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Der Kroate Dejan Lovren äußerte sich nach dem Sieg gegen Argentinien sehr martialisch.
© Johannes Eisele/AFP

Fußball-WM 2018: Kroatien und der Umgang mit der faschistischen Vergangenheit

Kroatische Spieler feiern den Sieg über Argentinien mit Rechtsrock in der Kabine. Nicht der erste nationalistische Vorfall um Länder des ehemaligen Jugoslawiens bei der WM.

Nach dem Sieg über Argentinien hatte Kroatiens Nationalmannschaft einiges zu feiern. „Vatreni“, die Feurigen, hatten ein überzeugendes Spiel auf den Rasen des Nischni-Nowgorod-Stadions gebracht, drei Tore erzielt und den Gegner über 90 Minuten dominiert. Die Freude in den Katakomben war riesig, die Spieler feierten ihren Erfolg, tanzten durch die Kabine und sangen kroatische Lieder.

Zwei Siege aus zwei Gruppenspielen trugen auch dazu bei, dass viele den Wortteil „Geheim“ aus der Einschätzung Kroatiens als „Geheimfavorit“ gestrichen haben. Zu Recht, ist das Team doch neben Belgien und mit Einschränkungen Russland der einzige Turnierteilnehmer, der in den ersten beiden Partien spielerisch überzeugte. Dass Kroatien nach den starken Leistungen jetzt auch von außen als Titelkandidat gehandelt wird, freute Innenverteidiger Dejan Lovren: „Gut so. Das heißt, dass uns die anderen fürchten. Ich denke, sie verstehen jetzt, dass sie Kroatien respektieren müssen.“ Eine Aussage, die in mehrfacher Hinsicht einen faden, ja bitteren Beigeschmack hat.

Erstens darf bezweifelt werden, dass andere Teams Kroatien zuvor nicht respektierten, schließlich wurde die Mannschaft bereits vor dem Turnier von Experten und Gegnern als eine der stärksten erachtet. Zweitens sind solch martialische Untertöne, wenngleich keine Neuheit im Rahmen von internationalen Turnieren, schlicht unangebracht, implizieren sie doch das Gegenteil von fairem Wettkampf und Völkerverständigung. Drittens, und das schmeckt gar nicht, hatte die kroatische Nationalmannschaft in der Vergangenheit mehrfach mit Nationalismus und dem Umgang mit der faschistischen Vergangenheit des Landes zu kämpfen.

Kroatiens Mannschaft feierte zu Rechtsrock

Das jüngste Beispiel liefert Lovren selbst. In den sozialen Netzwerken kursiert ein Video von den Kabinenfeierlichkeiten nach dem Argentinien-Sieg, gefilmt vom Innenverteidiger des FC Liverpool. Laute Musik ist zu hören, Lovren singt inbrünstig mit. So weit, so normal – so blöd. Denn das Lied, das Lovren textsicher schmettert, heißt „Bojna Cavoglave“ und stammt von der kroatischen Band Thompson. Die ist bekannt für die Verherrlichung des kroatisch-faschistischen Ustascha-Regimes aus dem Zweiten Weltkrieg und besingt auch gerne mal die Ermordung von Juden und Serben in den Konzentrationslagern Jasenovac und Stara Gradiska. Auch das Lied, das in der kroatischen Kabine ertönte, beginnt mit den Worten „Za dom – spremni!“ Das heißt übersetzt „Für die Heimat – bereit!“ und war der Wahlspruch und Gruß der Ustascha.

Trotz – oder wegen – der eindeutigen Implikationen erfreut der sich großer Beliebtheit. Als Kroatien sich für die letzte WM qualifizierte, schnappte sich der damalige Kapitän Josip Simunic ein Mikro und schrie im Mittelkreis „Za dom“, worauf von den Tribünen ein tausendfaches „spremni“ zurückschallte. Simunic wurde daraufhin von der Fifa für das Turnier in Brasilien gesperrt. Auch Mario Mandzukic, nach dem Rauswurf von Nikola Kalinic der einzige Mittelstürmer im WM-Kader, fiel schon negativ auf: 2012 salutierte er nach einem Tor für den FC Bayern. Ein Gruß an die Generäle Ante Gotovina und Mladen Markac aus dem Kroatienkrieg, die das Kriegsverbrechertribunal in Den Haag nach einem ersten Urteil wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit in zweiter Instanz freigesprochen hatte.

Wie viele andere Länder Europas erfährt Kroatien aktuell einen heftigen Rechtsruck. Im Mai hatte die Anti-Rassismus-Kommission des Europarats festgestellt, dass Rechtsradikale und Neofaschisten im Land zunehmend erstarken. Dieser Trend werde durch eine „Verherrlichung“ von Ideologien aus dem Zweiten Weltkrieg verstärkt, namentlich des Ustascha-Regimes. Diesen Vorwurf muss sich jetzt auch Dejan Lovren gefallen lassen.

Serbiens Trainer will Schiedsrichter Brych "nach Den Haag schicken"

Doch auch andere Nachfolgestaaten des ehemaligen Jugoslawiens kämpfen bei der WM in Russland mit nationalistischen Ausfällen. Während des Gruppenspiels gegen Costa Rica präsentierten serbische Fans ein Tschetnik-Banner aus dem Zweiten Weltkrieg. Die Fifa sprach eine Strafe von 10 000 Schweizer Franken gegen den Verband aus.

Am Montag folgten Geldstrafen gegen Serbiens Trainer Mladen Krstajic und die Schweizer Nationalspieler Xherdan Shaqiri und Granit Xhaka. Beim Duell der beiden Teams hatte der deutsche Schiri Felix Brych den Serben einen Elfmeter verwehrt. „Ich würde ihn nach Den Haag schicken“, sagte Krstajic und setzte den Unparteiischen mit Kriegsverbrechern gleich, die vom Tribunal in Den Haag verurteilt werden. Im gleichen Spiel formten nach einem Tor Shaqiri und Xhaka mit den Händen den doppelköpfigen Adler, der die Flagge Albaniens ziert. Beide haben Wurzeln im heutigen Kosovo. Der Jubel war auch eine Reaktion auf die Rufe von serbischen Fans, die im Stadion „Ubij Siptara!“ skandierten, „Tötet die Albaner!“. Siptara ist eine rassistische Beleidigung gegen Albaner.

Welt- und Europameisterschaften, gerade im Fußball, sorgen immer wieder für ein Erstarken von Nationalismen in einer Vielzahl von teilnehmenden Ländern. Ein hässlicher Nebeneffekt einer eigentlich großartigen Sportveranstaltung. Nur während die nationalistischen Tendenzen und Äußerungen sich bei den meisten Ländern auf die Fans beschränken, treten sie in manchen Ländern des ehemaligen Jugoslawiens auch in Kader und Trainerteam offen zutage. Selbst wenn Spieler wie Shaqiri und Xhaka für ein anderes Land spielen oder in einem solchen geboren wurden, wie Simunic in Australien. Die Wunden der Kriege sind im ehemaligen Jugoslawien noch frisch, doch nationalistische und rassistische Ressentiments lassen sich dadurch nicht entschuldigen. Ebenso wenig das Video aus der kroatischen Kabine. Wer das Lied einer ultranationalistischen, den Faschismus verherrlichenden Band abfeiert, deren Fans auf Konzerten Hitlergrüße zeigen und gegen die schon wegen Volksverhetzung ermittelt wurde, tut das nicht aus Versehen. Auch nicht im Freudentaumel nach der Qualifikation für ein WM-Achtelfinale.

Tobias Finger

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