zum Hauptinhalt
Bilder aus dem Relegations-Album. Jos Luhukay (l.) und Dieter Hecking (r.) trafen schon mit Uerdingen und Verl in der Regionalliga aufeinander, 2010 verwehrten Heckings Nürnberger Luhukays Augsburgern den Aufstieg. Heute duellieren sie sich im Olympiastadion.
© Imago

Hertha gegen Wolfsburg: Luhukay und Hecking: Generation Trainingsanzug

Hertha-Trainer Jos Luhukay und sein Wolfsburger Kollege Dieter Hecking haben ihre Klubs geerdet und zum Erfolg geführt. Am Sonntag treffen sich die Teams zum Verfolgerduell im Olympiastadion.

Jos Luhukay schiebt seine Schirmmütze in den Nacken. Er muss überlegen und krabbelt sich an der Stirn. So ganz genau wisse er es nicht mehr, aber es müsse wohl eine halbe Ewigkeit zurückliegen, dass er Dieter Hecking das erste Mal über den Weg gelaufen ist. „Ich glaube, es war 2000 oder 2001; Dieter war damals Trainer in Verl und ich beim KFC Uerdingen“, sagt Luhukay, „das war in der Regionalliga Nord – mein Gott, ist die Zeit vergangen.“

Wenn sich die beiden Fußballtrainer heute im Olympiastadion (17.30 Uhr, live im Ticker bei Tagesspiegel.de) mal wieder gegenüberstehen, tun sie das mittlerweile auf höchstem Niveau. Luhukay trainiert seit 2012 Hertha BSC, Hecking seit 2013 den VfL Wolfsburg. Es ist das Spiel um Rang sechs, einen Europa-League-Platz. Doch Jos Luhukay und Dieter Hecking verbindet mehr als nur die Anstellung bei einem Bundesligisten. „Unsere Werdegänge haben einen ähnlichen Charakter“, sagt Luhukay. Der Weg hat sie von ziemlich weit unten nach ziemlich weit oben geführt, eher still als heimlich, vor allem aber mit akribischer Arbeit und durch Leistung. Genau das hat sie für ihre heutigen Arbeitgeber prädestiniert.

Beide Vereine sind 1997 gemeinsam in die Bundesliga aufgestiegen, beide Klubs haben seitdem wechselhafte Zeiten durchlebt. Der VfL, mit den VW-Millionen im Kreuz, wurde zwischendrin mal Deutscher Meister (2009), während Hertha, nach einem Schnupperkurs in der Champions League, vor allem durch zwei Abstiege (2010 und 2012) durchgeschüttelt wurde. Beide Vereine haben sich wieder gefangen. Und das wird nicht zu Unrecht ihren aktuellen Trainern zugeschrieben.

Luhukay und Hecking: Unprätentiös, fleißig und uneitel

Luhukay und Hecking mögen in der Bundesliga nicht die prominentesten Namen haben. Sie taugen eher nicht als Werbefiguren wie Jürgen Klopp oder Joachim Löw, es umgibt sie auch nicht das Charisma der großen, weiten Welt, und vom Glück geküsst wie Pep Guardiola sind sie auch nicht. Sie zählen eher zur Generation Trainingsanzug, was weniger modisch gemeint ist, sondern eher metaphorisch – als Ausdruck ihres Arbeitsethos’. Luhukay und Hecking: Sie sind unprätentiös, fleißig und uneitel.

Das ist bemerkenswert, weil die Fußballstandorte Wolfsburg und Berlin durchaus einen Hang zum Glamour haben. Luhukays Anstellung nach dem zweiten Abstieg innerhalb von zwei Jahren wurde keineswegs hymnisch bejubelt. Bei Hecking war es vor etwas mehr als einem Jahr ähnlich. Während Sportchef Klaus Allofs an der Verpflichtung des damals noch beim 1. FC Nürnberg angestellten Trainers werkelte, wurde in den Medien vor allem über Bernd Schuster spekuliert, der seinen Glanz jedoch vor allem seiner Zeit als Profi verdankt. Am Ende entschied sich Allofs gegen den Glamourfaktor. Und das hat dem VfL erkennbar gut getan. Die Mannschaft spielt einen gut organisierten und klar strukturierten Ball. Wie eigentlich alle Teams von Dieter Hecking bisher.

Hinter Hecking (Jahrgang 1964) und Luhukay (Jahrgang 1963) liegt ein ähnlicher Weg. Beide waren Profis und haben es trotz erkennbarer Begabung nicht dauerhaft aufs höchste Niveau geschafft. Zu gerade zwei Bundesligaspielen hat es bei Jos Luhukay gereicht, Hecking kommt auf 36. In der Zweiten Liga waren beide deutlich besser aufgehoben. Anschließend wechselten sie ins Trainerfach und starteten im Amateurbereich ihre zweite Karriere.

„Gerade im Fußball vergehen die Jahre schnell“, sagt Luhukay. „Wir haben beide immer wieder den nächsten Schritt gemacht.“ Hecking hat es von Verl über Lübeck, Aachen, Hannover, Nürnberg nach Wolfsburg verschlagen. „Für mich war dieser Weg sehr lehrreich und wichtig“, sagt Hecking. Jos Luhukay ist nach Stationen in Uerdingen, Paderborn, Mönchengladbach und Augsburg in Berlin gelandet.

Beide haben sich von Station zu Station entwickelt

„Hinter uns liegt ein langer Weg“, sagt Luhukay. Er sehe das positiv, schließlich hätten beide den Beruf von der Pike auf gelernt. Ein markanter Zwischenstopp auf dem Weg nach oben waren die Relegationsspiele im Mai 2010. Hecking betreute den 1. FC Nürnberg, der sich gegen den aufstrebenden Zweitligisten FC Augsburg unter Luhukay behaupten konnte.

Man tut den beiden Trainern nicht weh, wenn man ihrem Wirken eine gewisse Bodenständigkeit unterstellt. Beide arbeiten frei von Allüren, erledigen ihren Job beharrlich, ruhig und menschlich. Und beide haben sich von Station zu Station entwickelt.

Hecking sagt von sich, dass er immer noch dazulernen wolle, Englisch zum Beispiel, um auch mit den Spielern in seiner Mannschaft besser kommunizieren zu können, die des Deutschen nicht mächtig sind. „Dieser Drive darf nicht verloren gehen“, sagt Hecking.

Diese Eigenschaften haben sich zwei Vereine zunutze gemacht, die sich bisweilen weiter wähnten als sie waren. Hecking und Luhukay haben ihre neuen Klubs erst einmal geerdet – durch die Konzentration aufs Wesentliche, das Kerngeschäft Fußball. Für den ganzen Schnickschnack drumherum sind beide nicht zu haben.

Stefan Hermanns, Michael Rosentritt

Zur Startseite