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Der alljährliche Berliner Kellnerlauf.
© Thilo Rückeis

Kolumne: So läuft es: Liebe Läufer, Essen ist keine Religion!

Läuft es nun besser vegan? Ist man schneller ohne Zucker? Geht Marathon nur mit Banane? Der Streit um die richtige Sporternährung nervt. Macht euch mal locker!

Deutschland hat wirklich ein Problem. Ein Luxusproblem. Die Kanzlerin, Böhmermann, Putin, Flüchtlinge, alles schwierig. Alles hoch politisch. Alles explosiv. Aber ein Witz im Vergleich zu einem Thema, das immer wieder echte Krisen anzündet: das Essen. Ich gebe es zu: Ich habe alles probiert. Ich habe sogar alles gegeben. Und habe es vier Wochen mit veganer Ernährung versucht. Was bin ich für eine Wurst. Ich bin kläglich gescheitert.

Irgendwie hatte mir damals Berlin den Impuls dazu gegeben. Denn wenn man in Berlin nicht zum Veganer wird, wo denn dann? Berlin ist die heimliche Hauptstadt der Veganer, und wenn man als Läufer einfach mal ein schnödes Stück Fleisch braucht, dann ist man dem Hungertod plötzlich sehr, sehr nahe. Eine vegane Stulle zu finden, ist echt kein Problem. Aber eine geile Curry oder Ketwurst? Auf der Schönhauser Allee gab es immer die beste Ketwurst, fand ich. Aber erzählen Sie das mal einem Superfood-Jünger! Superfood, es muss Superfood sein. Die Sporternährung überhaupt. Vergessen Sie vegan. Superfood macht schnell, Superfood macht lässig und ist super fürs Laufen. Sagt man.

Aber – was muss ein Lebensmittel können, damit es Superfood ist? Es ist möglichst naturbelassen und stammt aus Bio-Erzeugnissen oder Wildwuchs. Es ist ein ganzheitliches und vollwertiges Lebensmittel. Superfood muss nicht mal lecker schmecken, um Superfood zu sein. Echtes Superfood kann, muss aber nicht, aus weit entfernten tropischen oder arktischen Gegenden stammen. Superfood wächst aber auch direkt vor Ihrer Haustür, wie etwa der Oregano, die Petersilie, die Brennnessel, der Löwenzahn, rohes Sauerkraut, Gerstengras und so vieles mehr. Super, oder? Wenn Sie Eiweiß brauchen (und hey, welcher Läufer braucht kein Eiweiß?), dann nehmen Sie Quinoa. Sieht aus wie Hirsebrei. Schmeckt aber nicht so. Ist auch keiner. Quinoa ist eine Pflanzenart aus der Gattung der Gänsefüße und stammt aus den Anden. Und ist, Sie werden es kaum glauben, natürlich Superfood. Es ist zum Weglaufen.

Wer läuft, der muss sich gesund ernähren. Klare Jacke! Und wer einmal damit angefangen hat, der wird gerne und sofort aufgenommen in die Superfood-Gemeinschaft. Täglich erscheinen neue Kochbücher, täglich werden neue Quinoa-Lauf-Facebookgruppen gegründet. Versuchen Sie mal keck und laut „Currywurst“ oder „Schokoaufstrich“ in eine vegane Laufgruppe zu schreien. Das versuchen Sie nur einziges Mal. Ganz sicher! Umgekehrt ist es auch nicht besser: Knabbert ein Veganer vor dem Marathon an seinem Amaranth-Frühstück, sind die Burger-Jünger recht schnell mit üblen Witzen am Start.

Wissen Sie, was ich mich bei all dem Essterror in Magazinen, TV-Sendungen und Online manchmal frage? Wie wäre eine Lauf-Ess-Welt, ohne dass wir eine Religion daraus machen? Wie wäre eine Welt, in der jeder das essen kann, was er will? Worauf er Lust hat? Wie wäre eine Welt, in der sich Menschen gegenseitig mit Rezepten versorgen? Ein kleines Geheimnis, das mir mein Freund Dr. Paul Klein verraten hat, der Mannschaftsarzt des 1. FC Köln: „Sporternährung hat oft nichts mit gesunder Ernährung zu tun! Die Mannschaft isst manchmal drei Stunden vor dem Spiel Kuchen. Und in der Halbzeit nehmen manche manchmal ’ne Cola. Wer PS auf den Rasen bringen will, braucht Sprit, Mike!“ Paul, darauf ’ne Ketwurst. Und dann schnelle 20 Kilometer durch Berlin. So läuft es.

- Mike Kleiß leitet eine Kommunikations- und Markenagentur in Köln und schreibt hier an jedem Donnerstag übers Laufen.

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