Frauenfußball-WM in Kanada: Jung, deutsch, aufmüpfig
Beim 4:0-Sieg gegen Thailand spielen vor allem die jungen deutschen Fußballerinnen groß auf. Die Nachwuchsarbeit funktioniert. Das kann im weiteren Turnierverlauf helfen.
Lena Petermann hörte gar nicht mehr auf zu grinsen. Sie strahlte über das ganze Gesicht, als sie sich nach dem Abpfiff mit ihren Teamkolleginnen abklatschte. Und sie strahlte, als sie später im Winnipeg-Stadion ein Interview nach dem anderen gab. „Besser hätte es nicht laufen können“, sagte die Stürmerin. „Ich muss mich zwischendurch immer mal wieder berappeln, um zu begreifen, was gerade abgeht.“ Beim 4:0 (1:0)-Sieg der deutschen Fußballerinnen im abschließenden WM-Gruppenspiel gegen Thailand erzielte die 21-Jährige zwei Tore.
Und weil die weiteren Treffer ebenfalls den jungen Spielerinnen Melanie Leupholz (21) und Sara Däbritz (20) gelangen, zog die deutsche Nationalmannschaft mit dem Erfolg nicht nur souverän als Gruppenerster in das Achtelfinale ein (der Gegner am Samstag steht noch nicht fest). Sondern das Team zeigte auch, welch wichtige Rolle die Jugend bei Bundestrainerin Silvia Neid mittlerweile übernommen hat.
„Man braucht immer junge Spielerinnen, weil sie hungrig und teilweise noch total unbelastet sind“, betont Neid. „Und das tut einem Mannschaftsleben einfach gut – auf und neben dem Platz.“ Torhüterin Nadine Angerer, mit 36 Jahren die Älteste im Team, fühlt sich bei der Weltmeisterschaft in Kanada von „Kleinen im Vorschulalter“ umgeben. Die Kapitänin meint das natürlich liebevoll: „Wir haben super Charaktere in unserer Mannschaft – unbefangen und total lernwillig.“
Nach dem Thailand-Spiel haben nun alle 20 deutschen Feldspielerinnen mindestens einen WM-Einsatz. Die jüngsten – Pauline Bremer (19/künftig Olympique Lyon), und die beiden Freiburgerinnen Petermann und Däbritz – wurden im vergangenen Jahr U-20-Weltmeisterinnen in Kanada. Zu den „Kleinen im Vorschulalter“ zählen außerdem die dritte Torhüterin Laura Benkarth (22/SC Freiburg), die Potsdamerin Jennifer Cramer (22) und das starke Trio vom Deutschen Meister FC Bayern München: Leupolz, Lena Lotzen (21) und Leonie Maier (22).
Die Deutschen müssen keine Angst mehr haben, durchzuwechseln
Sie alle haben die Junioren-Nationalmannschaften durchlaufen, die Nachwuchsarbeit des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) funktioniert also auch bei den Frauen. Kein anderes Team bei dieser WM verfügt über derart viele Toptalente und eine solche Ausgeglichenheit im Kader. „Wir haben den absoluten Mix aus Jung und Alt. Das ist ein ganz guter Cocktail“, sagt die Potsdamer Linksverteidigerin Tabea Kemme, selbst auch erst 23. Und die erfahrene, aber ebenfalls erst 26-jährige Celia Sasic betont: „Wir müssen keine Angst mehr haben zu wechseln. Denn viele der Jungen haben nun eine Turniererfahrung auf dem Buckel – das ist ein großes Plus.“ Die Stürmerin meint damit die Europameisterschaft 2013 in Schweden, als das DFB-Team nach einigem Auf und Ab den EM-Titel holte. Das sei „kein Bilderbuch-Turnier“ gewesen, sagt Sasic. „Aber jetzt haben wir ein anderes Level.“
Dieses neue Niveau repräsentierte beim 4:0 gegen Thailand vor allem die eingewechselte Lena Petermann. Ihre ersten beiden Nationalelf-Tore in ihrem erst vierten Länderspiel veranlassten Silvia Neid zu einem kräftigen Lob: „Sie hat für ihre jungen Jahre schon eine sehr gute Persönlichkeit. Eigentlich ist Lena eine ruhige Vertreterin, aber wenn sie aufs Feld kommt, stellt sie schon richtig etwas dar.“ Das hat auch viel mit ihrer wohlüberlegten Karriereplanung zu tun. Petermann, aufgewachsen in Otterndorf bei Cuxhaven und ausgebildet beim Hamburger SV, spielte zwischen 2012 und 2014 für die University of Central Florida in Orlando, danach wechselte sie zum SC Freiburg in die Bundesliga.
Die neue Generation zeichnet sich durch hohe Professionalität und Zielstrebigkeit aus. Das sieht man auch an Pauline Bremers Wechsel von Turbine Potsdam zum zweifachen Champions-League-Sieger Lyon. „Ich habe intensiv alles abgewogen. Es passt perfekt, weil ich gerade mein Abitur gemacht habe“, sagt die 19-jährige Stürmerin. „Ich wollte schon immer ins Ausland, auch um eine neue Sprache zu lernen.“
Angerer schaut sogar etwas neidisch auf die jüngeren Mitspielerinnen. „Die heutige Generation ist viel weiter als wir damals“, sagt sie. In ihrer kürzlich erschienenen Biografie beschreibt Angerer, wie sie einst eine Einladung zur Nationalmannschaft verpasste, weil sie sich nicht traute, den DFB-Brief zu öffnen. Amüsiert sieht sie nun, wie sich die Jungen immer mehr emanzipieren, etwa wenn beim Abschlusstraining die Torschüsse anstehen. „Die Jungen werden immer aufmüpfiger und feiern jeden Sieg gegen uns Alte, als gäbe es kein Morgen.“
Inga Radel