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Was er sagt, das zählt. Marco Sturm (r.) ist erst 39 Jahre alt und hat als Trainer doch schon viel erreicht.
© Reuters

Eishockey-Halbfinale bei Olympia: Keine Angst vor Kanada

Eishockey-Bundestrainer Marco Sturm hat die deutsche Mannschaft ins Olympia-Halbfinale geführt. Dort ist am Freitag alles möglich.

Vor 14 Jahren wurde der Spieler Marco Sturm mal gefragt, wann die deutsche Eishockeynationalmannschaft denn nun endlich einmal eine Medaille gewinnen würde. Bei einer Weltmeisterschaft oder sogar bei Olympischen Spielen. Marco Sturm antwortete damals: „Vielleicht gewinnen wir nie eine Medaille, aber wir werden alles dafür tun, eine Medaille zu gewinnen.“ Der aktuelle Bundestrainer des deutschen Teams ist der Medaille bei einem olympischen Eishockeyturnier nun näher, als es der Spieler je war.

Am Mittwoch haben die Deutschen Schweden im Viertelfinale sensationell 4:3 nach Verlängerung geschlagen – und sind erstmals in ein olympisches Halbfinale eingezogen. Es war ein fantastisches Spiel. Deutschland hat sich endlich einmal in einem großen Spiel nicht nur achtbar verkauft, sondern gesiegt. Sturm fühlte sich an seine Zeit als Nationalspieler erinnert und sagte: „Wir sind früher immer zu spät aufgewacht, haben am nächsten Tag gemerkt, da wäre doch mehr drin gewesen. Jetzt glauben wir an uns.“

Das können die Deutschen auch, denn der Gegner am Freitag im Halbfinale ist nicht die, sondern eine kanadische Nationalmannschaft. Das Team muss ohne die aktuellen Spieler aus der nordamerikanischen Liga NHL auskommen, die ihren Spielbetrieb nicht mehr für Olympia unterbrechen wollte. Die Chancen für die deutsche Mannschaft stehen gut – mit so einer Leistung wie gegen den aktuellen Weltmeister allemal. Der schwedische Torhüter hat aus Frust nach dem Spiel seinen Schläger zertrümmert Im Land des Weltmeisters riefen die Medien noch am späten Abend nach dem Spiel eine nationale Krise aus, „Aftonbladet“ titelte „Fiasko“, und ein Fernsehexperte aus Skandinavien traut den Deutschen nun sogar auch „sicher“ eine Medaille zu.

Unter Sturm spielt die Mannschaft strukturierter als unter seinen Vorgängern

Noch ist Marco Sturm nicht am Ziel, aber schon sehr weit mit erst 39 Jahren als Trainer. Seit Mitte 2015 ist er im Amt und hat viel erreicht. Olympia-Qualifikation, zweimal WM-Viertelfinale und nun das Halbfinale in Pyeongchang. Der Deutsche Eishockey-Bund hatte schon vor den Spielen in Südkorea den Vertrag mit Sturm bis ins Jahr 2022 verlängert. Der Verband bemüht sich um neue Strukturen. Sturm, der im Zweitjob auch General Manager der Nationalmannschaft ist, soll langfristig mitgestalten.

Unter Sturm spielt die Mannschaft strukturierter als unter seinen Vorgängern, vieles scheint besser zu greifen. Als Spieler war Sturm mit 1006 Einsätzen in 15 Jahren NHL eine große Nummer, als junger Trainer lässt er sich auch von seinen erfahreneren Co-Trainern helfen. Aber er hat auch einen kurzen Draht zu den Spielern, sie hören auf ihn und werfen sich für den Trainer rein. „Wie das Team fightet, sich an die Spielstruktur hält von der ersten bis zur letzten Minute, das ist phänomenal“, sagte Marco Sturm nach dem Sieg gegen Schweden.

Dabei ist Marco Sturm nicht der liebe Kumpeltyp. Wenn er mal nicht zufrieden ist, dann sagt er das deutlich. Dazu hatte er bei diesem olympischen Turnier allerdings nur am Anfang Grund. Nach drei Siegen in Folge steht die deutsche Mannschaft nun so gut da wie lange nicht. Und könnte das überbieten oder einstellen, was 1976 zuletzt einer deutschen Mannschaft bei Olympischen Spielen gelang – eine Medaille holen. Vor 42 Jahren beim Bronzegewinn der Deutschen in Innsbruck waren übrigens ebenfalls keine NHL-Spieler am Start – und auch keine Schweden.

Der Trainer hieß damals noch Xaver Unsinn, ein lustiger Geselle mit flotten Sprüchen und Pepitahut. Marco Sturm ist sozusagen das Trainergegenteil, rhetorisch zurückhaltend und freilich aus einer anderen Zeit, aber sicherlich schon jetzt erfolgreicher als fast alle Eishockey-Nationaltrainer vor ihm. Ganz abgesehen davon, was in den kommenden beiden Spielen in Südkorea noch passiert für das deutsche Team. In jedem Fall ist Marco Sturm am Donnerstag nicht mit dem Gefühl aufgewacht, eine große Chance verpasst zu haben.

Claus Vetter

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