Formel 1: Lewis Hamilton: Der Champion zeigt Nerven
2015 wirkte Lewis Hamilton in Austin unschlagbar, ein Jahr später ist der Formel-1-Welmeister niedergeschlagen wie lange nicht. Das ist auch Nico Rosbergs Verdienst. Ein Kommentar
Eine Beziehung definiert sich auch durch Orte. Jene, an denen der erste Kuss, der Antrag, der Vertragsabschluss stattfand. In der Beziehung zwischen den Formel-1-Teamkollegen Lewis Hamilton und Nico Rosberg wird Austin immer einen besonderen Platz haben. In der Hauptstadt des US-Bundesstaates Texas gewann der Brite vor einem Jahr seinen zweiten WM-Titel mit Mercedes. Seinen Triumph feierte er auf denkwürdige, manche sagen entwürdigende Weise, indem er Nico Rosberg demonstrativ die Kappe mit der Nummer 2 zuwarf. Damals sah es so aus, als sei der Beziehungsstatus im Hause Mercedes zementiert worden.
Der Eindruck täuschte. Der Ort seiner vielleicht schmerzlichsten Niederlage war gleichzeitig auch eine Weggabelung in der Rennfahrerkarriere des Nico Rosberg. Seither hat der Deutsche 12 von 20 Rennen gewonnen, vor dem viertletzten Rennen der Saison führt er die WM-Wertung mit 33 Punkten Vorsprung an. In dieser Saison hat er Hamilton nicht mehr bereitwillig Platz gemacht und gezeigt, dass er ein Champion sein kann. Eine Entwicklung, die in Austin ihren Anfang nahm – als er die symbolträchtige Kappe zu Hamilton zurückschleuderte.
Rosbergs Renitenz hat Spuren bei Lewis Hamilton hinterlassen. Lange hat der Brite die Häufung von Pech und Pannen in dieser Saison mit erhobenem Kopf ertragen. Doch vor der Rückkehr nach Austin zeigt Hamilton, dass auch ein Champion nicht unempfänglich für Frust ist. In Japan wurde er auf einer der fahrerisch anspruchsvollsten Strecken in der Qualifikation von Rosberg geschlagen, zum wiederholten Mal verpatzte er zudem den Start. Dass es um sein Nervenkostüm nicht zum Besten bestellt ist, belegen seine Aktionen abseits der Strecke. Ohne Not bekriegte er sich wegen belangloser Handyfotos mit der Presse und fiel durch erratische Statements und Verschwörungstheorien auf. Erstmals seit seiner lustlosen letzten Saison bei McLaren wirkt Lewis Hamilton angeschlagen – und schlagbar.
Daran hat auch der nervenstarke Nico Rosberg seinen Anteil. Er wird in Austin alles dafür tun, diesmal Lewis Hamilton die Kappe mit der Nummer 2 zuwerfen zu dürfen. Dann wird ihm der erste WM-Titel kaum noch zu nehmen sein.