Hertha BSC: Lukas Klünter: 10,6 Sekunden für die Außenbahn
In Mönchengladbach gibt Lukas Klünter sein Startelfdebüt für Hertha. Sein Tempo kann ein Trumpf sein.
In der 82. Minute des Pokalspiels gegen Bayern München zog Pal Dardai Lukas Klünters Kopf ganz eng an den eigenen heran und guckte dem 22-Jährigen tief in die Augen. Danach sprintete Klünter los, von der einen Seitenlinie zur anderen, wo er sich auf dem rechten Flügel einfand. Dieser Sprint hatte etwas befreiendes. Klünter wirkte wie von der Leine gelassen. Und wie einer, der monatelang auf seine Chance warten musste. 38 Minuten stand Klünter am Mittwoch für Hertha auf dem Feld. Das waren 37 Minuten mehr als Klünter bislang in der Liga zum Einsatz kam.
So schnell wie Klünter die 68 Meter bis zur rechten Außenbahn zurücklegte, ging es für ihn bei Hertha BSC bisher noch nicht voran. Im Sommer wechselte er vom Absteiger aus Köln nach Berlin. Klünter fügte sich mit seinem Alter nahtlos in die Riege der jungen, talentierten Profis ein, auf die Hertha unter Pal Dardai verstärkt setzt. Da Rechtsverteidiger Mitchell Weiser fast zeitgleich zu Bayer Leverkusen wechselte, schien Klünter der prädestinierte Nachfolger für diese Position zu sein.
Der Grund dafür, dass er das bisher nicht wurde, war ursprünglich deutlich offensiver eingeplant. „Er hat Pech, dass ich Valentino Lazaro zum Rechtsverteidiger umgeschult habe“, sagte Pal Dardai im November. Bis in den Februar hinein hat sich an der Konstellation nichts geändert. Lazaro verpasste bislang keine einzige Bundesliga-Minute, an dem Österreicher gab es kein Vorbeikommen. Erschwerend kam für Klünter hinzu, dass er sich im November einen Muskelbündelriss im Oberschenkel zuzog und erst im Januar wieder ins Training einsteigen konnte.
"Er kann über 40 Meter sprinten und ist dann kaum zu halten"
Die fünfte gelbe Karte, die sich Lazaro bei der Heimniederlage gegen den VfL Wolfsburg einhandelte, setzt ihn nun aber außer Gefecht für das Auswärtsspiel an diesem Samstag bei Borussia Mönchengladbach (15.30 Uhr, live auf Sky). Mit Peter Pekarik fällt ein weiterer Rechtsverteidiger verletzt aus. Deshalb wird Lukas Klünter von Anfang an für Hertha auflaufen dürfen, darauf legte sich Pal Dardai bereits fest. Es wäre erst sein zweiter Liga-Einsatz, nachdem Klünter im September in Wolfsburg in der Nachspielzeit eingewechselt wurde.
„Im Training hat er einen Schritt nach vorne gemacht. Auch beim Testspiel gegen Eintracht Braunschweig hat er eine gute Leistung gezeigt“, sagt Pal Dardai. Man könne von Klünter aber nicht sofort ein fehlerfreies Spiel erwarten. „Er ist ein junger Spieler, der sich noch entwickeln kann und Potenzial hat.“
Auch im technischen Bereich hat Klünter noch Verbesserungsbedarf. 2014 wechselte er vom Bonner SC in die A-Jugend der Kölner. Eine Ausbildung in einem Nachwuchsleistungszentrum eines Bundesligisten genoss er deshalb nicht. „Deshalb hat mir auch noch einiges gefehlt und das tut es immer noch, gerade im technischen Bereich“, sagte er nach seinem Wechsel nach Berlin. In Köln habe er nach dem eigentlichen Training Überstunden eingelegt, um die spielerischen Defizite auszumerzen.
Die große Stärke Klünters ist das Tempo. Die 100 Meter läuft er in 10,6 Sekunden, Pal Dardai bezeichnet ihn als den schnellsten Spieler des Teams. „Er kann über 40 Meter sprinten und ist dann kaum zu halten.“ Wie kurz nach seiner Einwechselung gegen die Münchner. Da jagte Klünter einem Steilpass von Davie Selke hinterher, drang dank seines Tempos in den Strafraum ein und gab den dritten Berliner Torschuss der Partie ab, den Sven Ulreich aber entschärfte.
Klünter sei von seinem Naturell eigentlich „ein Angreifer“, sagt Dardai. Für den 1. FC Köln lief er zweimal als Mittelstürmer auf und traf dabei einmal. Gegen Gladbach müsse der Fokus der Berliner, die mit 120 anstrengenden Pokal-Minuten in den Knochen anreisen, aber vor allem auf der Verteidigungsarbeit liegen. Denn der Tabellenzweite, der unter der Woche nicht im Pokal spielte, könnte Hertha mit seinen schnellen Spielern wie Thorgan Hazard vor allem im Umschaltspiel gefährlich werden. Zuhause ist die Borussia außerdem extrem stark. Sie gewann jedes ihrer neun Heimspiele.
Sollten die Berliner bei der Borussia leer ausgehen, würden die Europapokal-Plätze in weitere Ferne rücken. „Ich habe nie über die Europa League gesprochen“, entgegnet Pal Dardai. Dennoch würden er und seine Mannschaft wie „bei jedem Spiel“ nicht für einen Punkt, sondern zum Gewinnen antreten. Im Gegensatz zu den bisherigen 20 Bundesliga-Spielen wird nun auch Lukas Klünter dabei helfen dürfen.
Louis Richter