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Laufen kann er - nur läuft es im Moment gar nicht bei Le'veon Bell. Der Running Back der Steelers feilscht mit seinem Klub um einen neuen, deutlich verbesserten Vertrag.
© Imago

Big Four - die US-Sport-Kolumne: Le'Veon Bell: Streikender Millionär oder unterbezahlter Star?

Football-Profi Le'Veon Bell verdient 14 Millionen Dollar jährlich - und streikt trotzdem. Der Fall offenbart die absurden Gehaltsstreitigkeiten in der NFL.

Wenige Tage vor dem Beginn der neuen Saison in der National Football League (NFL) platzte sogar den eigenen Kollegen der Kragen. "Anscheinend ist ihm alles scheißegal", sagte Ramon Foster, Spieler aus der Offensive Line der Pittsburgh Steelers. "Er verdient siebenmal so viel wie ich - und wir machen die ganze Arbeit für ihn."

Gemeint war Le'Veon Bell, Starspieler der Steelers und einer der besten Running Backs der NFL. Dass seine Mannschaftskameraden im Moment gar nicht gut auf ihn zu sprechen sind, hat einen plausiblen Grund: Bell hat die komplette Saisonvorbereitung verpasst und fehlte schließlich auch am vergangenen Sonntag, beim Saisonauftakt der Steelers gegen die Cleveland Browns, der für den Meisterschaftsanwärter mit einem enttäuschenden Unentschieden (21:21) endete.

Bell verdient 14 Millionen jährlich - darf so jemand streiken?

Man muss dazu wissen, dass Bell nicht etwa verletzt ist oder gesperrt – er streikt ganz einfach. Trotz eines gültigen Vertrags und eines Gehalt von 14 Millionen US-Dollar für diese Saison hat sich der 26-Jährige zum sogenannten "Hold Out" entschieden. Weil Bell einen neuen, finanziell lukrativeren Vertrag will und die monatelangen Verhandlungen mit seinem Arbeitgeber keine Einigung brachten, müssen die Steelers bis auf Weiteres ohne einen ihrer prägenden Spieler auskommen.

Es liegt natürlich nahe, auf den vermeintlich geldgierigen Profi einzuhauen, dem das Privatvermögen scheinbar wichtiger ist als der Erfolg seiner Mannschaft. Dass die Teamkollegen ihren Running Back öffentlich kritisiert und angezählt haben, zeigt nur, wie groß der Ärger über die Situation und die Gehaltskluft auf den unterschiedlichen Positionen ist. Die meisten seiner Kollegen in Pittsburgh und in der NFL können von einem Salär, wie es Bell vertraglich zusteht, ohnehin nur träumen. Sozialneid ist also vorprogrammiert.

Zur ganzen Wahrheit gehört aber auch, dass der Streit zwischen Bell und den Steelers komplex ist und eine grundlegende Ungerechtigkeit bei der Verteilung des Profits in der umsatzstärksten Sportliga der Welt offenbart. Nirgends sonst in den vier großen Ligen des US-Sports sind die Vertragsregeln so sehr zum Vorteil der Vereine und ihrer milliardenschweren Besitzer - und zu Ungunsten der Spieler - ausgelegt wie in der NFL. Le'Veon Bell das perfekte Beispiel für diese Ungerechtigkeit, wie ein Blick auf die Regularien deutlich macht.

Als Liga-Neuling (Rookie) bekommen Spieler automatisch einen Vierjahresvertrag. Das Gehalt wird daran bemessen, wie hoch der Spieler bei der alljährlichen Talentwahl, der sogenannten Draft, ausgewählt wurde. Das Gehalt der Rookies liegt dabei stets deutlich unter dem etablierter Profis. Schlägt also ein junger Spieler schon im ersten oder zweiten Jahr voll ein und steigert seinen Wert um ein Vielfaches, ist er trotzdem noch zwei oder drei weitere Jahre in dem für ihn relativ schlechten Rookie-Vertrag gefangen. Und nach Ablauf dieses Vertrags hat das Team sogar noch die Möglichkeit, den Spieler durch das sogenanntes "Franchise Tag" ein weiteres Jahr zu binden. Dieses eine Jahr garantiert dem Spieler dann zwar ein Top-Gehalt, aber keine langfristige Sicherheit.

"Er verdient sieben Mal so viel - und wir machen die Ganze Arbeit"

Genau das ist im Fall Le'Veon Bells der Knackpunkt. Bell will einen Deal über vier oder fünf Jahre mit garantiertem Festgeld, wie es für Topspieler eigentlich üblich ist. Allerdings sträuben sich die Steelers dagegen und haben nun schon zum zweiten Mal in Folge das "Franchise Tag" für Bell gezogen. Bell hat mittlerweile fünf NFL-Jahre in den Knochen, er war durchweg einer der dominantesten Spieler auf seiner Position – verdient hat er aber die meiste Zeit nur so viel wie ein Rookie. Oder besser gesagt: so wenig.

Gerade für Running Backs, deren Halbwertszeit in der Knochenmühle NFL deutlich kürzer ausfällt als auf anderen Positionen, ist dieser eine langfristige Vertrag nach Ablauf der Rookie-Zeit der wichtigste - weil es eben oftmals auch der letzte ist. Mit Ende 20 gilt man auf dieser Position schon als alt; die Verletzungsgefahr ist enorm, da Running Backs praktisch in jedem Spielzug als Rammböcke fungieren. Bell hat also berechtigte Angst davor, durch die Hinhaltetaktik der Steelers seine besten Jahre vorbeiziehen zu lassen, ohne angemessen bezahlt zu werden.

Sein Fall ist extrem, aber auch nichts Neues. Ähnliche Situationen gibt es jedes Jahr: Einzig die Quarterbacks verdienen in der NFL hervorragend, Green Bays Aaron Rodgers etwa hat gerade einen Rekord-Vertrag über 134 Millionen US-Dollar für vier Jahre unterschrieben. Die Top-Spieler auf den anderen Positionen dagegen fühlen sich regelmäßig unter Wert verkauft. Allein in diesem Sommer befanden sich neben Le’Veon Bell noch Superstars wie Odell Beckham Jr. von den New York Giants, Aaron Donald von den Los Angeles Rams oder Julio Jones von den Atlanta Falcons zeitweise im Ausstand. Fast immer kommt es genau dann zu solchen "Hold Outs", wenn ein Starspieler auf das Ende seiner Rookie-Vertragszeit zusteuert - wenn es also für ihn um den ersten richtig dicken Vertrag geht und die Vereine Wege suchen, sich vor diesem Szenario zu drücken. 

Natürlich kann man den Streik eines Football-Millionärs auch als Jammern auf hohem Niveau deuten. Allein die Spieltags-Gage von 853 000 Dollar, die Bell durch sein Nicht-Erscheinen zum Spiel gegen Cleveland verstreichen ließ, ist höher als das gesamte Jahresgehalt seines Ersatzmannes James Conner. Und doch ist der von Bell angepeilte, langfristige Vertrag über zirka 15 Millionen Dollar Jahresgehalt gerade im Quervergleich mit anderen US-Sportligen niedrig: In der Basketball-Liga NBA verdienen diverse Spieler mehr als 20 Millionen Dollar pro Jahr, die eher durchschnittlich begabt sind und bei weitem nicht die sportliche Extraklasse Bells mitbringen. Serge Ibaka, Danilo Gallinari, Otto Porter oder Ryan Anderson sind teilweise nicht mal Stammspieler in ihren NBA-Klubs. 

"Mir geht es nicht ums Geld, ich habe genug Geld", sagt Bell

Dazu kommt die hohe Verletzungsgefahr beim American Football. Von bleibenden Gehirnschäden, über die in den letzten Jahren mehr und mehr bekannt wurde, mal ganz zu schweigen. Dass manch ein Football-Profi sich da unterbezahlt fühlt, ist durchaus nachvollziehbar. "Mir geht es nicht ums Geld, ich habe genug Geld. Mir geht es um die Wertschätzung für das, was ich leiste", sagte Bell bereits im Januar. Sogar die Möglichkeit eines vorzeitigen Karriereendes warf er damals als Drohung in den Raum. Jetzt scheint sein Plan klar: Den Streik bis zur allerletzten Deadline am elften Spieltag durchziehen, dann die restlichen Spiele mit möglichst wenig Verschleiß über die Bühne bringen und im Sommer als Free Agent von irgendeinem anderen Team den ersehnten Maximal-Vertrag mit garantiertem Gehalt bekommen. Mit den Steelers, so viel scheint sicher, wird es keinen neuen Vertrag geben.

Übrigens: Zur Saison 2021/22 müssen die Vertrags-Grundlagen zwischen Liga und Spielern neu ausgehandelt werden. Mitglieder der Spielergewerkschaft NFLPA gehen schon jetzt davon aus, dass die Saison zumindest teilweise ausfallen wird, weil die Verhandlungspositionen viel zu weit auseinanderliegen. Solange allerdings selbst Bells Teamkameraden die Schuld eher bei ihm als bei den steinreichen NFL-Funktionären suchen, ist ein Ende des ständigen Gehaltsstreits ohnehin nicht absehbar.

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