Hertha 03 Zehlendorf: Klein reden, groß denken
Hertha 03 Zehlendorf ist eine Größe im Berliner Fußball und möchte noch mehr werden – Liga drei ist das Fernziel.
Kamyar Niroumand streckt die Arme in Kopfhöhe, zieht eine virtuelle Grenze. „Momentan ist das Geld oben, aber irgendwann wird es auch unten ankommen.“ So sei das in der Wirtschaft. Kennt er aus seiner Berufserfahrung als Führungskraft und hofft er als Präsident von Hertha 03 Zehlendorf. Niroumand sitzt im Garten des „Golden Goal“, der Vereinsgaststätte in der Onkel-Tom-Straße. Natürlich ist Niroumand wie viele Vertreter des Amateurfußballs aufgebracht nach den Fabeltransfers um Neymar und Kollegen in der obersten Fußballetage. Über 200 Millionen Euro für einen Spieler. Von so einer Summe können sie bei Berlins vielleicht bekanntesten Amateurklub nicht träumen. Kürzlich hat Hertha 03 Geld aus dem Transfer seines ehemaligen Spielers Antonio Rüdiger zum FC Chelsea bekommen, angeblich um die 150 000 Euro. Davor gab es schon mal 20 000 Euro vom AS Rom, wo Rüdiger zuvor spielte. Stimmen die Summen, sagt Niroumand und zeigt auf die Geschäftsstelle: „Davon haben wir uns ein neues Dach geleistet.“
Unter dem neuen Dach ist neben der Geschäftsstelle auch das „Golden Goal“. Malerisch gelegen, nach hinten raus mit Blick auf die Nebenplätze von Hertha 03 und das schmucke Ernst-Reuter-Sportfeld. Unbestritten eine der schönsten Sportanlagen Berlins, schon der Lage wegen. Doch der Klub, der hier arbeitet, ist von seiner Struktur her nicht nur beschaulich: 60 Mannschaften spielen bei den Zehlendorfern, die Geschichte des Ausbildungsvereins, ist oft erzählt worden. Teammanager Oliver Kellner rechnet all die Spieler zusammen, die in Zehlendorf ausgebildet wurden und dann als Profi gespielt haben oder spielen: „Über die Jahre würden wir zwei Bundesligamannschaften stellen.“ Und Hertha 03 selbst im Seniorenbereich? Stellt zurzeit einen ambitionierten Oberligisten. Das soll aber nicht so bleiben, sagt Niroumand. „Wir wollen in die Dritte Liga.“
Oliver Kellner zuckt ein wenig zusammen, als Niroumand laut von Liga drei träumt. Da müssten die Zehlendorfer von ihrer Infrastruktur wohl noch ein wenig zulegen, glaubt er. Aber das ist eben ein Traum, ein Traum in Schritten. Verbunden natürlich mit der Hoffnung, dass das Geld von oben künftig dann auch mal in Zehlendorf ankommt. Einfach ist das nicht, am Transfer des wie Rüdiger in Zehlendorf ausgebildeten John Anthony Brooks von Hertha BSC zum VfL Wolfsburg hat Hertha 03 nichts verdient, das funktioniert nur bei Transfers ins Ausland. Und so könnte Präsident Niroumand womöglich abendfüllend davon erzählen, wie schwer der Deutsche Fußball-Bund (DFB) den Amateurvereinen das Leben macht. Er sagt: „Vergangene Saison haben unsere B-Juniorinnen in der Bundesliga gespielt. Was meinen Sie, wie dick der Auflagenkatalog des DFB war?“ Nach Abstand von Oliver Kellners Handinnenkantenfläche zur Tischfläche gemessen, muss der Katalog sehr, sehr dick gewesen sein.
Binnen drei Jahren soll der Aufstieg in die Viertklassigkeit erfolgen
Das mit dem DFB-Auflagenkatalog ist aber schon wieder Geschichte. Die B-Juniorinnen sind abgestiegen, haben aber mit ihrem Bundesliga-Ausflug auch belegt, wie stark der Klub aufgestellt ist. Trotz der Sportinternate der Bundesligisten ist Hertha 03 eine Marke geblieben. Der Klub hat Nachwuchsmannschaften in den (bei A- und B-Junioren zweitklassigen) Regionalligen und ist eine Anlaufstelle für Jugendliche aus ganz Berlin. 20 bis 30 Prozent der Jugendlichen im Klub kämen aus Zehlendorf, sagt Niroumand. Immer noch recht viel, um sich dann auch als ein Stadtteilklub mit Ambitionen zu positionieren. Alle können ja schließlich nicht mit 18 Jahren in den Profifußball wechseln, da wäre es doch gut, wenn der Klub eine erste Männermannschaft hätte, die näher dran wäre. „Von der Regionalliga ist es ja nicht mehr so weit nach oben.“ Mit Hertha BSC haben die Zehlendorfer im Mai eine enge Zusammenarbeit im sportlichen Bereich vereinbart. Der Bundesligist will mit seinem kleineren Namensvetter einen Spieleraustausch in allen Bereichen angehen. Einige Herthaner würden schon bei Hertha 03 spielen, sagt Kamyar Niroumand.
Binnen drei Jahren soll Etappe eins, der Aufstieg in die Viertklassigkeit erfolgen, das Stadion ist dafür jetzt bereits gerüstet. Die Mannschaft auch, glauben sie im Klub. „Groß denken, klein reden“, hat Trainer Alexander Arsovic seinen vorwiegend jungen Spielern (Altersschnitt des Kaders 21,4 Jahre) gesagt. Doch die um den Platz nach oben rangelnde Konkurrenz in der Oberliga Nord ist groß und wird wohl angeführt vom abgestürzten Traditionsklub Tennis Borussia. Nur der erste steigt auf, Zehlendorf kam in der Vorsaison auf Platz vier. Zum Auftakt hat Hertha 03 2:1 beim SC Staaken gewonnen, am Sonntag nun steht das erste Heimspiel der Saison an, um 14 Uhr kommt der SV Altlüdersdorf zum zweiten Ligaspiel der Saison ins Ernst-Reuter-Stadion.
Vom Zuschauerzuspruch her waren sie in Zehlendorf zuletzt zufrieden, es sei ja eigentlich unglaublich, wenn man mal zusammenrechne, wie viel Menschen in Berlin am Wochenende zum Amateurfußball strömen würden. „Da sind sie schnell bei 10 000 Zuschauern und es werden mehr werden, wenn der Fußball oben so weiter macht.“ Kamyar Niroumand schwebt in Zehlendorf kurzfristig eine Kulisse von 400, 500 Besuchern vor. Oder mehr natürlich. Das ist wie mit dem Geld von oben, irgendwann verteilt sich das vielleicht auch mit den Zuschauern von oben nach unten.