ein Jahr später, gastiert die sogenannte Königsklasse des Motorsports trotzdem wieder in Hockenheim. Wieder soll es, glaubt man Experten, Fachjournalisten und Fans, eine Abschiedsvorstellung für die Formel 1 in Deutschland werden. Oder kommt doch nochmal alles ganz anders?
Seiler blickt von seinem breiten Apple-Computer auf. Fragen nach dem Ende der Formel 1 in Hockenheim hat er in den vergangenen Tagen und Wochen häufiger gehört. Vielleicht sieht er die Lage auch deshalb doch nicht ganz so dramatisch. „Ich würde nicht sagen, dass es stetig bergab geht, wir haben unsere Stammfans am Hockenheimring“, sagt Seiler. Er bläst Zigarillorauch aus seinem Mund, den ein stattlicher Schnauzer ziert.
Seiler ist überhaupt ein stattlicher Mann, der am linken Handgelenk auch noch eine stattliche Uhr trägt. Genauso unverrückt wie deren Zeiger ticken, antwortet Seiler auch. „Wenn Rennstrecken da sind, die andere Preise bezahlen können, dann ist es so“, sagt er. Punkt.
GmbH kann Preise nicht bezahlen
Die Hockenheimring GmbH, der Seiler vorsteht, kann diese Preise – mindestens 40 Millionen Euro aufwärts – nicht bezahlen. Längst stellt man sich daher breiter auf. Open-Air-Konzerte und kleinere Events sorgen für eine gute Auslastung, die Hockenheimring GmbH ist stabil.
Betteln gehen für die Formel 1, nein, das wolle er nicht, sagt Seiler deshalb in seinem trockenen kurpfälzischen Dialekt. Betteln gehen, das hieße, neue Mittel von der Stadt Hockenheim abzufragen – die „verständlicherweise“ (Seiler) nicht mehr fließen werden. Auch vom Land – der grüne Ministerpräsident wird an diesem Wochenende (einmal mehr) nicht in Hockenheim erwartet – darf Seiler auf keinerlei Unterstützung hoffen.
In diesem Jahr halfen Seiler ein paar glückliche Umstände, das Rennen zum 1250. Geburtstag der Stadt erneut nach Hockenheim zu holen. Miami konnte doch kein Rennen austragen, Mercedes übernahm die Titelsponsorschaft in Hockenheim. Die daraus resultierenden Einnahmen befähigten die Eigner von Liberty Media, den Rennstreckenbetreibern bei der Antrittsgage entgegenzukommen. Doch wie sieht es künftig aus?
Hinter Seiler an der Wand hängen drei große Bilder, sie zeigen wie viel Raum der Hockenheimring zwischen Autobahn und Waldgebiet einnimmt, seit 1932 schon. Ein bisschen wirkt es so, als sei auch Seiler schon so lange da. Aber es sind erst 41 Jahre, die letzten 28 Jahre hat er als Geschäftsführer verbracht. Jetzt kommt das Ende – für Seiler, nicht für den Ring. Jorn Teske und Jochen Nerpel werden ihn am 1. September ablösen. Seiler darf am Sonntag noch den Pokal für den Zweitplatzierten überreichen, dann war es das. „Wir machen unseren ganz normalen Ablauf“, sagt Seiler, der am Sonntag – wenn es gut läuft – 65.000 Fans erwartet.
Für Vettel wäre es eine "Schande"
Überschwängliche Gefühle sind Seilers Sache nicht, lieber nennt er Fakten, auch was die Aussichten der neuen Hockenheimer Führung auf eine Fortsetzung des Rennens betrifft. Seiler zählt auf: dass noch keine Renntermine für die nächste Formel-1-Saison bestätigt worden sind; dass Hanoi und Zandvoort neu in den Rennkalender aufgenommen wurden; dass der Rennkalender weiter 21 Rennen umfasst – und ergo alte Strecken für die neuen weichen müssen. „Es wäre eine Schande, dieses Rennen zu verlieren, es ist einer der Klassiker“, hatte Sebastian Vettel schon im letzten Jahr gesagt. „Hier herrscht eine magische Atmosphäre“, findet Nico Hülkenberg, der zweite deutsche Fahrer.
Aber Magie bringt keine Moneten, die woanders aus prestigeträchtigen oder politischen Gründen eben in größerem Umfang vorhanden sind. Für die Hockenheim-Führung ist schon eine Million Euro für die Instandhaltung des Rings viel Geld. Klar sei aber auch, dass der Standort Hockenheim „für Deutschland und die Formel 1 wichtig ist“, sagt Teske, der weitere Verhandlungsrunden ankündigt. „Warme Worte haben wir genug gehalten“, nun sei ein runder Tisch nötig. „Ich möchte nicht, dass es nun heißt: Endgültiges Aus.“
Teske gibt sich kämpferisch. Es wird, daran lässt er keinen Zweifel, irgendwie schon weitergehen mit Hockenheim und der Formel 1. Nur Schnauzbart und Zigarillos werden dann fehlen.