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Viel Potenzial. Thomas de Maizière setzt auf neue Förderwege.
©  dpa/Pedersen

Gold durch Mathe?: Kritik an der Reform der Sportförderung

Ein Potenzialanalysesystem soll dabei helfen, Deutschland im olympischen Medaillenspiegel wieder nach vorne zu bringen. Experten bezweifeln, dass das klappt.

Ein Vorschlag für das Sportwort des Jahres: Potenzialanalysesystem. Wer es eilig hat, und das kommt im Sport ja öfter vor, kann auch die Abkürzung nehmen: Potas. Das Potenzialanalysesystem soll dabei helfen, Deutschland im olympischen Medaillenspiegel wieder nach vorne zu bringen. Oder zumindest nicht weiter nach unten sinken zu lassen. Und weil Potas sehr komplex ist und Sport sehr emotional, wird gerade viel darüber diskutiert, manchmal auch gestritten.

So auch am Mittwoch bei einer Anhörung im Sportausschuss des Bundestags. Potas ist bislang das zentrale Analysewerkzeug im neuen Sportförderkonzept. Es soll die Grundlage werden, auf der das Bundesinnenministerium später Millionen an die Sportverbände verteilt und die Verbände in drei Fördercluster eingeteilt werden. „Es war der Wunsch des Bundesinnenministeriums“, sagte Alfons Hörmann, der Präsident des Deutschen Olympischen Sportbunds (DOSB), über Potas und schob so die Verantwortung dem Ministerium zu und damit auch die über Gelingen oder Scheitern.

Statt bisher nach der Zahl der Medaillen, der Wettbewerbe und der qualifizierten Athleten für Olympische Spiele zu fördern, kommt nun Potas. Das sind 20 Attribute, einige beziehen sich auf gezeigte Leistungen, aber es gibt auch das Kriterium der Anzahl deutscher Funktionäre im internationalen Fachverband.

Einige Sachverständige haben Potas am Mittwoch ziemlich zerpflückt. Wolfgang Maennig, Olympiasieger im Ruderachter und Professor für Wirtschaftswissenschaften in Hamburg, sagte: „Potas ist ein Versuch der Objektivierung.“ Doch das einzige bewiesene Kriterium, das sich zur Berechnung künftiger Erfolge heranziehen lasse, seien die bestehenden Erfolge einer Sportart. „Sie werden scheitern, das Potenzial besser abzumessen.“

„Sie werden scheitern, das Potenzial besser abzumessen“

Auch der Sportphilosoph Gunter Gebauer, Professor an der Freien Universität Berlin, hält nicht viel von Potas. Denn es sei eben ein rein mathematisches System. „Den zukünftigen Erfolg von Förderung kann man nicht voraussagen, auch nicht mit einem Computer. Ihr prognostizierter Zielzustand ist nichts anderes als eine Projektion. Es wird nur der Anschein von Objektivität erweckt.“ Zumal eben die Politik und Verbände die Daten interpretieren. Und auch die grundsätzliche Ausrichtung des Förderkonzepts gefällt Gebauer nicht: „Der jetzige Entwurf ist einäugig auf die Zahl der Medaillen fixiert.“

Noch ist nichts beschlossen, bisher haben sich das Bundesinnenministerium (BMI), das Bundesinstitut für Sportwissenschaft, andere Wissenschaftler und Sportverbände, vor allem der DOSB, mit dem Konzept befasst. Katrin Kunert von der Fraktion Die Linke warf dem BMI vor, eine „sehr dominante Rolle“ in dem Verfahren gespielt zu haben, zumal hier nicht das Ministerium das Geld verteile, sondern der Deutsche Bundestag. Gerhard Bohm, Abteilungsleiter Sport im BMI, erwiderte: „Sie können sich jederzeit an uns wenden.“ Die 20 Attribute seien nicht in Stein gemeißelt, auch nicht ihre Zahl.

Besonders Wolfgang Maennig hielt ein Plädoyer für eine Veränderung des Systems, für eine schöpferische Zerstörung. „Es nützt den Athleten nichts, wenn sie falschen Strukturen mehr Geld geben“, sagte er und belegte das mit einem „Laura-Grasemann-Effekt“. Seitdem die Freestyle-Skifahrerin Laura Grasemann weniger Geld bekomme, bringe sie bessere Leistungen, weil sie sich genau überlegen müsse, wann sie wo mit welchem Trainer trainiert. Wenn einer Sportart Geld gestrichen werde, müsse das immer stufenweise erfolgen und nie auf einmal. Und auf null sollte niemand rutschen, so Maennig: „Eine Grundförderung sollte immer erhalten bleiben.“

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