Vergleich der Motorsport-Rennserien: Läuft die Motorrad-WM der Formel 1 den Rang ab?
Die Formel 1 steht in der Kritik: Langweilig, kompliziertes Reglement, zu teuer. Die Motorrad-WM hingegen wird immer beliebter. Woran liegt das?
Niki Lauda hat zwar dreimal den WM-Titel in der Formel 1 gewonnen, aber offenbar findet er Motorradrennen spannender. „Grundsätzlich sind die Motorradrennen interessanter zu beobachten, weil man sieht, wie die Fahrer mit den Motorrädern kämpfen“, sagte der Aufsichtsratschef des Mercedes-Rennstalls kürzlich. Sein Lob für die Motorrad-WM vermischte er mit Kritik an seiner eigenen Rennserie: „In der Formel 1 ist es leider umgekehrt: Die Autos sind so einfach zu fahren, dass man weder ein Rutschen oder sonst irgendetwas sieht.“ Ist Laudas Kritik an der Formel 1 berechtigt und die Motorrad-WM, vor allem die höchste Klasse MotoGP, inzwischen wirklich interessanter? Wir wagen eine Analyse.
Leichter verständlich
Generell sind die Motorradrennen für die Zuschauer leichter nachzuvollziehen. Der Fernsehsender RTL machte jüngst das „kaum nachvollziehbare Regelwerk“ als Hauptgrund für den Zuschauerschwund in der Formel 1 aus. Nicht nur Niki Lauda findet, dass das Fahren generell zu strategisch geworden ist und die heutigen Formel-1-Wagen über zu viele technische Hilfsmittel und zu wenig Motorpower verfügen. „Man muss eine Formel schaffen, die dem Fahrer den Spielraum gibt, sein Können zu zeigen. Jetzt gibt es viele neue Systeme in den Autos, die von außen und nicht mehr im Cockpit kontrolliert werden“, sagt der viermalige Weltmeister Sebastian Vettel. Die Zweiradpiloten sind deutlich weniger abhängig von solchen Systemen, ganz ohne kommen aber auch sie nicht aus. Sie müssen per Knopfdruck am Lenker die Traktionskontrolle und verschiedene Motoreinstellungen justieren. Davon bekommt der Zuschauer in der Regel aber nichts mit. Er kann sich auf das Geschehen auf der Strecke auf der Strecke konzentrieren. Und das ist dank des einfachen und verständlichen Regelwerks schnell getan: Es wird losgefahren, und der Schnellste gewinnt. Boxenstopps gibt es normalerweise nicht, die Fahrer müssen sich vor dem Rennen lediglich für eine der drei Reifenmischungen entscheiden.
Mehr Ausgeglichenheit
Zwar zeigt die Formel 1 mehr Abwechslung an der Spitze. Neun verschiedene Fahrer standen von 2012-2015 auf dem ersten Platz. In der MotoGP waren es in der gleichen Zeit nur 5. Insgesamt ist das Motorradfeld aber tendenziell ausgeglichener. Durch die sogenannte Open-Regel können auch finanzschwächere Teams mit den stärkeren mithalten. Teams, die unter dieser Regel starten, müssen zwar gewisse Einheitskomponenten verwenden, erhalten aber andere Vergünstigungen. Sie dürfen mit einem größeren Tank starten, mehr Motoren pro Saison und zudem weichere Hinterreifen verwenden. Ab einer gewissen Anzahl von Siegen werden Open-Teams manche dieser Vorzüge wieder gestrichen. In der Formel 1 dagegen hat sich durch das weitgehend eingefrorene Reglement bis 2017 auch eine eingefrorene Hierarchie ergeben. Deswegen dominiert seit zwei Jahren das Mercedes-Team, nur Ferrari kann diese Dominanz hin und wieder brechen. Momentan beteiligen sich 5 große Hersteller an der Motorrad-Weltmeisterschaft, ab 2017 sind es sogar 6. In der Formel 1 sind derzeit nur 4 große Hersteller am Start, und Renault hat bereits mit Ausstieg gedroht. Im Vergleich zur Formel 1 ist MotoGP allerdings für eine Weltmeisterschaft sehr stark regional auf Südeuropa ausgerichtet. Mehr als die Hälfte der 25 Fahrer kommen aus Spanien (acht) oder Italien (fünf), in den unteren Klassen sieht es ähnlich aus. Zudem wird ein Drittel der 18 Motorradrennen in beiden Ländern – vier in Spanien, zwei in Italien.
Steigende Zuschauerzahlen
Eine weltweite Fernsehquote ist schwer zu berechnen, da die Motorradrennen in vielen Ländern im Pay-TV laufen. Die MotoGP verbucht seit der Rückkehr zu Eurosport zumindest in Deutschland steigende Zuschauerzahlen, obwohl nur die Hälfte der Rennen übertragen wird und ein deutscher Spitzenpilot momentan fehlt. 550 000 Menschen schalteten zum Rennen am Sachsenring ein, das waren 60 000 mehr als im Vorjahr auf Sport 1.
Die Formel 1 ist in den meisten Ländern frei empfangbar, die Zuschauerzahlen sind in den vergangenen Jahren allerdings weltweit drastisch gesunken. Auch beim deutschen Sender RTL. In der Saison 2014 wurde der schlechteste Wert seit 1994 erreicht, nur 4,36 Millionen Zuschauer schalteten im Schnitt pro Rennen ein – 17 Prozent weniger als noch im Jahr zuvor. In dieser Saison hat sich der Schnitt immerhin wieder leicht verbessert.
Beim Zuspruch an der Strecke haben die Motorräder die Autos sogar teilweise schon überholt. Das Deutschlandrennen der Formel 1 musste 2015 nicht zuletzt wegen des sinkenden Zuschauerinteresses abgesagt werden. 2014 kamen am Rennsonntag nur 52 000 Zuschauer an den Hockenheimring, 2013 auf dem Nürburgring waren es sogar nur 44 000. Zum Rennsonntag der Motorräder kamen dieses Jahr 92.000 Besucher an den Sachsenring. Die bekamen dann auch Idole zum Anfassen. Auf einer Showbühne am Altmarkt in Hohenstein-Ernstthal eine Autogrammstunde mit 10 Top-Rennfahrern. In der Formel 1 sind die Auftritte der Fahrer meist auf wenige öffentliche Sponsorenevents reduziert.
Günstigere Tickets
Ein Grund für die vergleichsweise wenigen Formel-1-Zuschauer an der Strecke sind die Ticketpreise, die grob gerundet doppelt so hoch sind wie die der MotoGP. Auf dem Circuit de Catalunya bei Barcelona kostete in diesem Jahr das günstigste Tribünenticket für das gesamte Wochenende 180 Euro. Beim Lauf der Motorrad-WM auf derselben Strecke mussten Fans für ein vergleichbares Ticket nur 72 Euro zahlen. Ähnlich hoch fiel der Unterschied in Silverstone aus: Eine Stehplatzkarte für das Wochenende kostete in der MotoGP 155 Euro, in der Formel 1 gleich 287 Euro. Außerdem bekommt ein Zuschauer für sein Geld nicht nur das Rennen der MotoGP, sondern auch die der Moto2- und Moto3-Klasse, die ebenfalls WM-Status haben. Bei der Formel 1 werden lediglich Rahmenrennen ohne WM-Status wie die GP2-Serie und der Porsche-Supercup geboten. Allerdings gab es in diesem Jahr in Silverstone spezielle Rabattaktionen - mit durchschlagenem Erfolg. In Großbritannien wurden fast doppelt so viele Tickets wie bei anderen Europa-Rennen verkauft. Ein Beispiel, das Schule macht?
Tamina Porada