Nachwuchs in der Formel 1: Jung, talentiert, sucht
In der Formel 1 setzt kaum ein Team auf den eigenen Nachwuchs – weil Geld oft mehr zählt als die Leistung der Fahrer.
Ferrari hat vorgemacht, wie es gehen kann. Charles Leclerc, der Junior, den die Roten vor Jahren unter ihre Fittiche nahmen, fährt 2019 an der Seite von Sebastian Vettel im eigenen Werksteam. Es war eine nicht überall unumstrittene Entscheidung, schließlich wird der Druck auf den noch 20-Jährigen enorm werden, aber Ferrari hat vor dem Rennen in Singapur am Sonntag (15.10 Uhr/live bei RTL) Mut gezeigt. Das Team geht neue Wege. Zuletzt hatte es immer auf bewährte, bereits etablierte Piloten gesetzt. So wie es auch bei den meisten anderen Teams der Fall ist.
So kommt es, dass für viele junge, schnelle Nachwuchskräfte in der kommenden Formel-1-Saison schon kein Cockpit mehr frei ist. Derzeit gebe es „einen der dramatischsten Fahrermärkte in der Formel-1-Geschichte“, heißt es auf der offiziellen Homepage. Doch die Probleme sind teilweise auch hausgemacht – vor allem bei Mercedes. So droht Esteban Ocon, der französische Junior der Silbernen, trotz einer erfolgreichen Saison bei Force India auf der Strecke zu bleiben. Und für George Russell, den britischen Youngster, der sich derzeit mit Lando Norris um den Titel in der Formel 2 streitet, scheint sich auch keine echte Lücke aufzutun.
Mercedes-Sportchef Toto Wolff meinte deshalb kürzlich schon, dass man vielleicht das ganze Nachwuchsförderprogramm in Frage stellen müsse, wenn man die Junioren nicht unterbringt. Eine erste Konsequenz gab er am Freitag bekannt: Der ehemalige Formel-1-Pilot Pascal Wehrlein, der seit sechs Jahren Mitglied der Junioren-Schmiede ist , und Mercedes trennen sich zum Jahresende. „Leider konnten wir Pascal kein konkurrenzfähiges Cockpit für das nächste Jahr anbieten“, sagte Wolff. Wehrlein startet nach einem zweijährigen Formel-1-Intermezzo wieder in der DTM. Doch aus der Serie steigt Mercedes Ende 2018 aus.
Mercedes-Sportchef Wolff schlägt ein drittes Auto für jedes Team vor
Für das Nachwuchsproblem sieht Wolff nur eine Lösung. „Gebt uns die Möglichkeit, ein drittes Auto einzusetzen. Schreibt im Reglement vor, dass in einem dritten Auto ein junger Fahrer sitzen muss, der nicht mehr als zwei Jahre Formel-1-Erfahrung haben darf“, sagte er. „Die Kosten wären überschaubar. Wir hätten wieder ein volles Feld und wir hätten diese Talente, die sich mit den großen Stars dieser Welt messen könnten.“ Doch diese Lösung hätte auch Nachteile: Fahren die Top-Teams mit drei Autos und bekämen alle Punkte, bliebe für den Rest der Welt quasi nichts mehr übrig. Gäbe man den dritten Fahrern keine Punkte, wäre es für Otto Normalzuschauer völlig unübersichtlich.
Trotzdem hätte Mercedes auch anders handeln und neben Lewis Hamilton einen der Junioren in den Silberpfeil setzen können. Etwa schon 2017 Wehrlein, der sogar bereit stand, praktisch umsonst zu fahren. Stattdessen kaufte man Valtteri Bottas für zwölf Millionen Euro aus seinem Williams-Vertrag heraus. Auch jetzt hätte Mercedes auf Ocon setzen können, anstatt mit Bottas noch einmal zu verlängern. Dass der Faktor Leistung bei der Auswahl des Personals nicht immer die Hauptrolle spielt, ist nichts Neues in der Formel 1. Politik oder das nötige Geld sind oftmals gewichtigere Argumente. Ocon liefert dafür das beste Beispiel: In dem 19-jährigen Kanadier Lance Stroll steht sein Nachfolger bei Racing Point Force India bereit. Strolls Vater, der Mode-Milliardär Lawrence Stroll, hat mit einer Investorengruppe den taumelnden Rennstall übernommen.
„Ich denke, die Leistung sollte das einzige Kriterium sein, um am Start zu sein“, sagte der 22-jährige Pierre Gasly dem Portal „autosport.com“. Der Franzose, der 2019 von Toro Rosso zum Mutter-Team Red Bull aufsteigt und dort Daniel Ricciardo ersetzt, forderte die Formel-1-Verantwortlichen auf, „sicherzustellen, dass wenn ein richtiges Talent es verdient, in der Formel 1 zu sein, es dort auch bleibt“.