Borussia Dortmund gegen 1. FC Union: Lucien Favre trifft auf seinen Schüler
Im DFB-Pokal stehen sich am Mittwoch Urs Fischer und Lucien Favre gegenüber. Was Union-Trainer vom Dortmunder unterscheidet, ist offensichtlich.
- David Joram
- Sven Goldmann
Urs Fischer musste ein bisschen schmunzeln. Der Trainer des Berliner Zweitligisten 1. FC Union wurde am Dienstag nicht nur zu den Aussichten im DFB-Pokalspiel bei Borussia Dortmund gefragt („Wir haben nichts zu verlieren, aber Dortmund ist haushoher Favorit“) – sondern auch zur Schweizer Trainerschule.
Ob es die in einer speziellen Ausführung gebe, wollte Fischer nicht bestätigen. Er mache da keinen Unterschied zwischen der Schweiz, Spanien, Italien oder eben Deutschland, das könne er auch gar nicht. Bisher trainierte Fischer lediglich Klubs in seiner Heimat. Nur so viel: Die Trainerausbildung in der Schweiz sei auf jeden Fall konkurrenzfähig. Es liegt auf der Hand, warum Fischer in diesen Tagen öfter Fragen zu seiner Herkunft beantworten muss. Am Mittwoch (18.30 Uhr, live bei Sky), trifft Fischer auf seinen Landsmann Lucien Favre, den Trainer von Borussia Dortmund.
Die Wege der beiden haben sich schon mal gekreuzt. Als Favre den FC Zürich trainierte, leitete Fischer dort die U 21. Und als Favre Hertha BSC trainierte, hospitierte Fischer dort. Klar, habe man sich da ausgetauscht, erinnert sich Fischer: „Was die Organisation betrifft, verlangt Lucien im Training wie in den Spielen die letzte Konsequenz. Da habe ich das eine oder andere mitgenommen.“ Alles kopieren wolle er aber nicht, jeder habe schließlich seine eigenen Vorstellungen und Ideen. Dafür steht die aktuelle Saison. Hier die defensivstarken Unioner. Dort Favres stürmische Dortmunder, die wieder ganz Europa begeistern, zuletzt beim 4:0 gegen Atlético Madrid. Unter Favre spielt der BVB wieder so aufregend wie zu besten Klopp-Zeiten.
Favre genießt in Dortmund das große Glück, dass er erstmals in seiner nun auch schon ein Vierteljahrhundert währenden Trainerkarriere mit Profis auf allerhöchstem Niveau arbeiten darf. Zuvor in Nizza musste er Perspektivspieler um den launischen Mario Balotelli scharen, in Mönchengladbach Jahr für Jahr seine besten Leute ziehen lassen und bei Hertha BSC mit einem mittelmäßig veranlagten Kader den in Berlin traditionell hohen Ansprüchen gerecht werden. In Dortmund kann ihm nun gelingen, was er nur in seinen Schweizer Jahren geschafft hat, nämlich der Gewinn eines Titels.
Mit Servette Genf gewann er einmal den Pokal, ein weiteres Mal mit dem FC Zürich, dem er auch zweimal den Meisterpokal in die Vitrine stellte. An diese Zeit denkt er bis heute gern zurück und damit auch an Urs Fischer. „Er hatte seine Kabine in Zürich schräg gegenüber von meiner, wir haben uns damals oft ausgetauscht“, erzählt Favre. Und: Ja, er habe Fischers Weg danach verfolgt, „er war ja ein später Nachfolger von mir in Zürich, danach hat er in Thun gearbeitet und zuletzt in Basel. Viel mehr geht in der Schweiz nicht“.
Die letzte Begegnung des Deutsch-Schweizers Fischer mit dem Romand Favre liegt ein paar Jahre zurück, „deswegen freue ich mich, ihn am Mittwoch in Dortmund zu treffen“. Fischers 1. FC Union darf sich dabei auf geballte Angriffswucht einstellen, auf eine neue Liebe zur Offensive des in der Vergangenheit eher defensiv veranlagten Favre.
Urs Fischer ist vor allem ein Pragmatiker. Sein Äußeres vermittelt dies schon, Fischer trägt eine grundsolide, eckige Brille mit schwarzem Bügel, die er wohl nicht beim Modemeister Jerome Boateng erworben hat. Seine Worte wägt er wohl ab. Die Bedächtigkeit, die dabei mitschwingt, liegt vielleicht auch am Schweizer Zungenschlag, den Fischer aber so maßregelt, dass er seinem Berliner Umfeld keinerlei Verständigungsprobleme bereitet. Eine gewisse Grundordnung, auch im Spiel, ist ihm wichtig.
Ein Beleg dafür ist, dass Union erst sieben Gegentore in der Liga bekommen hat. Wenn der Gegner den Ball hat, wissen die Spieler, wie sie verteidigen müssen. Allesamt sind sie dann in die Abwehrarbeit eingebunden. Er gehe zwar davon aus, dass jeder Trainer gerne nach vorne spielen möchte. „Aber aus einer guten Defensive heraus“, findet Fischer. Bisher, und in diesem Punkt unterscheidet sich Fischer von Favre gewaltig, hat er dem Angriffsspiel seiner Elf allerdings noch keinerlei Wucht verliehen. Es fehlt ein Plan, wie Union die meist tief und kompakt stehenden Abwehrreihen der Zweitliga-Konkurrenz aushebeln kann.
Die Spieler vertrauen ihm trotzdem. Sie schätzen seine „klaren Ansagen“, wie viele betonen. Die von Fischer angeworfene Rotationsmaschine wird akzeptiert, die Moderation stimmt. „Wir haben viele Spieler“, sagt Felix Kroos, der in Dortmund wegen einer Verletzung am Sprunggelenk fehlt. „Das heißt halt auch, dass wir viel Konkurrenz haben.“ Der Trainer wisse aber damit umzugehen. Geradlinig und ganz pragmatisch.