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Der polnische Skispringer Kamil Stoch nach seinem Gesamtsieg an der Paul-Außerleitner-Schanze auf dem Siegerpodium.
© Daniel Karmann/dpa

Drama im letzten Springen: Kamil Stoch gewinnt die Vierschanzentournee

Doppel-Olympiasieger Kamil Stoch aus Polen konnte den Norweger Daniel Andre Tande beim letzten Springen in Bischofshofen noch abfangen.

Von Johannes Nedo

Sie trieben es auf die Spitze. Das Duell zwischen Kamil Stoch und Daniel Andre Tande um den Gesamtsieg der Vierschanzentournee war überaus dramatisch. Am Ende lehnte einer enttäuscht mit dem Kopf an der Bande – und der andere wurde auf den Schultern seiner Teamkollegen durch den Auslauf in Bischofshofen getragen.
Als Gesamtführender war Tande am Freitag in das vierte und letzte Springen der 65. Tournee gegangen. Nur 1,7 Punkte Vorsprung hatte der Norweger vor dem Beginn des Wettkampfs auf Stoch. Nicht mal ein Meter trennte beide. Und so schaukelte sich an der Paul-Außerleitner-Schanze in der österreichischen Kleinstadt die Anspannung der 20 000 Zuschauer hoch. Die Kulisse war winterlich. Minus zehn Grad, alles war weiß. Selbst die Wipfel der Bäume rings um die Schanze waren mit Schnee bedeckt, leicht segelten kleine Flöckchen herab.

Vor dem zweiten durchgang führte Stoch bereits

Im Wettbewerb wirkte Kamil Stoch entschlossener. Der Pole flog bei schwierigen Bedingungen und Rückenwind im ersten Durchgang auf 134,5 Meter. Tande war zwar kurz zuvor bei 135 Metern gelandet, hatte aber bessere Bedingungen und fiel so hinter Stoch zurück. Vor dem zweiten Durchgang führte daher Stoch in der Gesamtwertung mit 2,8 Punkten. Nun war der 29-Jährige im Vorteil. Er lag im Wettkampf an Position zwei, direkt vor Tande. Der weiteste Sprung in Durchgang eins war dem Slowenen Jurij Tepes mit 141 Meter gelungen.

Als Tande patzte, nutzte Stoch sofort die Chance

Tande musste im Zweikampf mit Stoch dann also vorlegen. Der 22-Jährige rauschte den Anlauf herunter, sprang kraftvoll ab und war extrem hoch in der Luft. Aber dann löste sich der Bindungsstab seines rechten Skis. Abrupt kippte Tandes rechter Ski nach unten, dann schnellte der linke nach oben. Der Norweger wurde durch die Luft geschaukelt und vermied gerade noch so einen Sturz, landete aber nur bei 117 Metern. Und Stoch nutzte sofort danach seine große Chance. Er flog auf 138,5 Meter und gewann damit nicht nur das Springen von Bischofshofen vor dem Österreicher Michael Hayböck und seinem drittplatzierten Landsmann Piotr Zyla.

Kamil Stoch bewies in Bischofshofen mal wieder seine Nervenstärke.
Kamil Stoch bewies in Bischofshofen mal wieder seine Nervenstärke.
© AFP

Vor allem triumphierte Stoch in der Gesamtwertung der Tournee. Als zweiter Pole überhaupt, 16 Jahre nach Adam Malysz, ist er nun Vierschanzentournee-Sieger. Weil der enttäuschte Tande so viele Punkte einbüßte, wurde er nur Dritter, Piotr Zyla zog ebenfalls vorbei und wurde Gesamtzweiter. Auf den Schultern seiner polnischen Teamkollegen wurde jedoch Stoch durch den Auslauf getragen. „So viele Dinge gehen mir durch den Kopf. So viele Gefühle“, sagte er. „Das Finale war so schön, ich bin wirklich auf dem höchsten Niveau.“ Stoch gehört nun einem exklusiven Klub von fünf Skispringern an, die bei den Olympischen Winterspielen gewonnen haben, bei Weltmeisterschaften, bei der Tournee und im Gesamtweltcup. Das gelang sonst nur Jens Weißflog, Thomas Morgenstern, Espen Bredesen und Matti Nykänen. „Ich denke nicht darüber nach. Ich genieße einfach den Moment“, sagte Stoch und wandte sich an seinen Kontrahenten. „Es ist wahnsinnig traurig für Daniel. Ich wollte gerne allein sportlich gewinnen.“

Bundestrainer Schuster war nicht zufrieden

Zwiespältig verlief der Wettkampf für die Deutschen. Richard Freitag wurde Sechster, Stefan Leyhe Achter und Karl Geiger Neunter. Markus Eisenbichler, der in der Tournee-Gesamtwertung als bester Deutscher Siebter wurde, vergab eine bessere Platzierung, weil er in Bischofshofen nur auf Rang 13 kam. Andreas Wellinger war ebenfalls enttäuscht. Der 21-Jährige hatte die Qualifikation am Tag zuvor mit dem Schanzenrekord von 144,5 Metern gewonnen – doch im Wettkampf misslang ihm der Sprung. Wellinger kam nur auf 123 Meter, verpasste den zweiten Durchgang und wurde 31. Das Fazit von Bundestrainer Werner Schuster fiel auch eher durchwachsen aus. „Platzierungsmäßig ist es nicht das, was man sich als deutscher Zuschauer von der Tournee erhofft“, sagte er. „Der Siegspringer hat uns gefehlt.“ Den hatten dieses Mal die Polen.

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